Nein, meine Damen und Herren, die SPD in diesem Hause konnte dieser Versuchung nicht widerstehen. Sie legen uns diesen mit heißer Nadel gestrickten Antrag vor, der den Anschein erwecken soll, die dort beschriebenen Maßnahmen seien geeignet, um die Problematik überschuldeter Kommunen zu lösen.
In bedauernswerter Einfallslosigkeit wollen die nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten die Kommunen mit Instrumenten aus der politischen Mottenkiste vergangener Regierungszeiten beglücken. Frei nach dem Motto „Hau weg das Geld, es ist ja nicht unseres!“ wollen Sie die Kommunen mit insgesamt 7 Milliarden € aus dem Landeshaushalt entlasten.
Um in den Genuss Ihrer finanziellen Segnungen zu kommen, muss man als Kommune keine strengen Auflagen erfüllen. Man muss nicht nachweisen, ob die Entlastung verantwortlich und insbesondere zu strukturell wirksamen Maßnahmen genutzt wird. Nein, es erscheint Ihnen, meine Damen und Herren der SPD, ausreichend, den Einsatz von 7 Milliarden € an Steuermitteln – Geld unserer Bürgerinnen und Bürger – an vier allgemein gehaltene Bedingungen zu knüpfen.
Dass Sie jetzt versucht haben, diesen Antrag eben noch einmal nachzubessern, Herr Körfges, macht deutlich, dass dieser Eilantrag wohl nur deshalb Eilantrag heißt, weil er in Eile geschrieben wurde.
Sie halten es nicht für notwendig, die massive Belastung des Landeshaushaltes mit Kompensationsvorschlägen zu unterlegen. Es fällt kein Wort davon in Ihrem Antrag. Sie lassen es sogar offen, und das, meine Damen und Herren, muss nun wirklich ausgeschlossen sein, dass begünstigte Kommunen während der Entlastungsphase neue Schulden aufnehmen. Auf die Spitze treiben Sie es aber, indem Sie heute davon sprechen, die Verschuldung habe dramatische Züge angenommen.
Ihre Geschichtsbeschreibung, meine Damen und Herren der SPD, beginnt anscheinend am 22. Mai des Jahres 2005. Sie, die rot-grüne Koalition, waren es doch, die zwischen 2000 und 2005 tatenlos zusahen, wie sich die kommunalen Kassenkredite von 3,1 Milliarden € auf 10,5 Milliarden € mehr als verdreifacht haben.
Das, meine Damen und Herren, nenne ich dramatisch. Das war Ihr Beitrag zur Generationengerechtigkeit. In den dreieinhalb Jahren unserer Verantwortung wurde die negative Entwicklung dagegen gebremst.
Seit dem dritten Quartal 2007 ist erstmals kein Anstieg der Kassenkredite mehr zu verzeichnen, aber diese positive Entwicklung steht nicht alleine da. Die Steuereinnahmen der Kommunen haben im Jahre 2007 mit 18 Milliarden € ein Allzeithoch erreicht. Sie sind auch im laufenden Jahr weiter gestiegen.
Die Gewerbesteuereinnahmen haben sich von ihrem Tiefstand im Jahre 2003 mit 4,41 Milliarden € bis zum Jahre 2007 auf 8,56 Milliarden € fast verdoppelt. Die aktuellen Zuweisungen aus dem kommunalen Steuerverbund erreichen im Jahr 2009 erstmals nahezu 8 Milliarden €. Das nennen Sie leeres Stroh, Herr Körfges? – Also, Sie sind so weit von der Realität entfernt, wie man nur entfernt sein kann.
Die Zahl der Kommunen in der Haushaltssicherung ist deutlich zurückgegangen: 2007 waren es 174, jetzt – am 18. August – sind es 129. Als eine wichtige Maßnahme gilt es, diese positive Entwicklung der kommunalen Rahmenbedingungen möglichst zu verstetigen, soweit dies die Landesmittel erlauben.
Daneben wird sich die CDU-Fraktion unter anderem in der ifo-Kommission, die ja vor kurzem ihre Arbeit aufgenommen hat, weiterhin mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und nicht mit diesem Kasperletheater, Herr Becker, und in enger Abstimmung mit der Landesregierung, den kommunalen Spitzenverbänden und den Vertretern der Nothaushaltkommunen auf die Suche nach einer zukunftsfähigen, vor allen
Dingen aber zukunftssicheren Lösung für die überschuldeten Kommunen machen. Den vorliegenden Eilantrag der SPD wird die CDU-Fraktion ablehnen.
Vielen Dank, Herr Kollege Löttgen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Engel das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus dem diesjährigen Gemeindefinanzbericht des Städtetages NRW ist zu entnehmen, dass im Jahr 2007 die Einnahmen um 6,7 % auf bundesweit 169 Milliarden € gestiegen sind. Die Ausgaben stiegen moderat um 3,2 % auf 160 Milliarden € an. Unter dem Strich verblieb ein Plus von 8,6 Milliarden €. 7,2 Milliarden € sind durch die Westkommunen erwirtschaftet worden.
Der Kommunalfinanzbericht des Landes NordrheinWestfalen bestätigt die verbesserte Finanzlage. Erstmals seit 2000 wurde im vergangenen Jahr ein positiver Finanzierungssaldo in Höhe von 700 Milliarden € erwirtschaftet. Verantwortlich für diese Trendwende ist die positive Entwicklung auf der Einnahmeseite.
Die Entwicklung der Kommunen in der Haushaltssicherung gibt Auskunft über die kommunale Finanzlage. Herr Kollege Löttgen hat zu Recht auf die Verantwortung der von der SPD geführten Landesregierung in den letzten Jahren von vor 2005 hingewiesen.
Bis zum Jahr 2005 kletterte die Anzahl der Kommunen im Haushaltssicherungskonzept auf 193 Kommunen; das sind fast 50 % aller NRW-Kommunen. Seitdem sinkt die Anzahl kontinuierlich. Stand August 2008: 129. Ja, dieser Entwicklungstrend steht auch im Zusammenhang mit der Umstellung auf das NKF, aber nicht nur. Tatsächlich haben im kreisangehörigen Raum in diesem Jahr elf Kommunen einen strukturellen Haushaltsausgleich geschafft. Hierzu gehören Dormagen und Sendenhorst. Gratulation!
Anders dagegen – auch das ist immer wieder angeklungen; denn wir befassen uns damit im Ausschuss für Kommunalpolitik – verhält es sich mit Oberhausen. Gerade mit der Umstellung auf das NKF, auf das Ressourcenverbrauchskonzept, wird dies deutlich. Der Kassenkredit, also der Kontokurrent – ich könnte vielleicht auch sagen: die Kontoüberziehung – von Oberhausen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro, Stand Juni 2008, verdeutlicht die Überschuldung. Jahrelang sind Schulden angehäuft worden, die die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt Oberhausen, aber auch generell vieler anderer Kommunen jetzt einschränkt.
Deshalb war es richtig, dass sich der Kommunalausschuss – das ist angeklungen – dieser Problematik angenommen und in der vergangenen Woche hierzu ein intensives Expertengespräch durchgeführt hat. Ohne das Ergebnis des ordentlichen und fachorientierten Expertengesprächs abzuwarten – das verwundert –, präsentiert die SPD-Fraktion schon heute einen Antrag, sogar einen Eilantrag, mit einem Lösungsvorschlag, meine sehr verehrten Damen und Herren – es wird Sie nicht verwundern –, dem wir nicht folgen können.
Die im Antrag genannte Forderung der Übernahme von Altschulden durch die NRW.BANK, an der sich das Land Nordrhein-Westfalen finanziell beteiligen soll, erinnert stark an den in den 80er-Jahren gewährten Ausgleichsstock in Form von Landesmitteln. Das konnten wir in der Expertenrunde hören.
Ja, Herr Körfges, der Effekt der damaligen Hilfestellung – auch das wurde sehr deutlich gesagt – war blitzschnell verpufft.
Das hat nichts gebracht und vor allem nicht zu einer Verhaltensänderung geführt. Die Kommunen wie Oberhausen oder Waltrop sind alle zu Beginn der 90er-Jahre wieder rückfällig geworden und fanden sich schnell im HSK bzw. Nothaushalt wieder.
Der von Ihnen gewählte Vorschlag wird uns nicht zum Ziel bringen. Wir brauchen eine Lösung, die dauerhaft greifen wird. Das wiederhole ich für die FDP-Landtagsfraktion wie mit einer tibetanischen Gebetsmühle. Was ist nötig? – Es gibt nur zwei wesentliche Lösungen.
Erstens: die Verhaltensänderung. Man kann nur dann einen Euro ausgeben, wenn man einen Euro einnimmt.
Zweitens: eine echte Gemeindefinanzreform. Die konjunkturanfällige und unkalkulierbare Gewerbesteuer gehört abgeschafft. Sie muss durch eine kommunaleigene Steuer in Form eines eigenen Hebesatzrechts auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer ersetzt werden, die dem Wettbewerb unterliegt und Begehrlichkeiten dämmt. Und wir benötigen eine Erhöhung des gemeindlichen Anteils an der Umsatzsteuer von derzeit 2,2 % auf 12 %. Da ist der Bund gefragt. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Becker das Wort.
che her, dass sich der Kommunalausschuss mit der Frage der besonderen Verschuldung einiger Kommunen in Nordrhein-Westfalen in einem Expertengespräch befasst hat. Wer zugehört hat, der hätte erkennen können, dass bei aller Unterschiedlichkeit der Meinungen der Expertinnen und Experten und auch bei aller Unterschiedlichkeit der sonstigen Statements eines deutlich geworden ist: Alle haben betont, dass es zunächst einmal vor allem etwas mit der Frage von strukturschwachen Regionen zu tun hat, dass Kommunen strukturschwach bzw. haushaltsschwach sind, und nicht mit dem Umgang mit dem eigenen Haushalt.
Ich habe eben einige Zwischenrufe gehört. Wegen der Kürze der Zeit will ich nur an einiges erinnern.
Erstens. Von dem Leiter der Gemeindeprüfungsanstalt ist darauf hingewiesen worden, dass all diejenigen Kommunen, die nicht zu den Kommunen im Haushaltssicherungskonzept oder zu den Nothaushaltskommunen gehören, Zuwachskommunen sind. Umgekehrt sind all jene Kommunen, die im Haushaltsausgleich bzw. im Nothaushalt sind, Kommunen mit Einwohnerverlusten durch Wanderungsbewegung bzw. durch demografischen Wandel. Das ist zunächst einmal ein interessanter Hinweis, von dem ich glaube, dass wir uns damit in der Zukunft beschäftigen sollten, weil er einen deutlichen Fingerzeig darauf gibt, woher die Probleme kommen.
Zweitens. Es ist darauf hingewiesen worden – dazu habe ich bis jetzt auch nichts Wesentliches gehört – , dass in den Kommunen, denen gesagt wird, dass sie sich z. B. über die Erhebung von Steuern selbst helfen könnten, die Hebesätze bedeutend höher sind als in anderen Kommunen und trotzdem der Pro-Kopf-Durchschnitt an Einnahmen durch Gewerbesteuern nur – ich betone – einen Bruchteil von denjenigen Kommunen beträgt, die keine Probleme haben.
Ich mache wegen der Kürze der Zeit nur diese beiden Kernaussagen. Aber diese sind allein ein signifikanter Hinweis darauf, dass die Mär von den Kommunen, die nur mehr sparen müssten, eine Mär ist und offensichtlich auch so lange bleibt, solange wir nicht an die Strukturprobleme herangehen. Auch dazu nur wenige Hinweise wegen der Kürze der Zeit.
Selbstverständlich muss man die Chancen nutzen, wenn sie da sind. Zu den wenigen Chancen, die nicht sehr viel kosten würden – wenn wir uns also noch nicht über Kosten für das Land unterhalten – würde es gehören, dass wir den Weg beschreiten, den andere Bundesländer gehen, nämlich diesen hochverschuldeten Kommunen in der jetzt absehbar wiederkommenden Zeit der sinkenden Zinsen – ich betone, das wird nur eine vorübergehende Situation sein – wenigstens die Möglichkeit zu geben, von den zinssensiblen Kassenkrediten wegzukommen
und sie in langfristige, niedrigverzinste Kredite umzuwandeln. Das ist eine Maßnahme, für die das Land keinen Cent in die Hand nehmen müsste und die bisher aus meiner Sicht aus ideologischen Gründen verweigert wird, weil Sie immer auf diese Kommunen mit der Hand zeigen wollen, anstatt ihnen zu helfen.
Zweitens. Ich bin selbstverständlich der festen Überzeugung, Herr Kollege, dass Ihr ganzes Getue, den Kommunen ginge es jetzt besser – von wegen! – , jedem, aber auch jedem Oberbürgermeister oder jeder Oberbürgermeisterin auch Ihrer Partei quer im Halse stecken bleibt, wenn man sich anschaut, wie in den letzten drei Jahren hier mit den öffentlichen Finanzen verfahren worden ist,
und das vor dem Hintergrund, dass Sie mit deutlich höheren Steuereinnahmen rechnen konnten, als es die Rot-Grüne Regierung jemals konnte.
Ich will deutlich einräumen, dass daran auch die damalige Bundesregierung Schuld hatte, indem sie die Kapitalertragsteuer so geändert hat, wie sie geändert wurde. Das ist neben der deutschen Einheit einer der großen negativen Einflussfaktoren. Aber es ist im Bundestag auch Ihre Fraktion gewesen, die das immer gefordert hat. Das will ich deutlich sagen. Wir müssen heute gemeinsam mit dieser Problemlage umgehen.