Protokoll der Sitzung vom 18.03.2009

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Altenkamp. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Frau Abgeordnete Asch das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sie waren eben sehr viel schneller, als ich erwartet habe.

Meine Damen und Herren, das KiBiz verschlechtert die Rahmenbedingungen für die Kindertagesstätten. Das erfahren wir aus allen Rückmeldungen aus den Kommunen, die Eltern melden uns dies zurück, und die Einrichtungen zeichnen da ein ganz klares Bild. Eine dieser vielen kurzsichtig und konzeptlos eingeführten Regelungen ist die Zwangsweiterqualifizierung der Ergänzungskräfte.

Nicht zu Ende gedachte Vorgaben, mangelnde handwerkliche Umsetzung zeigen in diesem Bereich einmal mehr das konzeptlose Handeln dieser Landesregierung. Der Effekt ist – Sie haben das jeden Tag auf Ihren Schreibtischen; wir bekommen die Zuschriften in den letzten Tagen zuhauf –: Die Ergänzungskräfte sind verunsichert; sie haben große Ängste. Sie haben Zukunftsängste, wie es mit ihrem Job weitergeht und wie es mit ihrer Weiterbeschäftigung aussieht. Das wird Ihnen nicht verborgen bleiben. Wenn Sie diese Zuschriften lesen, zeigt sich, dass diese Ängste massiv vorhanden sind.

Ich möchte eines klarstellen: Wir Grüne sind nicht gegen Weiterqualifizierung von Mitarbeiterinnen in den Kitas.

(Minister Armin Laschet: Doch!)

Im Gegenteil, wir haben im Jahr 2008 den Antrag „Die Besten für die Jüngsten“ vorgelegt, in dem wir ganz klar höhere Qualifikationen und damit die Aufwertung und auch die bessere Entlohnung für die Mitarbeiterinnen im Elementarbereich gefordert haben. Das ist Ihnen, Herr Minister, nicht verborgen geblieben.

(Minister Armin Laschet: Jetzt kommt aber das Aber: Aber wir wollen es nicht!)

Allerdings hat sich solch eine Weiter- und Höherqualifizierung in der Praxis zu bewähren. Sie hat praxistauglich zu sein, muss die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehmen und die Ressourcen und den institutionellen Rahmen beachten und einbeziehen. Das ist für uns als Grüne selbstverständlich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genau das tut die Landesregierung in Bezug auf die Weiterqualifizierung der Ergänzungskräfte eben nicht. Es ist ein ganz basaler Webfehler, der bereits im Gesetz angelegt ist, dass von vornherein ausgerechnet die Kinderpflegerinnen nicht in den Gruppenformen 1 und 2 eingesetzt werden können. Das ist grober fachlicher Unsinn, weil doch gerade die Kleinen, die unter Dreijährigen, pflegerische Leistungen brauchen. Sie müssen gewickelt, herumgetragen

(Ralf Witzel [FDP]: Es gibt doch entspre- chende Personalkraftstunden dort! Sie wis- sen nicht, was Sie gerade sagen!)

ich glaube, davon haben Sie wenig Ahnung, Herr Witzel – und gefüttert werden.

(Ralf Witzel [FDP]: Aber Sie gerade!)

Ich habe drei Kinder großgezogen. – Hinzu kommt eine Vielzahl von unzumutbaren Härten für die jetzigen Ergänzungskräfte. All diejenigen, die im Moment nicht die notwendige Berufserfahrung von fünf Jahren haben, all die, die nicht die Ausbildung zur Kinderpflegerin haben, dürfen ab 2011 nicht mehr weiterbeschäftigt werden und werden damit aus diesem Beruf herausgedrängt. Das ist die Realität.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dann stehen 3.000 pädagogische Mitarbeiterinnen auf der Straße. Wenn Arbeitsplätze in der Industrie, bei Opel und in anderen Bereichen bedroht sind, sogar wenn ihre Zahl kleiner ist, ist der Ministerpräsident vor Ort, um zu helfen. Wenn es um Erzieherinnen, um Ergänzungskräfte in Kindertagesstätten geht, ist es die Landesregierung selbst, die Arbeitslosigkeit produziert.

Eine weitere Problematik besteht für die älteren, erfahrenen Kollegen, die nach ihrem anstrengenden Berufsalltag noch eine kräftezehrende Weiterbildung in den Abendstunden, an den Wochenenden

absolvieren müssen, ohne sie in ihrem späteren Berufsleben ausreichend nutzen zu können, weil sie bald die Altersgrenze erreichen. Für alle Kinderpflegerinnen ist vollkommen unklar, ob sich der zusätzliche Aufwand auch finanziell auszahlt. Denn viele Träger werden nach Abschluss der Ausbildung Änderungskündigungen aussprechen und neue Verträge nach TVöD abschließen, mit denen sich die frisch ausgebildeten Erzieherinnen noch nicht einmal besserstellen.

Völlig unsinnig ist, dass die langjährigen, erfahrenen Kräfte – sie müssen mindestens fünf Jahre in den Einrichtungen gearbeitet haben; das ist die Voraussetzung –, noch ein einjähriges Anerkennungsjahr über sich ergehen lassen müssen.

Es ist verständlich, dass die betroffenen Mitarbeiterinnen in den Kitas aufgrund dieser Situation verunsichert sind und Angst haben, ihren Job und ihre berufliche Perspektive zu verlieren. So geht man nicht mit Menschen um, die für diese Gesellschaft eine wichtige und anstrengende Aufgabe übernehmen, nämlich die Erziehung und Betreuung unserer Kinder.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich kann nur hoffen und an Sie appellieren, dass bei Ihnen ein Umdenken stattfindet und Sie verstehen, Herr Laschet, dass wir auch in Zukunft in unseren Einrichtungen ausgebildete Kinderpflegerinnen brauchen. Sie decken ein spezifisches Aufgabenspektrum ab, für das man nicht unbedingt eine Hochschulausbildung oder eine Erzieherinnenausbildung braucht. Deswegen appelliere ich an Sie, an die Landesregierung: Arbeiten Sie intensiv und schnell an Lösungen, um den Druck von diesen Menschen zu nehmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Asch. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Witzel das Wort. Bitte schön, Herr Witzel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist zunächst einmal hilfreich, dass Frau Asch als Antragstellerin wieder an der Debatte teilnimmt. Sie werden sich sicherlich auch mit unseren Argumenten auseinandersetzen.

Wie Sie wissen, legt die jetzige Koalition großen Wert auf eine Stärkung der Bildungspolitik, des Bildungssystems in all seinen Bereichen. Wir haben das jeweils mit eigenen Gesetzesvorhaben getan und sie sehr ausführlich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung hier im Parlament diskutiert. Das gilt für die Modernisierungsgesetze im Hochschulbereich, für die Modernisierung des Schulgesetzes und selbstverständlich auch für das Kinderbildungs

gesetz mit der Neuausrichtung seiner Arbeit, der frühkindlichen Bildung in den Kindertageseinrichtungen.

Bei uns wird deshalb stets eine Doppelstrategie verfolgt, die wir auch bei der Beratung des KiBiz deutlich gemacht haben, nämlich beide Säulen, die quantitative und die qualitative Dimension, erkennbar zu stärken.

Was die quantitative Frage angeht, diskutieren wir weitere Fragestellungen in der Arbeit des Fachausschusses, zum Beispiel die Aufwertung der Erzieherausbildung als solche, die auch die Grundlage für die weitere Arbeit der Kindertagesstätten und der Kinderbetreuungseinrichtungen darstellt. Wir führen eine Debatte, ob wir nicht zukünftig stärker Personal mit Abschlüssen auf FH-Niveau gewinnen, ob wir uns nicht europäischen Standards nähern, was die Intensität und Länge der Ausbildung angeht.

Zum Zweiten diskutieren wir hinsichtlich der Qualität des Personals auch über die Nachqualifizierung der heute im System vorhandenen Kräfte. Für die frühkindliche Bildung, um die es hier geht, bedeutet das, dass wir in quantitativer Hinsicht das Platzangebot für unter Dreijährige im Jahr 2009 bereits sechsmal größer gestalten, als es beim Politikwechsel 2005 der Fall war.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP] – Holger Ellerbrock [FDP]: Sechsmal!)

Das ist der Punkt, Herr Kollege, der auch so viel Beruhigung in Richtung der Beschäftigten senden sollte. Wenn es einen solchen Aufwuchs an Kapazitäten gibt, dann muss man sich ja in puncto Jobperspektive in einem solchen Boombereich wirklich keine Gedanken machen.

Rot-Grün hat die schlechteste Versorgung mit 11.800 Plätzen hinterlassen. Wir haben in diesem Jahr schon 66.000 – Tendenz weiter steigend – geschaffen.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Wie viele waren es?)

Die nächste Ausbaustufe wird bis 90.000 Plätze für Kindertagespflege und Kindertageseinrichtungen geschaffen. Da gibt es großen Bedarf für zukünftige Personalrekrutierungen.

Herr Kollege Witzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ellerbrock?

Aber selbstverständlich.

Herr Kollege, könnten Sie vielleicht noch einmal die Zahlen wiederholen, die klingen ja so unglaublich. Könnten Sie das nicht noch einmal bitte wiederholen?

(Heiterkeit – Rainer Schmeltzer [SPD]: Diese Frage sollten Sie nicht zulassen! Er kann es nachher im Protokoll nachlesen! – Weitere Zurufe von der SPD – Unruhe)

Herr Kollege, ich stelle Ihnen gerne, auch wenn das für Rot-Grün denkbar unangenehm ist …

(Fortgesetzt große Unruhe)

Jetzt hat der Kollege Witzel die Gelegenheit zur Beantwortung der Zwischenfrage bzw. in seiner Rede fortzufahren.

Ich beantworte die Frage des Kollegen sehr gerne,

(Britta Altenkamp [SPD]: Wer hätte das ge- dacht?)

auch wenn das an den Reaktionen erkennbar unangenehm für Rot-Grün ist:

Herr Kollege, die Abschlussbilanz von Rot-Grün war die schlechteste im Bereich der U3-Betreuung in ganz Deutschland. Rot-Grün hat den Begriff U3Betreuung immer falsch interpretiert, nicht als die Betreuung der unter Dreijährigen, sondern als unter 3 % Bedarfsabdeckung – mit 2,8 %, der schlechteste Wert in ganz Deutschland. 11.800 Plätze waren dies. Wir sind in diesem Jahr bereits bei 66.000.

(Beifall von der FDP)

Frau Altenkamp nickt und bestätigt es. Frau Altenkamp kennt als kundige Expertin die weiteren Ausbaustufen und weiß, dass wir am Ende dieser Legislaturperiode

(Britta Altenkamp [SPD]: Die Koalition der Er- neuerung!)

mit einem Budgetaufwand von über 1,1 Milliarden € bei über 90.000 Plätzen