Diese Regelungen bieten eben auch heute schon eine Vielzahl von Chancen für einen Hochschulzugang ohne Abitur. Trotzdem – unabhängig davon, was es schon alles gibt – lohnt es sich aber in jedem Fall, diese Regelungen hinsichtlich der Durchlässigkeit der Bildungsgänge noch einmal anzuschauen und zu überprüfen, was hier gegebenenfalls verbessert werden könnte.
Es muss aber auch darum gehen, dass die Länder als Reaktion auf den kürzlich einberufenen Bildungsgipfel nach einheitlichen und einfachen Regeln suchen. Die Hochschulen wiederum müssen dann die Zugangs- und Anrechnungsverfahren, aber auch die Organisation der Studiengänge stärker auf beruflich Qualifizierte ausrichten.
Ich freue mich vor diesem Hintergrund auf eine spannende und konstruktive Debatte im Ausschuss, bei der dann aber auch – das kann ich Ihnen leider nicht ersparen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP – die von Ihnen aufgebauten Zugangshürden noch einmal auf den Prüfstand gehören. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, wie in der Debatte der Versuch unternommen wird, dem Ganzen doch noch eine Wendung geben zu wollen, die der Opposition als Rechtfertigung dienen könnte, hier eine wichtige Vorreiterrolle einnehmen zu wollen. Denn es fällt schwer, dies bei objektiver Betrachtung zu tun, da wir längst gehandelt haben.
Das wird auch in dem, was Sie zuletzt gesagt haben, Frau Seidl, deutlich. Ich finde das ganz toll. Sie sagen, wir würden Barrieren aufbauen. Im Satz davor aber sagen Sie, wir hätten im Hochschulfreiheitsgesetz die Regelungen, die Sie seinerzeit zur Öffnung eingeführt haben, übernommen.
Also haben wir doch keine Hürde aufgebaut, sondern wir haben etwas offensichtlich Sinnvolles, was Herr Witzel auch als solches bewertet hat, fortgesetzt.
Damit haben wir uns aber nicht zufrieden gegeben, sondern ich habe bereits im vergangenen Jahr gesagt – das habe ich auch im Ausschuss getan –:
Wir müssen noch einmal darüber nachdenken, ob wir nicht noch besser werden können. Deswegen hat das Land Nordrhein-Westfalen zum Bildungsgipfel gesagt, das Thema soziale Mobilität ist für uns ein Thema, bei dem wir über das bisher in Nordrhein-Westfalen Erreichte noch hinausgehen müssen. Wir waren es, die das in der KMK mit eingebracht haben, weil wir erst einmal eine gesamtstaatliche Abstimmung haben wollten. Jetzt werden wir in Nordrhein-Westfalen das, was wir verabredet haben, auch zur Umsetzung bringen.
Zum Beispiel muss man darüber nachdenken, ob die soziale Mobilität, die die Vorgängerregierung jenen eingeräumt hat, die eine Meisterausbildung haben, hinreichend war. Ich bin der Meinung, jemand, der nach seinem Schulabschluss seinen Gesellenbrief gemacht und dann eine Meisterausbildung absolviert hat, nicht nur eine eingeschränkte Fachhochschulzugangsberechtigung erworben hat, sondern auch einen Zugang zu Hochschulen insgesamt haben sollte. Jedenfalls lässt die KMK das zu, und ich möchte mich ganz klar dafür einsetzen. Ich sehe Fortentwicklungsbedarf gegenüber dem, was wir haben fortschreiben können.
Bei dem Zweiten, liebe Frau Seidl, müssen Sie Ihre Argumentation bitte noch einmal sehr sorgfältig prüfen. Worum geht es Ihnen? Geht es Ihnen darum, dass die Hochschulen gefüllt sind, oder geht es Ihnen darum, dass Menschen ihre Potenziale zur Entfaltung bringen können? Denn wenn Sie jetzt sagen, wir müssten heute ein Konzept entwickeln, damit nach 2015, wenn die doppelten Abiturjahrgänge die Hochschulen verlassen haben, junge Menschen ohne Abitur bessere Zugangsmöglichkeiten zum Studium bekommen, frage ich mich: Was ist denn bis dahin? Was ist mit den jungen Menschen, die jetzt gerne an unseren Hochschulen einsteigen möchten? Sollen die so lange warten? Ich glaube nicht, dass Sie das ernsthaft gemeint haben könnten.
Leider haben Sie Ihre Politik, als Sie noch Verantwortung getragen haben, so eingerichtet, dass viele junge Menschen in den letzten Jahren nicht die Chancen bekommen haben, die sie verdienten. Denn Sie haben für sich in Anspruch genommen, dass die heutigen Schulabgänger nicht die Schulabgänger der jetzigen Landesregierung wären. Ich würde sagen, sie sind sowieso nie die Abgänger einer Regierung, sondern sie sind selbst zu einem Abschluss gekommen. Sei’s drum, Sie haben gesagt, das seien nicht die Abiturienten und Fachhochschulabsolventen dieser Landesregierung, sondern das wären noch Ihre Absolventen. Sie hätten sie hervorgebracht.
mals auch schon kannten. Wir haben in Deutschland im Bundesdurchschnitt ein Verhältnis von allgemein Hochschulzugangsberechtigten zu Fachhochschulzugangsberechtigten von 70:30. 70 % haben ein allgemeines Hochschulzugangsrecht und 30 % ein Fachhochschulzugangsrecht erworben. In Nordrhein-Westfalen ist das Verhältnis so: 60 % haben einen allgemeinen Hochschulzugang und 40 % einen Fachhochschulzugang erworben. Das heißt, der Anteil derjenigen, die hier in NordrheinWestfalen eine Hochschulberechtigung haben, ist, bezogen auf eine Fachhochschulzugangsberechtigung, mit Abstand höher. Das hätte Sie seinerzeit, als Sie noch Regierungsverantwortung hatten, veranlassen müssen, den Anteil von Fachhochschulstudienplätzen an der Gesamtzahl der Studienplätze deutlich zu erhöhen.
Denn Nordrhein-Westfalen hatte zu Ihrer Regierungsverantwortungszeit nur 25 % aller Studienplätze an Fachhochschulen und 75 % an Universitäten. Dann haben Sie noch die Gesamthochschulen, die eine Fachhochschulzugangsberechtigung vorsahen, abgeschafft, sie zu Universitäten umgewandelt, den Fachhochschulzugang beschnitten und parallel keine anderen Fachhochschulkapazitäten im Land geschaffen. Jetzt kommen Ihre Hochschulzugangsberechtigten und finden nicht die Plätze vor, die sie dringend gebraucht hätten. Und die schafft nun die jetzige Regierung. Das ist der Unterschied.
Sie fordern heute Konzepte ein, die Sie damals nicht nur hätten schreiben, sondern auch zur Umsetzung bringen müssen. Insofern ist die Tatsache, dass wir in den Jahren 2006 und 2007 den Fachhochschulzugangsberechtigten nicht die Angebote haben machen können, die sie verdient hätten, eine Erblast, die ganz klar Ihnen zuzuschreiben ist.
Wir sorgen nun für die notwendige Durchlässigkeit. Wir sorgen für soziale Mobilität. Deswegen bauen wir die Fachhochschulen nicht nur durch Neuerrichtung und Erweiterung aus, sondern wir haben als erste Handlung auf diesem Weg beim Hochschulpakt Teil I von den zusätzlichen Studienanfängerplätzen in Nordrhein-Westfalen 50 % – 50, nicht 25, wie Sie das immer gemacht haben – an Fachhochschulen geschaffen, weil wir dort den Flaschenhals, den Engpass gesehen haben. Wir sehen auch, dass sich das sofort auswirkt, weil wir durch das zusätzliche Angebot auch eine steigende Zahl von Studienanfängern haben.
Herr Weckmann – Sie unterhalten sich da so nett –, vielleicht darf ich Ihnen das noch am Rande zurufen, weil Sie eingangs auch gesprochen haben: Ich bitte Sie herzlich, sich von der Argumentation zu verabschieden, dass sich in den letzten Jahren durch Einführung von Studienbeiträgen die Studierneigung, die Studienanfängerquote rückläufig ent
Ich nenne Ihnen Zahlen aus der amtlichen Statistik des Jahres 2007 des Statistischen Bundesamtes. Das sind die jüngsten Zahlen, die vorliegen. Das ist das Jahr, in dem bereits in vollem Umfang Studienbeiträge an den Hochschulen Nordrhein-Westfalens erhoben wurden. Die Studienanfängerquote im Jahre 2007 gegenüber 2006 ist in NordrheinWestfalen um 0,5 Punkte gestiegen – von 36,7 auf 37,3. Der Bundesdurchschnitt lag bei 37,1. Das heißt, die Studienanfängerquote lag über dem Bundesdurchschnitt und nicht irgendwo im hinteren Feld. In den Flächenstaaten lag die Studienanfängerquote im Jahr 2007 durchschnittlich lediglich bei 35,6 %.
Die Zahlen zeigen also ganz deutlich, die Studienanfängerquote in Nordrhein-Westfalen hat sich nicht verschlechtert, sondern ist gestiegen. Sie liegt über dem Bundesdurchschnitt und sie liegt deutlich über dem Durchschnitt in den Flächenstaaten. Damit wird statistisch eindeutig belegt, dass die Rahmenbedingungen nicht schlechter geworden sind als bei Ihnen, sondern besser – nicht zuletzt, weil wir mehr soziale Mobilität zulassen.
Wir müssen auch sehr viel Wert darauf legen, dass wir neue Instrumente bekommen, um das Potenzial besser ausschöpfen zu können. Das ist auch hier thematisiert worden, nur nicht mit den richtigen Maßnahmen, wie ich meine.
Wenn wir – das ist auch richtig – die jungen Menschen aus Nicht-Akademikerfamilien stärker für das Hochschulstudium gewinnen wollen, müssen wir einen sehr starken Praxisbezug auch zum Gegenstand des Studiums machen. Das ist zum Teil bei den Fachhochschulen gegeben. Das kann man aber auch an Universitäten leichter organisieren, wenn man duale Studiengänge einrichtet.
Wir sind die Landesregierung, die einen Schwerpunkt auf duale Studiengänge legt. Wir haben sie auch zu einem Hauptgegenstand der Wettbewerbe für die Einrichtung neuer Fachhochschulstudienplätze gemacht. Wir fördern sie aber auch an den Universitäten. Sie können das durch Verbundstudiengänge erreichen, um auch hier ein berufsbegleitendes Studium zu ermöglichen.
Es ist von Ihnen, Herr Weckmann, richtig angesprochen worden, dass wir natürlich auch die Studienfinanzierung auf eine vernünftige Grundlage stellen müssen. Es ist doch diese Landesregierung, die bei der Bundesregierung beim BAföG Druck gemacht hat, dass wir endlich eine Anhebung sowohl der Bemessungsgrenze als auch der Höhe des BAföGs bekommen haben. Am stärksten ist das bis zuletzt von Ihrem Bundesfinanzminister Steinbrück, der sich als echte Bremse für diese Veränderung erwiesen hat, bekämpft worden.
Wir wollen auch erreichen, dass wir neben BAföG und neben de Begabungsförderungswerken eine dritte Säule eines Stipendienwesens einrichten können, das einkommensunabhängig dazu beiträgt, dass sich mehr junge Menschen dem Studium noch intensiver widmen können.
Wir werden dazu am 30. März in einer gemeinsamen Wissenschaftskonferenz beraten. Die Bundesbildungsministerin unterstützt unseren Ansatz aus Nordrhein-Westfalen. Die von FDP und CDU geführten Länder unterstützen diesen Ansatz. Bisher treten nur die von SPD und Grünen mitgestellten Landesregierungen auf die Bremse. Ich rufe Ihnen zu: Vielleicht tauschen Sie sich einmal mit den Landesregierungen aus, damit dort der Widerstand aufgegeben wird, damit wenigstens die Länder, die das mit dem Bund machen wollen, ein solches Stipendiensystem einrichten können. Das könnte ganz wesentlich dazu beitragen, dass sich die Bedingungen für junge Menschen in diesem Land deutlich verbessern können.
Und last but not least brauchen wir natürlich eine andere Studienberatung der jungen Menschen, die möglichst schon in der Schule stattfinden sollte. Es ist diese Landesregierung, die daran arbeitet, dass wir eine professionelle Studienberatung herstellen, auch im Zusammenwirken mit der Arbeitsagentur,
die hier Neuland betritt, weil wir auf sie zugegangen sind und gefragt haben: Warum können wir nicht Berufs- und Studienberatung miteinander verbinden und professionalisieren? Das hätte man auch schon vor fünf oder vor zehn Jahren machen können. Wir machen das jetzt.
Ich glaube aber, dass solche Maßnahmen viel besser dazu geeignet sind, den Talenten in unserem Land, unabhängig von Herkunft, unabhängig vom Einkommen der Eltern, endlich vernünftige Entwicklungsperspektiven zu geben. – Vielen Dank.
Wir kommen daher zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/8705 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie – federführend –, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie. Die abschließende Beratung und Abstimmung findet wie immer bei Überweisungen im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung statt. Wer stimmt dem zu? – Stimmt jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Nein. Somit ist der Antrag einstimmig überwiesen worden.
12 Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft und zur Verbesserung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen (GVUVS NRW)
Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich für die Landesregierung Frau Ministerin MüllerPiepenkötter das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie im März des vergangenen Jahres zugesagt, legt Ihnen die Landesregierung heute einen ausgereiften, als Artikelgesetz gefassten Entwurf vor, der eine tragfähige und solide Basis für den Vollzug der Untersuchungshaft in NordrheinWestfalen bildet und gleichzeitig die Sicherheit in den Justizvollzugsanstalten unseres Landes verbessert.
Das Recht des Untersuchungshaftvollzuges ist bisher gesetzlich nur rudimentär und im Übrigen durch allgemeine Verwaltungsvorschriften geregelt. Die Ausgestaltung des Vollzuges der Untersuchungshaft ist durch die Untersuchungshaftvollzugsordnung reglementiert. Auf diese Verwaltungsvorschrift sollen Anordnungen gegen Untersuchungsgefangene gestützt werden. Eine ländereinheitliche Verwaltungsvorschrift bindet aber natürlich nicht die Gerichte, sondern wird allenfalls als Entscheidungshilfe im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung herangezogen.
Zu Recht haben Literatur und Rechtsprechung in seltener Einmütigkeit seit Jahrzehnten diesen unbefriedigenden Zustand kritisiert und den Gesetzgeber vielfältig und nachdrücklich aufgefordert, den Komplex der Untersuchungshaft gesetzlich zu regeln.
Bereits im Jahr 1972 hatte das Bundesverfassungsgericht für den Bereich des Strafvollzuges die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für staatliche Eingriffe in Grundrechte Inhaftierter gefordert. Diese Grundsätze müssen auch für den Vollzug der Untersuchungshaft gelten. Der Gesetzgeber ist daher auch schon von Verfassung wegen verpflichtet, unumgängliche Grundrechtseingriffe während der Untersuchungshaft durch gesetzliche Grundlagen zu legitimieren. Verschiedene Entwürfe eines Gesetzes für die Untersuchungshaft und ihren Vollzug wurden in der Vergangenheit zwar zur – mit unter heftig geführten – Diskussion gestellt, vom Bundesgesetzgeber jedoch nicht verabschiedet. Der letzte Entwurf vom 22.09.2004 ist sicher einigen von Ih
nen – schon wegen seiner offenbar die SPDFraktion im Landtag inspirierenden Wirkung – noch aktuell im Gedächtnis.
Auch dieser letzte Entwurf erreichte das Ziel der Verkündung nicht. Das mag auch daran gelegen haben, dass den Ländern im Zuge der Föderalismusreform durch die Änderung von Art. 74 des Grundgesetzes vom 28. August 2006 das Recht zur Regelung des Strafvollzuges übertragen worden ist.