Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

(Zuruf von der SPD: Des Landesverfas- sungsgerichts!)

Herr Jäger und Herr Priggen, ich möchte Ihnen sagen, weil Sie ja immer gerne über Niederlagen sprechen: Sie hatten damals die Niederlage, und Sie haben auch eine Niederlage erlitten, als Sie Justiz- und Innenministerium zusammengelegt haben. Wir können das ja einmal alles gegeneinander aufrechnen. Das bringt uns doch alles nicht weiter.

Entscheidend ist, dass Sie eine moderate Sperrklausel einführen möchten, obwohl Sie damals, als Sie unterlegen waren, durch den Abgeordneten Jentsch gesagt haben – ich zitiere –: Wir nehmen das Urteil vom 6. Juli 1999 auf und setzen es positiv um, ohne Wenn und Aber und ohne schon wieder etwas draufzusatteln. – Erstaunlich!

Danach hatten Sie fünf Jahre bis nach der Kommunalwahl 2004 Zeit. Da hatten Sie die nächsten Erkenntnisse über die Zusammensetzung in den Räten. Bis Sie dann 2005 die Niederlage bei der Landtagswahl erlitten haben, haben Sie nichts unter

nommen, keinen Anfang gemacht, hier etwas zu ändern.

Jetzt wollen Sie uns erklären, dass in diesem Lande in den Kommunalparlamenten nichts mehr funktioniert. Es geht um drohende Funktionsunfähigkeit, meine Damen und Herren! Funktionsunfähigkeit ist nicht Lästigkeit von politischen Gegnern. Wir alle könnten uns doch gerne darauf einigen, dass wir uns wünschen könnten, wenn es 2 % gäbe. Das wäre die eine Sache. Nur, das Bundesverfassungsgericht und auch die Landesverfassungsgerichte haben unisono gesagt, dass es einer richtigen Funktionsstörung bedarf, und zwar durchgehend quasi eine „Regierungsunfähigkeit“ in den Kommunalparlamenten. Die ist natürlich nicht gegeben.

Wenn es anders wäre, hätten uns doch die kommunalen Spitzenverbände entsprechendes Material gegeben. Ich habe sie dazu aufgefordert. Ich habe empirische Unterlagen verlangt. Es gibt diese nicht! Ein Professor – mit Verlaub – kann doch nicht innerhalb weniger Tage diese Empirie über das gesamte Land herstellen, wenn es die kommunalen Spitzenverbände nicht geschafft haben, in all den Jahren hinreichend Material an dieser Stelle zu beschaffen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Von wem denn?

Vom Kollegen Jäger.

Von Herrn Jäger immer.

Herr Jäger, bitte schön.

Vielen Dank, Herr Minister Wolf. – Habe ich jetzt Ihre Rede so richtig verstanden, dass Sie die Frage einer etwaigen Funktionsstörung gar nicht bei den Kommunen abgefragt haben, sondern sich lediglich auf Aussagen oder nicht vorhandenen Aussagen der kommunalen Spitzenverbände in dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung beziehen?

Wir haben uns bei den kommunalen Spitzenverbänden erkundigt und gebeten, dass sie uns aus der kommunalen Landschaft entsprechendes Material geben.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Das ist der ganz normale Vorgang.

(Ralf Jäger [SPD]: Das grenzt an Arbeitsver- weigerung!)

Herr Jäger, Sie können gern auch zu fortgeschrittener Zeit die Sache verlängern; ich habe nichts dagegen.

(Zuruf von der SPD: Das ist grob fahrlässig oder vorsätzlich!)

Es geht schlichtweg darum, dass wir immer unsere Partner, die kommunalen Spitzenverbände, ansprechen, wenn wir aus den Kommunen entsprechende Dinge wissen wollen. Wir machen es genauso, wenn wir beispielsweise über das Konjunkturpaket sprechen. Wir reden dann auch nicht mit 396 Städten und Gemeinden, 31 Kreisen und zwei Landschaftsverbänden, sondern mit den Vertretern der Spitzenverbände. Sie sind in der Lage, uns die Dinge aus Sicht der kommunalen Familie zu schildern. Da ist – mit Verlaub – nichts gekommen, was es für das Verfassungsgericht auch nur annähernd rechtfertigt, eine Funktionsstörung anzunehmen.

Es reicht eben nicht aus, dass es Erschwernisse bei der Mehrheitsbildung im Rat gibt. Auch eine lange Sitzungsdauer oder Ähnliches ist nicht ausreichend. Sie können zum Beispiel jederzeit eine Redezeitbeschränkung vereinbaren. Darüber hinaus haben Sie die Möglichkeit, die Anzahl der Redner zu beschränken. Da gibt es eine Menge Dinge, die rechtsstaatlich sauber sind, um einen Verfahrensablauf zu erreichen. Es gibt aber keinen Grund, uns zu erklären, in der Frage der Willensbildung in den Kommunen herrsche Land unter.

Sie haben 1999 mit der damaligen Klausel Schiffbruch erlitten und, wie gesagt, in der ganzen Zeit seitdem nichts getan. Mir anzukreiden, ich würde mit der Ablehnung einer Sperrklausel die Achtung der Verfassung und des Verfassungsgerichtshofs nicht wahrnehmen, stellt geradezu die Dinge auf den Kopf. Ich nehme das ernst.

Ich sage Ihnen noch einmal – das wurde schon vorgetragen –: Die absolute SPD-Mehrheit in Rheinland-Pfalz streicht die 3-%-Klausel, weil sie das Urteil aus Karlsruhe gelesen hat, das sich damals auf Schleswig-Holstein bezog. Dann kann man doch nur sagen: Die haben eingesehen, dass das nicht geht.

Das alles hat auch erkennbar nichts mit einer Andersartigkeit von Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu anderen Bundesländern zu tun. Wir sind seit 1975 so aufgestellt, Herr Jäger. Diese Argumente der unterschiedlichen Struktur hätten Ihnen schon 1999, 2001 und 2004 Gelegenheit geboten, etwas zu initiieren. Es war nicht möglich. Ich mache meinem Vorgänger, dem geschätzten Kollegen Behrens, überhaupt keinen Vorwurf. Es geht bei der jetzigen Sachlage nicht. Das muss man einfach akzeptieren, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Es wurde richtig vorgetragen, dass es in keinem Bundesland mehr Eide gibt. Da will ich mich am ehesten auf die großen, konkurrierenden Flächenländer beziehen. Wenn Bayern und BadenWürttemberg in 60 Jahren keinen Untergang der Kommunallandschaft im Hinblick auf die politische Gestaltung hatten, wird es schwer, hier etwas anderes nachzuweisen.

Ihr Wunsch reicht nicht. Unrealistisches Wunschdenken ist hier nicht gefragt. Herr Jäger, es geht nicht nach dem Motto: das Juristische beiseite legen und dann politisch entscheiden. – Das funktioniert nicht.

Wir sind in den Voraussetzungen durch das Bundesverfassungsgericht und den Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen so eng beschränkt, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Möglichkeiten sehen. Wir brauchen in den letzten Wochen und Monaten vor der Kommunalwahl auch keine erneute verfassungsgerichtsmäßige Befassung mit einer Sperrklausel; das sollten wir uns ersparen.

Der Kollege Behrens hat am 14. Juli 1999 seine Freude über die Einigung aller Fraktionen zur Aufhebung der Sperrklausel ausgedrückt. Ich zitiere: Auf diese Weise blieben allen an der Wahl Beteiligten, den Wählern, den Kandidaten, den Verwaltungen und anderen, Blessuren so weit wie möglich erspart.

Belassen wir es also bei der Aufhebung der Mindestsitzklausel, meine Damen und Herren, und sorgen wir gemeinsam dafür, dass dies so rasch wie möglich geschieht. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Wir sind damit am Ende der Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/8335 an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Wer stimmt dem zu? – Stimmt jemand dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig überwiesen.

Wir sind am Ende unserer heutigen Sitzung.

Ich berufe das Plenum für morgen, Freitag, den 30. Januar 2009, 10 Uhr, wieder ein.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend. Draußen findet der Parlamentarische Abend der NRW-Stiftung statt. Viel Spaß dabei!

Die Sitzung ist geschlossen.