Meine Damen und Herren, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer 67. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen in dieser Wahlperiode. Mein Gruß gilt auch unseren Besucherinnen und Besuchern auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich fünf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
1 Aktuelle Stunde SPD plant Abschaffung der Gymnasien – Unser Land braucht keine rückwärtsgewandte Schulstrukturdebatte
Die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP haben mit Schreiben vom 20. August 2007 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Hochverehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über zwei Jahre nach ihrer Abwahl macht die nordrhein-westfälische SPD den Versuch, am Samstag in Bochum ein erstes eigenständiges politisches Konzept zu beraten. Es ist positiv festzuhalten, dass von Ihnen überhaupt einmal etwas kommt. Denn bisher ist außer dem auch jetzt wieder zu hörenden Getöse nicht viel von ihr gekommen. Das ist keine ausreichende Basis für eine ernsthafte politische Auseinandersetzung.
Die Wählerinnen und Wähler erwarten von Ihnen – dieser Aufgabe kommen Sie viel zu spät nach –, dass Sie politische Alternativen anbieten. Ich bin froh, dass die Bürgerinnen und Bürger jetzt langsam, aber sicher Butter an die Fische bekommen, wenn es darum geht, was Ihre Alternative ist und
Die klare Kante sieht am kommenden Samstag zugegebenermaßen nur so aus wie ein entschlossener Griff in die politische Mottenkiste der einstmals großen nordrhein-westfälischen Sozialdemokratie.
Als am 1. März 1978 die Einschreibungslokale für das Volksbegehren gegen die Koop-Schule schlossen, hatten Sie sich einen kräftigen Schlag auf die Nase abgeholt. 3,6 Millionen Bürgerinnen und Bürger des Landes hatten dem SPD-Modell eine Absage erteilt. Es ist schon tragisch, dass Sie nach Ihrer historischen Wahlniederlage fast 30 Jahre später immer noch auf diesem alten Ladenhüter sitzen. Mit Frau Kraft marschiert die SPD mit Volldampf zurück in die 70er-Jahre.
Die SPD kümmert sich wieder nur um Systeme, statt um Schülerinnen und Schüler und um Lehrerinnen und Lehrer. Sie wollen das bewährte Schulsystem zerstören und ein anderes System an die Stelle setzen. Das wird klar.
Wenn Frau Kraft hier wäre – ich habe gestern schon einmal den Versuch gemacht –, aber wahrscheinlich ist sie noch nicht im Hause –, dann könnte ich ihr noch einmal …
Wo ist sie denn? – Ja, da ist sie. Schön, Frau Kraft. Ich habe Ihnen etwas mitgebracht. Haben Sie schon einmal in Ihrer Heimatstadt Mülheim mit den Lehrerinnen und Lehrern, den Schülerinnen und Schülern von der Karl-Ziegler-Schule, der Luisenschule, der Otto-Pankok-Schule, des Städtischen Gymnasiums in Broich oder Heißen gesprochen, um zu erfahren, was die davon halten, dass Sie ihnen das Gymnasium zerschlagen wollen?
Ich glaube, das haben Sie bisher nicht gemacht. Aber wenn Sie schon konkret werden wollen, dann müssen Sie sich auch mit den Folgen Ihrer Politik auseinandersetzen. Bei Ihnen gibt es nur noch Schulen mit 1.000 Schülern. Alle anderen kleinen Schulen können nicht existieren und werden plattgemacht.
Gerade in den ländlichen Gebieten bedeutet das längere Schulwege und viele kleine Städte und Gemeinden wären ohne weiterführende Schulen –
von den Investitionen in Milliardenhöhe, die Sie den Schulträgern, den Städten und Gemeinden, aufbürden, ganz zu schweigen.
Es gibt keine einzige wissenschaftliche Expertise, dass Ihr Modell der Einheitsschule besser als das Schulsystem ist, das wir heute haben. Das beweist nur, dass die Sozialdemokraten von Schulpolitik keine Ahnung haben.
Nirgendwo waren die Bildungschancen so stark vom Geldbeutel abhängig wie in NordrheinWestfalen, liebe Sozialdemokraten.
25 % der unter fünfzehnjährigen Schülerinnen und Schüler konnten nicht ordentlich Lesen, Schreiben und Rechnen. Mehr als jeder zehnte Hauptschüler hat die Hauptschule ohne Abschluss verlassen. Das sind über 5.000 Schüler jedes Jahr oder 240 ganze Schulklassen, die in Nordrhein-Westfalen ohne Perspektive in die Zukunft entlassen worden sind.
In keinem anderen Bundesland waren die Leistungsunterschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund so groß wie in Nordrhein-Westfalen. Nirgendwo war die LehrerSchüler-Relation so schlecht wie bei uns. Über 5 Millionen Stunden Unterricht sind ausgefallen und es sind 6 Millionen Stunden Vertretungsunterricht erteilt worden. Allein auf der Stundentafel der Abiturienten gab es schon ein Jahr Unterricht weniger; wegen Unterrichtsausfalls und Vertretungsunterrichts gab es noch ein Jahr Unterricht weniger als beispielsweise in Bayern. Das ist Ihre Bilanz. Sie haben in 39 Jahren nichts Rechtes hinbekommen und wollen uns jetzt daran hindern, Ihre Fehler auszumerzen.
In dem Wissen, wie Sie mit unserem derzeitigen Schulsystem umgegangen sind, als Sie noch Verantwortung getragen haben, ist es schon eine besondere Dreistigkeit, dass ausgerechnet Sie jetzt das Schulsystem zerstören und an dessen Stelle
ein anderes setzen wollen. Hören Sie einmal auf Ihre Schulpraktiker, die Ihnen, Frau Kraft, vor einigen Tagen einen Brief geschrieben haben. Darin heißt es:
Wir halten die Vorschläge in dem vorliegenden Antrag für eine Schulstrukturreform weder für hinreichend begründet noch für vermittelbar und politisch durchsetzbar.
Sie unterhöhlen ein in langen Jahren gewachsenes Vertrauen in eine verlässliche und auf einen breiten Konsens ausgerichtete Bildungspolitik der SPD und führen zurück in alte Gräben. Sie verhindern jede Verbesserung der Bildungsleistung für Kinder sozial Schwächerer, weil sie real machbare Alternativen ausklammern und auf Illusionäres verweisen.
Ihre Schulpolitik eignet sich wunderbar für ein gemeinsames ideologisches Projekt. Ich sage: Keine Experimente auf dem Rücken unserer Kinder.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das SPD-Konzept einer Gemeinschaftsschule ist sachlich verfehlt und politisch nicht durchsetzbar. – Deutlicher könnte die Kritik an den SPD-Plänen zur Einheitsschule nicht sein. Was diese Ablehnung der Einheitsschule aber zu etwas Besonderem macht, ist die Tatsache, dass sie aus den Reihen der Sozialdemokraten stammt. Wir werden nicht zulassen, dass dieses Leid tatsächlich über unsere Schüler, Eltern und Lehrer hereinbricht.
Sie wollen einfach das gegliederte Schulsystem abschaffen. Das wäre der Weg zurück in die tiefste bildungspolitische Vergangenheit der SPD