Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die Landesregierung erhält Frau Wirtschaftsministerin Thoben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Eiskirch, ich bleibe dabei: Aktionismus ist nicht die Antwort auf eine schwierige Situation.
Nach unserem Verständnis tragen zur Kräftigung der Wachstumsgrundlagen und zur Wiedererlangung einer positiveren wirtschaftlichen Entwicklung übrigens mehrere als nur ein Ressort bei. Nach Ihrem Verständnis wahrscheinlich nicht; unser Verständnis ist so. Wir halten zum Beispiel den Ausbau der Forschungs- und Bildungsinfrastruktur unter mittelfristigen Gesichtspunkten nicht für nebensächlich. Wenn Sie das anders sehen, ist das Ihre Sichtweise.
Ich verstehe überhaupt nicht, was die SPD da eigentlich macht. Sie ziehen massive Kritik der Gewerkschaften und der Arbeitnehmer aus der Chemie, der Energiewirtschaft und der Metallindustrie auf sich, und meinen hier, Sie wären den Menschen nahe. Sie sind weit weg. Sie wissen überhaupt nicht, welche Interessen sie haben.
Reden Sie einmal mit denjenigen, die jetzt die ersten Auswirkungen der Verabredungen von Brüssel umzusetzen haben. Treffen Sie die Menschen gar nicht mehr? Wir sitzen mit den Einzelgewerkschaften und den Unternehmensvertretern aus diesen Branchen zusammen. Sie rufen nach Hilfe, die man nach den Beschlüssen in Brüssel nur noch sehr schwer organisieren kann. Wenn das bei Ihnen noch nicht angekommen ist, finde ich das bedrohlich.
Meine Damen und Herren, wir gehen in ein schwieriges Jahr 2009. Das Land trägt die Instrumente und Maßnahmen, die der Bund verabredet hat, in erheblichem Umfang mit. Man kann die letzten Auswirkungen noch nicht sehen, aber die Schätzungen belaufen sich auf rund 7,5 Milliarden €.
Bei der Frage, mit welchem Ziel man den Wirtschaftshaushalt gestaltet, muss man genau diese Balance finden, Herr Priggen, die man mittelfristig auf jeden Fall weiterverfolgen will, weil man sie für richtig hält, nämlich die Stärkung der Wachstumskräfte, die Beschleunigung und Erleichterung von Gründungen und deren Finanzierung, die Innovationsfähigkeit und Qualifizierung der Mitarbeiter, damit der Standort Nordrhein-Westfalen seine Kraft
behält und sich auch weiterhin im internationalen Wettbewerb um Investoren positiv von anderen Regionen abhebt. So richten wir den Etat aus.
Die Schwerpunkte bei den Ausgaben liegen beim Ziel-2-Programm. Sie beklagen, dass die Umsetzung nicht schnell genug geht. Es gibt eine riesige Resonanz bei den Wettbewerben. In bisher 23 beendeten Wettbewerben kamen 1.400 Projektskizzen mit über 5.000 Kooperationspartnern zusammen. Sie verteilen sich erfreulicherweise über das ganze Land.
Richtig ist aber auch, dass wir das im Ministerium alleine nicht richtig hinbekommen können. Das gebe ich gerne zu, Herr Eiskirch; das wissen Sie aber auch. Die Bewilligungsverfahren zeigen, dass wir außerhalb des Ruhrgebiets mit förderunerfahrenen Antragstellern umzugehen haben, die Beratung brauchen, damit sie an diesen Verfahren, an denen das Ruhrgebiet viele Jahre lang gearbeitet hat, besser teilnehmen können.
Außerdem war die NRW.BANK, auf die wir die Abwicklung der Förderanträge übertragen haben, personell nicht ausreichend vorbereitet. Das haben wir Ihnen im Wirtschaftsausschuss bereits vorgetragen und Ihnen auch zugesagt, dass das ausgemerzt und verbessert, das Personal aufgestockt wird.
Wir gehen davon aus – das gebe ich zu –, dass wir aus der ersten Wettbewerbsrunde ein Stück lernen müssen – das wollen wir auch –, aber wir möchten nicht die Wettbewerbsverfahren aufgeben. Das sage ich auch vor dem Hintergrund all der Ziele, Herr Priggen, die Sie verfolgen oder besonders betonen: Energieeffizienz, Mobilität, Energieforschung. Vergessen Sie bitte nicht, dass allein aus der ersten Wettbewerbsrunde in solche Problemstellungen und Projekte 80 Millionen € fließen. Sie dürfen nicht immer nur auf die Etatpositionen gucken, deren Überschrift das Wort „Energie“ enthält.
Wir müssen aus den ersten Wettbewerben lernen, die Zahl werden wir reduzieren. Wir werden die Beratungsleistungen verstärken und wollen sie ein Stück weit beschleunigen. Wir hoffen, dass uns das gelingt. Es ist auch vorgesehen, etwas deutlicher mit den Nichtgewinnern darüber zu reden, woraus sie lernen sollten und ob sie vielleicht bei einer zweiten Runde mitmachen können.
Wir wollen aber nicht – das sage ich Ihnen auch ganz deutlich – eine Art Ablehnungsbegründung schriftlich herausgeben mit der Vorstellung, wir würden dann irgendwann überhaupt noch eine Jury bekommen, die bereit wäre, da mitzumachen. Wir müssen – das haben wir gemacht – die Transparenz auch beim letzten Wettbewerb, in dem es sie noch nicht gab, erhöhen, damit jeder weiß, wer in der Jury sitzt. Die Ergebnisse werden veröffentlicht, und wir sagen zu, dass wir auch denen, die nicht gewonnen haben, die Informationen, die Beratungsleistungen zur Verfügung stellen. Teilweise können
Auch für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, Herr Priggen, sind die Umsetzungszwecke erweitert worden. Der Bund hat in seinem Maßnahmenpaket extra die Aufstockung der Mittel beschlossen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen zusätzlich – im Februar, Herr Eiskirch, wird die Unterschrift hoffentlich endlich erfolgen – die Mittel, die von NOKIA zurückfließen. Gehen Sie davon aus: Wir sind, auch was die Erweiterung der Verwendungszwecke angeht, gut aufgestellt.
Herr Priggen, ich kann die Energiedebatte gern vorwegnehmen: All das, was Sie fordern, hat der Bund in den Maßnahmepaketen I und II erheblich durch Förderprogramme aufgestockt. Sollen wir dann noch etwas obendrauf legen, oder müssen wir nicht dafür sorgen – und das tun wir –, dass Informationskampagnen im ganzen Land laufen, damit möglichst viele Hausbesitzer, Wohnungsbaugesellschaften und Sonstige, die diese Mittel zur energetischen Ertüchtigung von Gebäuden in Anspruch nehmen können, erfahren, was es alles gibt? Da gibt es immer noch ein erhebliches Defizit.
Sie wissen, dass wir die Infrastruktur dafür haben, dass wir zum Beispiel auch Gemeinschaftsaktionen mit dem Handwerk machen, damit mehr Handwerker die Tätigkeiten, die sie dann ausfüllen müssen, überhaupt durchführen können. Wir tragen im Zusammenwirken mit der Bundesumweltstiftung dazu bei, dass die Qualifizierung dort erfolgt, wo es noch mangelt.
Meine Damen und Herren, es gibt viele Einzelmaßnahmen für das Handwerk, den Tourismus, die Kreativwirtschaft; ich will das nicht alles vortragen. Wir haben die Außenwirtschaftsförderung so qualifiziert, dass kleine und mittlere Unternehmen – das gab es noch nie, ich kann Ihnen das zeigen – zum jetzigen Zeitpunkt durch ein Auslandsmesse- und Reiseprogramm 2009 auf das geeignete Land für sie, auf Beratungsleistungen und Hilfen hingewiesen werden. Das hat es noch nie gegeben.
(Beifall von CDU und FDP – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: „Noch nie“ kann man nicht sagen, Frau Ministerin! Sie haben es opti- miert!)
Das hat es noch nie gegeben. Zeigen Sie mir aus einem einzigen Jahr einen solchen Überblick über Messeprogramme. Ich habe die Außenwirtschaft bei einer Kammer lange genug selbst gemacht, Herr Bollermann. Wenn es das gegeben hätte, würde ich es kennen. Das gab es nicht.
Aus aktuellem Anlass möchte ich auf Folgendes hinweisen – wir führen diese Debatte gleich noch einmal im Energiebereich –: Ich werbe noch einmal
um Einsicht dafür, Herr Priggen, dass Unternehmen, die von Haus aus gesund sind, vorübergehend durch einen zu schnellen Abschwung in der Anpassungsfähigkeit überfordert werden. Dafür haben wir ein ausgefuchstes Programm, das Bürgschaftsprogramm. Wir können, weil die EU die Maßnahmen ein Stück weit erleichtert hat, auch bei Betriebsmittelkrediten – das hat die KfW bisher nicht angeboten – eine Haftungsfreistellung auf ungefähr 80 % erreichen. Das machen wir. Das hat es auch noch nicht gegeben.
Wir beschleunigen die Verfahren und verdoppeln die Sitzungstermine, aber wir müssen es doch von faktischen Anträgen abhängig machen. Wir haben eine Hotline eingerichtet, die erheblich in Anspruch genommen wird. Von denen, die dort Beratung suchen und sagen, dass sie etwas brauchen, kommen aber nur ungefähr 20 % tatsächlich mit einem Antrag.
Wir wollen und können nicht – ich weiß nicht, ob Sie das anders sehen –, Abschied von einer ordentlichen Prüfung von Antragsunterlagen nehmen.
Ich will es nur noch einmal sagen. Wir wissen, dass die Verfahren eine Abarbeitungszeit zwischen zwei und sechs Wochen haben. Wenn Ihnen das alles noch zu lange dauert, melden Sie sich bitte. Wir drängen darauf, dass das passiert.
(Thomas Eiskirch [SPD]: Die Kommunen sa- gen, es dauert länger, und die Unternehmen sagen, es dauert länger!)
(Thomas Eiskirch [SPD]: Die kommunalen Wirtschaftsförderer reden davon, dass es zwischen vier Wochen und vier Monaten dauert!)
Was wissen denn die kommunalen Wirtschaftsförderer davon? Das normale Unternehmen kommt mit seiner Hausbank zu uns, sucht die Beratung der Bürgschaftsbank und der NRW.BANK. Dort werden sie ordentlich behandelt. Der Rückruf erfolgt, sobald Beratungsbedarf besteht, innerhalb eines Tages.
(Beifall von CDU und FDP – Thomas Eiskirch [SPD]: Ihr Staatssekretär sagt im Wirt- schaftsausschuss etwas anderes!)
(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Frau Tho- ben, auch die Kammern sagen zum Teil, dass es nach der Erfahrung der Unterneh- men zu lange dauert!)
Wir haben außerdem, da wir diese Beratungsleistung, diese Hilfestellung in Abstimmung mit den Kammern und der kommunalen Wirtschaftsförderung landesweit brauchen, ab Januar 2009 dezentrale Netzwerke eingerichtet. Wir haben einen Arbeitskreis für besonders große Fälle, wenn sie denn passieren sollten. Es gibt eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe Krisenmanagement.
Bitte wenden Sie sich sofort an das Ministerium, wenn Sie den Eindruck haben, bestimmte Fälle würden nicht ausreichend kompetent und schnell durch das Ministerium begleitet.
(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das ist okay! Das ist ja ein Angebot! – Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Dann muss ich ja jeden Tag an- rufen!)
Überhaupt nicht mehr verstanden habe ich, dass die SPD im Haushalts- und Finanzausschuss die von uns vorsorglich beantragte Anhebung des Bürgschaftsrahmens abgelehnt hat. Da muss bei Ihnen irgendwo ein Sprung in der Schüssel sein.
Gestern habe ich verzweifelt versucht, das mithilfe von Guntram Schneider zu verstehen. Er zuckte immer nur mit den Achseln. Es tut mir also leid.
Meine Damen und Herren, wir bleiben dabei: Unser Haushalt insgesamt muss die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, sowohl nationaler als auch internationaler Wettbewerbsfähigkeit, zum Gegenstand haben.
Die Investitionen und die Maßnahmen sollten nachhaltig sein. Darüber werden wir im Zusammenhang mit der Energiepolitik noch zu sprechen haben.