Protokoll der Sitzung vom 12.02.2009

Mediengesetz soll gelockert werden. WAZMediengruppe begrüßt Beschlussantrag der Regierungskoalition zur Zeitungslandschaft in NRW

Es handelt sich also um die wörtliche Wiedergabe der eigenen Erklärung des Pressesprechers des Unternehmens.

Etwas kleiner und bescheidener macht es die „WAZ“ selbst. Dort ist es ein nicht ganz so starkes Element, sondern aufgeteilt. Es findet sich aber die Überschrift: NRW erleichtert Verlagen Fusionen. – Weiter steht dort: Der NRW-Landtag berät heute über das neue Landesmediengesetz.

Meine Damen und Herren, was sagt uns das alles? – Das Unternehmen WAZ-Mediengruppe gibt eine eigene Pressemeldung heraus und verbreitet sie über die eigenen Medien. Manche haben es bei der Verbreitung ihrer Pressemeldungen etwas leichter, manche etwas schwerer; das kennen wir als Landespolitiker ja. Für die „WAZ“ ist außerdem schon klar, dass wir über das neue Landesmediengesetz beraten, obwohl uns noch gar nichts vorliegt. – Sie merken also, dass die „WAZ“ mit ihren Schlussfolgerungen noch schneller ist als wir mit unseren Beratungen.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Jetzt komme ich zu dem Antrag. Im Antrag von CDU und FDP heißt es auf Seite 2:

Aus Sicht der Presse, die sich im lokalen und regionalen Rundfunk engagieren will, trägt die derzeitige Ausgestaltung von § 33 Abs. 3 LMG NRW zu große Unwägbarkeiten in sich.

Das ist gut. – Jetzt muss ich schnell wieder das andere Papier suchen, damit wir nicht durcheinan

derkommen. – Im Papier der WAZ-Mediengruppe heißt es:

Die WAZ-Mediengruppe hält die Regelungen des § 33 Abs. 3 LMG NRW für nicht mehr zeitgemäß, da die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werbefinanzierter Medienhäuser dort nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt werden.

Man fragt sich fast, wer den Antrag geschrieben hat. War das etwa auch die WAZ-Mediengruppe?

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist wirklich problematisch, wie das ineinander läuft.

Das sage ich Ihnen ganz offen, weil wir vor einer sehr komplizierten Debatte stehen. Einen Teil davon haben Sie richtig beschrieben, Herr Witzel. Auch Kollege Eumann hat das aufgegriffen, und Kollege Schick hat darauf hingewiesen. Es gibt eine riesige Problematik in der Zeitungslandschaft vor dem Hintergrund der ökonomischen Situation dieser Häuser. Es gibt eine große Problematik im Hinblick darauf, was Meinungsvielfalt und Pressevielfalt bedeutet. Wir erleben das ja alle mit.

Die „taz“ hat das in einem Artikel mit dem Titel „Journalismus unterm Messer“ vom 7. Februar 2009 beschrieben. Diese Analyse von Herrn Wolfgang Storz, der lange Jahre Chefredakteur der „Frankfurter Rundschau“ war, enthält einige Hinweise, die uns zumindest nachdenklich machen sollten. Er schreibt:

Es gibt Indizien, dass die Versuche, die Medienkrise sich im Wortsinne zu ersparen, in einer neuen Phase sind. Die Verleger deformieren den Journalismus, und ihnen wird dabei geholfen.

Er beschreibt dann Symbole, anhand derer man sieht, dass der freie und unabhängige Journalismus in Gefahr gerät, wo er allein dem ökonomischen Diktat unterstellt wird. Vor dieser Situation stehen wir.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir stehen vor der Situation, dass zum Beispiel die WAZ-Mediengruppe darüber jammert, dass sie mit ihrem Geld nicht auskommt und Probleme bei den Absatzzahlen ihrer einzelnen Blätter hat, sich gleichzeitig aber mit durchaus ansehnlichen Summen im Rundfunk, beispielsweise bei einem privaten Fernsehsender in Albanien, engagiert. Da fragen sich die Menschen natürlich, was eigentlich los ist: Einerseits hat die WAZ-Mediengruppe kein Geld für ihre Redakteure – je mehr es davon gibt, desto qualifizierter und vielfältiger sind die Meinungen und Berichterstattungen –, andererseits engagiert sie sich in vielen anderen Ländern Süd- und Südosteuropas mit entsprechenden finanziellen Mitteln.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP]: Weil das doch Geld einbringt!)

Wenn es so wäre, dass das Geld einbringt, könnte man dieses Geld möglicherweise hier an der einen oder anderen Stelle auch wieder verwenden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin mir aber nicht so sicher, ob sich das so eindeutig verhält, wie es sich aus Ihrer Sicht darstellt. Es scheint mir vielmehr so zu sein, als würde diese Krise auch genutzt – so wird es von kritischen Beobachtern analysiert –, um einmal ein bisschen ökonomisch aufzuräumen und die Dinge im Sinne des ökonomischen Denkens voranzutreiben.

Natürlich gehen Meinungsvielfalt und Medienvielfalt auf Dauer verloren – das ist die Problematik, die wir sehen –, wenn eines Tages alle Zeitungen letztlich nur noch ein oder zwei Verlagsgruppen gehören und die Redakteure mit der Schere im Kopf herumlaufen, weil sie wissen, was ihr Verleger denkt, und das in etwa auch schreiben müssen.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Nachdem der Kölner Verleger Neven DuMont die „Frankfurter Rundschau“, die immer ein sehr linksliberales Blatt war, gekauft hat, hat er kürzlich gesagt, dass die Zeitung jetzt mehr in die Mitte rücken muss. – Was heißt das denn für die Redakteurinnen und Redakteure, wenn ihr neuer Verleger das so formuliert? – Es heißt doch vermutlich, dass sie die Richtung ihrer Zeitung ein Stückchen ändern müssen, womit verbunden ist, dass dann bestimmte Meinungen zu transportieren sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die „WAZ“ macht uns das vor. Aus der Tatsache, dass der Chefredakteur Ulrich Reitz gleichzeitig Teil der Geschäftsleitung ist, ersehen Sie, dass die Schnittstellen zwischen den ökonomischen Entscheidungen eines solchen Unternehmens und denen, die auf der redaktionellen Ebene die Unabhängigkeit des Journalismus gewährleisten sollen, immer breiter werden und sich daraus eine dramatische Situation im Hinblick auf die Meinungsvielfalt und die Pressevielfalt ergibt; das gilt auch jenseits der ökonomischen Linien.

Auch wir Grüne sind der Meinung, dass Medienhäuser sich breit aufstellen sollen – also nicht nur im Printbereich, sondern auch mit Blick auf die digitale Zukunft – und dass sie sich durchaus auch im Lokalradio engagieren sollen – wie sie es auch tun – sowie im lokalen Fernsehen. Da sind wir völlig d’accord. Ich glaube, da sind wir im Landtag uns alle einig.

Aber wir müssen natürlich auch die Grenzen sehen, wenn es um Fusionen geht. Da gibt es aus meiner Sicht von kartellrechtlichen bis hin zu verfassungsrechtlichen Fragen durchaus Probleme. Wir sind gespannt, wie Sie die Lösungen, die Sie uns vorschlagen werden, begründen können. Denn es sieht ja so aus, als würden Sie in der Novelle des Landesmediengesetzes Lösungen vorschlagen, die die

„WAZ“ schon kennt, wir aber nicht, und die der „WAZ“ offenbar gut gefallen. Denn sonst hätte sich das, was ich eingangs berichtet habe, gar nicht so zutragen können.

Den Antrag werden wir mit überweisen; das ist natürlich klar. Ich bedauere sehr, dass der Medienminister – für Kultur haben wir ja leider keinen – heute nicht da ist. Er hatte gestern Geburtstag. Wir gratulieren ihm gemeinsam nachträglich zum Geburtstag und hoffen, dass seine Abwesenheit heute nichts mit seinem Geburtstag zu tun hat; das nehme ich fast an. Wir freuen uns auf die Debatte im Ausschuss über diese sehr wichtigen und grundsätzlichen Fragen.

Eine Bemerkung erlaube ich mir noch zum Abschluss, und es ist das erste Mal seit Langem, dass ich meine Redezeit damit um etwa zehn Sekunden überziehe.

Ihr Antrag greift in gewisser Weise einer Debatte vor, die etwas mit der Antwort der Landesregierung zu tun hat. Die Landesregierung hat fleißig an der Antwort auf die Große Anfrage 21 der SPD gearbeitet; Herr Kollege Eumann hat darauf hingewiesen. Diese ist am 28. Januar 2009 im Original ausgestellt worden. Ihr Antrag stammt vom 20. Januar 2009. Es ist ein gewisser zeitlicher Zusammenhang zwischen der Beantwortung der Frage und dem schnellen Davorschieben des Antrags, bevor das Thema auf die Tagesordnung des Landtags gesetzt wird, erkennbar. Das ist in gewisser Weise bedauerlich, weil es ein Stück weit zeigt, dass Sie mit diesen Fragen doch eher politisch-strategisch als am Inhalt interessiert umgehen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. Es waren natürlich mehr als zehn Sekunden, aber es war trickreich gemacht; das muss ich sagen. Respekt! – Herr Minister Uhlenberg, bitte schön.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir kommt heute, wie Sie sehen, die Aufgabe zu, unseren Medienminister Andreas Krautscheid zu vertreten. Er kann leider wegen Krankheit – er ist schon seit ein paar Tagen krank –, aber nicht wegen seines Geburtstages, nicht persönlich anwesend sein. Er lässt Sie alle herzlich grüßen und hat mich gebeten, an seiner Stelle für die Landesregierung zu sprechen. Das tue ich natürlich sehr gerne.

(Horst Becker [GRÜNE]: Herzliche Grüße zu- rück! – Marc Jan Eumann [SPD]: Gute Bes- serung!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines ist klar: Die Zeitungswirtschaft steht international sowie bei uns in Nordrhein-Westfalen vor großen Herausforderungen. Die Zeitungsverleger haben bundesweit mit rückläufigen Anzeigenaufkommen, abnehmenden Abonnementzahlen und sinkenden Verkaufszahlen zu kämpfen. Der deutsche Pressemarkt insgesamt hat Verluste zu verzeichnen.

Das belegt auch die jüngste Auflagenerhebung der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern für das vierte Quartal 2008. Die Auflagen sind gegenüber dem Vorjahr weiter deutlich zurückgegangen: Statt 24 Millionen verkaufter Exemplare im letzten Quartal des Jahres 2007 wurden im letzten Viertel des vergangenen Jahres nur noch 23,4 Millionen Zeitungen verkauft. Gerade Rückgänge beim Einzelverkauf haben zu diesem Auflagenverlust beigetragen.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass uns regelmäßig neue Meldungen über Kostensenkungs- und Restrukturierungspläne in den Verlagshäusern erreichen.

Herr Minister Krautscheid hat bereits Ende Oktober in einer Aktuellen Viertelstunde im Hauptausschuss zur Situation der Zeitungswirtschaft begrüßt, dass die Zeitungsverleger in ihrem Bestreben, ihrer Verantwortung für die Zukunftsfähigkeit ihrer Titel gerecht zu werden, die ökonomischen Grundlagen ihrer Unternehmen zu festigen versuchen.

Es ist und bleibt aber besonders wichtig, dass Einsparmaßnahmen und Fusionen nicht dazu führen, dass an der lokalen Berichterstattung gespart wird. Denn, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die lokale Berichterstattung ist das Herz der Tageszeitungen und nicht zuletzt auch ein wichtiges, emotionales Bindeglied zwischen Zeitung und Leser. Gerade in diesen Tagen habe ich die große Sorge, dass in Nordrhein-Westfalen weitere Entscheidungen getroffen werden, durch die weitere Lokalzeitungen und damit möglicherweise auch der Mantel einer Zeitung aus bestimmten Regionen verschwinden würden. Das bedauere ich sehr.

(Beifall von der CDU)

Dadurch gäbe es ein Weniger an Vielfalt.

Noch einmal: Gerade die lokale Berichterstattung ist besonders wichtig. Durch eine gute, lokale Berichterstattung ist man auch in der Lage, eine Leserbindung herbeizuführen.

(Beifall von der CDU)

Deswegen darf gerade die besonders wichtige lokale Berichterstattung nicht darunter leiden. Das ist aber – ich möchte es deutlich sagen – im Moment schon der Fall.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es fällt auf, dass in den meisten Berichten und Diskussionen

zur Lage der Zeitungswirtschaft häufig nur auf negative Entwicklungen abgehoben wird. Das wollen wir natürlich auch nicht. Das wäre im Übrigen auch zu einfach und nicht zielführend. Denn mit Schwarzmalerei ist niemandem geholfen.

Die aktuelle Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 21 der SPD-Fraktion zur Situation des Zeitungsmarktes 2008 hat deutlich gemacht: Nordrhein-Westfalen ist nach wie vor ein starkes Zeitungsland. Ich habe mich für die Landesregierung sehr darüber gefreut, dass der Abgeordnete Eumann gerade die Bedeutung der Großen Anfrage herausgestellt und das, was die Landesregierung in ihrer Beantwortung zusammengetragen hat, gelobt hat.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache: NordrheinWestfalen ist unter den deutschen Flächenländern das Land mit der größten Zeitungsvielfalt: Bei uns im Land werden 42 Tageszeitungen verlegt. Die Gesamtauflage der Tagespresse in NordrheinWestfalen lag 2008 bei 4,3 Millionen Exemplaren. Mehr als drei Viertel unserer Bürgerinnen und Bürger können zwischen mehreren Tageszeitungen mit Lokalberichterstattung wählen.