Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 109. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich 14 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Mit Schreiben vom 8. Dezember 2008 hat der Chef der Staatskanzlei mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag in der heutigen Plenarsitzung zum oben genannten Thema zu unterrichten.
(Johannes Remmel [GRÜNE]: Erste Anzei- chen des demografischen Wandels! – Sören Link [SPD]: Das muss der Chef persönlich machen! Schon peinlich!)
Es gibt auch keinen Hinweis darauf, wo er ist. Meine Damen und Herren, da wir die Aussprache nicht vorziehen können, schlage ich Ihnen vor, noch eine Minute zu warten.
eines außerordentlichen Jahres. Die Worte dieses Jahres 2008 wurden letzte Woche vorgestellt. Sie heißen: Finanzkrise, verzockt und Rettungsschirm. Das charakterisiert den Ernst der Lage. Es bedarf großer Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und
Wir müssen zugleich aber auch noch etwas anderes leisten: Nämlich auch in Zeiten drängender aktueller Herausforderungen müssen wir unser Gespür für längerfristige Herausforderungen erhalten und auf diese Herausforderungen Antworten geben. Das ist ungleich schwieriger. Die Veränderungen des demografischen Wandels lassen sich nicht tagtäglich vor der Tagesschau in Kurven darstellen wie etwa der DAX. Die Regierung kann auch nicht innerhalb einer Woche milliardenschwere Rettungsschirme beschließen. Den kurzfristigen demografischen Rettungsschirm gibt es nicht.
Darum ist es nach meiner Überzeugung richtig und wichtig, dass die Landesregierung Ihnen heute einen ersten Bericht zu ihrer Politik im demografischen Wandel gibt. Damit machen wir deutlich, welche Bedeutung wir einer Balance von Finanz-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik beimessen. Gerade in Zeiten von Krise und Wandel ist es wichtig, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu bewahren.
Wir wollen damit deutlich machen: In Zeiten des Durcheinanders kommt es besonders auf das Miteinander an, das Miteinander von Jung und Alt, von Mann und Frau, von Einheimischen und Zugewanderten, von Arm und Reich. Gelebte Solidarität, also das Stehen zueinander und das Einstehen füreinander, ist eine besondere Stärke der Menschen bei uns in Nordrhein-Westfalen. Deshalb bin ich sicher, dass wir sowohl den ökonomischen als auch den gesellschaftlichen Wandel meistern werden.
Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung am 14. November 2007 davon gesprochen, dass die großen Herausforderungen, nämlich Globalisierung, Wissensgesellschaft und der demografische Wandel, unser Land verändern werden, wie wir es noch nie erlebt haben. Dann hat man gemerkt, wie auf eine solche Rede reagiert wird, einerseits hier im Hause, aber auch in den Medien. Eine Kölner Zeitung schrieb, der Ministerpräsident habe dem Thema Demografie erstaunlich viel Raum gegeben. Ein Ruhrgebietsblatt nannte es sogar „Wohlfühlthema“.
Wirklich erstaunlich ist, wie sehr diese Bewertungen – sowohl in der Landtagsdebatte als auch im Landesteil der überregionalen Zeitungen – im Kontrast stehen zu den Lokalteilen derselben Zeitungen. Denn dort sind regelmäßig Berichte darüber zu finden, welche Probleme durch das Zusammentreffen von Alterung, Schrumpfung und einer langen Zeit hoher Zuwanderung auf die Kommunen zukommen.
Vor Ort würde in Bezug auf die Demografie keiner von einem weichen Wohlfühlthema sprechen. Das kann hier im Plenum sicher jeder aus seinem Hei
matort bestätigen. In unseren Städten und Gemeinden ist der demografische Wandel längst angekommen, wenn auch regional sehr unterschiedlich.
Nach dem in der letzten Woche von der Bertelsmannstiftung vorgestellten Szenario werden in Nordrhein-Westfalen bis 2025 zum Beispiel neun Kreise und kreisfreie Städte noch bis zu 6 % wachsen, während 16 Kreise und kreisfreie Städte zwischen 6 % und 11 % schrumpfen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mancher Verantwortliche mag wegen dieser langfristigen Abläufe noch keinen kurzfristigen Handlungsdruck empfinden. Aber tatenloses Zusehen hätte fatale Folgen für uns und für unsere Kinder. Deshalb war es richtig, dass Ministerpräsident Jürgen Rüttgers mit der Gründung des ersten deutschen Generationenministeriums den Querschnittscharakter dieses Politikfelds überhaupt erkannt und in Handlungsstrategien umgesetzt hat.
Es war auch richtig, dass mit der Regierungserklärung vom November 2007 angekündigt wurde, dass die Politik im demografischen Wandel Hauptthema der zweiten Hälfte der Legislaturperiode wird.
Der demografische Wandel ist eben mehr als ein Thema für Statistiker oder Bevölkerungswissenschaftler. Bei diesem Thema geht es um die Qualität unseres Zusammenlebens, und die Aufgabe lautet, diese Qualität zu erhalten und zu erhöhen.
Wenn man in diesen Tagen liest, was bei der Finanzkrise Politik leisten soll, wird immer wieder gesagt, sie soll das Haus für die internationale Krise sturm- und wetterfest machen. Aber für die Menschen in dem Haus ist es mindestens so wichtig, wie sie miteinander leben, ob ihre Gesellschaft in Konflikten auseinanderfällt oder ob sie zusammenhält.
Einer Umfrage des Bundesfamilienministeriums zufolge, befürchten 57 % der jungen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren für sich persönlich negative Auswirkungen durch die Alterung der Gesellschaft. Das ist die Generation unserer Kinder. Denen müssen wir auch den demografischen Wandel erklären. Wir müssen ihnen erklären, dass diese Entwicklung weder für den Einzelnen noch für die Gesellschaft zu einer Bedrohung werden muss.
Wir müssen ihnen erklären, dass uns im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel weder Verharmlosung noch Dramatisierung, sondern Realismus und konkreter Wille, die Chancen zu nutzen, weiterhelfen. Diese Chancen eröffnen sich, wenn wir älter als Gewinn, bunter als Bereicherung und weniger in vielen Fällen sogar als mehr verstehen.
Wir alle profitieren doch davon, dass sich auch Nordrhein-Westfalen zum Land des langen Lebens entwickelt. Jeder von uns hat gute Chancen, 90 Jahre alt zu werden. Diese gewonnenen Jahre
könnten Grund zur Freude sein. Man merkt allerdings bei vielen Menschen – wenn man das erwähnt –, dass das durchaus gemischte Gefühle auslöst. Die Menschen machen sich Gedanken, wie ihr Leben mit 90 Jahren denn aussehen mag. Sie fragen sich, ob sie im Alter ihren Lebensstandard halten können, ob sie selbständig sein können oder auf die Hilfe anderer angewiesen sind, ob sie alleine leben müssen oder umgeben sind von Verwandten und Freunden. Diese Sorgen nehmen wir ernst.
Am Silvesterabend, meine Damen und Herren, werden wieder Millionen Menschen über den Kultsketch „Dinner for One“ lachen. Achten Sie einmal darauf: Das ist exakt diese Sorge auf den Punkt gebracht. Miss Sophie feiert ihren 90. Geburtstag ohne Verwandte. Sie lebt in einer fiktiven Welt mit Sir Toby, Admiral von Schneider, Mister Pommeroy und Mister Winterbottom.
(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das könnten Sie mal ein bisschen besser vormachen, ein bisschen schauspielerischer!)
Frau Löhrmann, wenn Sie trotzdem einmal eine Sekunde versuchen, diesen Gedanken und dieser Sorge, die viele ältere Menschen haben, anhand dieses Sketches mit mir weiter nachzugehen, dann merken Sie, dass im Jahre 2020 ein Drittel der Älteren keine eigenen Kinder ohne Enkel mehr hat. Die Sorge, mit 90 Jahren fiktiv und alleine zu feiern, ist bei sehr vielen Menschen weit verbreitet.
Für die Jüngeren lässt sich daraus ableiten: Kinder und Kindeskinder sind der beste Schutz vor Vereinsamung im Alter.
Familie ist in allen Kulturen ein ganz hohes Gut gewesen. Aber in der heutigen Zeit muss man dazu sagen: Familie ist auch der Rettungsschirm vor Vereinsamung im Alter, weil man Menschen hat, die noch zu einem stehen und denen man begegnen kann. Auch das müssen wir heute wieder stärker sagen.
Demografischer Wandel bedeutet für die Politik zugleich, dass wir an ganz vielen verschiedenen Stellschrauben gleichzeitig drehen müssen, die dann in der Summe und in der Synergie eine Gesamtwirkung erzielen. Der Ministerpräsident hat in der Regierungserklärung den Zielhorizont markiert, auf den sich dieses Handeln ausrichtet: das Jahr 2025.
Dann werden die geburtenstarken Jahrgänge, die zwischen 1955 und 1965 auf die Welt kamen, Schritt für Schritt in Rente gehen. Was das von der Größenordnung her bedeutet, können Sie sich vor
(Britta Altenkamp [SPD]: Wir hatten volle Schulen und zu wenig Kindergärten! Das zieht sich immer weiter fort!)