Protokoll der Sitzung vom 18.03.2009

ist in den Schulen schlicht unzureichend gewesen. Wir müssen mit verschiedenen Maßnahmen ansetzen. Das tun FDP und CDU. Ich möchte in dem Zusammenhang mit Erlaubnis der Präsidentin den Oldenburger Bildungsprofessor Hans Kaminski zitieren: Wirtschaft an deutschen Schulen kommt immer noch zu kurz!

Dass heute viele Schüler bereits Schulden haben, ist nicht zuletzt auch auf den unbedachten Umgang mit Geld und auf mangelnde Kenntnisse über wirtschaftliches Handeln zurückzuführen. Es fehlt oftmals an einem soliden Grundstock wirtschaftlichen Wissens.

Zukünftig werden die sozialen Sicherungssysteme wohl nur noch eine Grundversorgung der Menschen sichern können. Gerade in der gegenwärtigen Krise ist es daher von zentraler Bedeutung, dass den Kindern und Jugendlichen die Chancen, aber auch die Grenzen der öffentlichen Sozialversicherungssysteme dargestellt werden.

Ebenso müssen sie die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen und Risiken der privaten Angebote frühzeitig kennenlernen.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das ist doch unerhört! Was ist das zynisch!)

Selbstverständlich sind in den letzten Jahren Maßnahmen ergriffen worden, um die Vermittlung ökonomischer Inhalte in den Schulen zu stärken. Auch haben wir schon eine positive Wegstrecke in der Berufsorientierung sowie der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Wirtschaft zurückgelegt: Mehr Praktika, mehr frühzeitige Berufsorientierung, Seniorexperten und Unternehmen als Partner für Schulen sind bereits erfreuliche Entwicklungen. Aber wir müssen auf diesem Weg noch weiter voranschreiten.

Auch für den Unterricht gibt es beispielsweise Rahmenvorgaben für ökonomische Bildung in den Sekundarstufe I oder die sozialwissenschaftlichen Vorgaben für die Sekundarstufe II. Dabei ist wieder einmal bezeichnend: Zunächst werden erste Gehversuche in der Ökonomievermittlung an den Schulen am Kreislauf der Müllwirtschaft oder des Biobauernhofs festgemacht. Das ist nicht wirklich das, was wir unter Grundlagen von Wirtschaftskompetenz verstehen, und erklärt unsere in Globalisierung eingebettete soziale Marktwirtschaft und deren Eckpfeiler nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist für die Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenhänge von herausragender Bedeutung, dass den Kindern ein umfassendes und objektives Bild von Ökonomie vermittelt wird. Daher ist es auch von zentraler Bedeutung, dass die Lernmittel objektiv und unideologisch die gesamte Bandbreite wirtschaftlicher Aktivität darstellen.

Die Studie des Georg-Eckert-Instituts zeigt, dass etwas fehlt. Die Schulbücher sind sehr stark auf die Rolle des Staates ausgerichtet. Der Selbstständige kommt viel zu wenig vor.

(Beifall von der FDP)

Aber das wirtschaftliche Leben, das Rückgrat der Wirtschaft in der Bundesrepublik, bilden die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen und die Menschen, die sie aufbauen und erfolgreich gestalten.

Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich aus einer Denkschrift der EKD aus dem Jahre 2008: Wir brauchen Menschen, die den Mut und die Vision haben, neue Industrie- und Dienstleistungsunternehmen aufzubauen, neue Produkte kreativ zu entwickeln und für sie Märkte zu erschließen.

Gespräche mit mittelständischen Unternehmen zeigen immer wieder, dass in den Schulen ihre Arbeit, Kenntnisse über ihr wirtschaftliches Handeln, ihre Probleme, aber auch ihre erfolgreiche Arbeit zu wenig thematisiert werden.

Positive Beispiele sind besonders wichtig, wenn wir uns an die Veröffentlichungen der letzten Wochen zu Menschen mit Migrationshintergrund in unserem Land erinnern. Die von Personen mit Migrationshintergrund getragene frühere Nischenökonomie hat sich deutlich von der reinen Dienstleistungswirtschaft hin zu weiteren Feldern wie zum Beispiel der Biotechnologie entwickelt. Auch diese selbstständigen Unternehmer können vielen Jugendlichen als Vorbilder dienen.

Meine Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die Kenntnisse der sozialen Marktwirtschaft in allen gesellschaftswissenschaftlichen Fächern stärken.

(Beifall von der FDP)

Dafür ist es zielführend, dass wir den Sachverstand der Wirtschaft vermehrt einbinden. Es soll mehr Entwicklung von Unterrichtsreihen geben, bei denen explizit auf den Sachverstand der Wirtschaft zurückgegriffen wird. Wir müssen die hier bereits bestehenden Angebote deutlich ausbauen.

Wir stärken in den Haupt- und Gesamtschulen die Berufsorientierung. Hierzu zählt auch eine verstärkte Einbindung der Wirtschaft. Durch eine verbesserte Zusammenarbeit der Schulen mit der Wirtschaft vor Ort kann die Kompetenz gerade auch der mittelständischen Wirtschaft in der jeweiligen Heimatregion zur Erhöhung der Ausbildungs- und Berufsfähigkeit bei den Kindern und Jugendlichen beitragen.

Unlängst hat eine baden-württembergische Studie die hohe Verantwortungsbereitschaft und die Bereitschaft zum Engagement von Wirtschaftsunternehmen im Bildungsbereich nochmals unterstrichen. Aber die Untersuchung zeigt auch, dass Projekte bisweilen an der Kommunikation scheitern.

Auch an der Stelle gilt es anzusetzen und zum Wohle der Kinder und Jugendlichen kontinuierlich besser zu werden. Wir müssen wirtschaftliche Kenntnisse stärken, Risiken deutlich machen. Vor allem aber müssen wir eins:

Wir müssen Chancen vermitteln und nutzen, unseren Kindern und Jugendlichen Wirtschaft und soziale Marktwirtschaft als etwas Positives und Selbstverständliches darstellen. – Danke.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper-von Heiden. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Dr. Bovermann das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ein Gespenst geht um in Europa.“ Zwar droht nicht die Einführung des Kommunismus, aber die Verankerung der sozialen Marktwirtschaft in den Schulbüchern scheint in Gefahr. Doch die Rettung in Gestalt eines Antrags von CDU und FDP naht.

(Beifall von der SPD)

Beginnen wir einmal mit der Problemdefinition: Der Antrag stützt sich auf eine Auftragsstudie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – und auf andere, nicht näher bezeichnete Quellen.

Nun gibt es – wer wollte das bestreiten? – tatsächlich Defizite in der politischen Bildung. Der Bereich der Ökonomie zählt sicherlich auch dazu. Doch der Antrag vermischt die verschiedenen Aspekte, verkürzt sie auf die soziale Marktwirtschaft und zieht den Fehlschluss von den Unterrichtsmedien auf mangelnde Kenntnisse bei den Schülerinnen und Schülern.

Selbst die genannte Studie des renommierten Georg-Eckert-Instituts kommt zu dem Ergebnis – ich zitiere –:

Eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber Unternehmertum und Marktwirtschaft kann deutschen Schulbüchern nirgendwo attestiert werden,

(Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]: Sie haben nur die Zusammenfassung gelesen!)

wohl aber eine Werthaltung, die unternehmerisches und rein marktwirtschaftliches Handeln nicht als höchstes Gut einordnet.

Ein Blick in die Curricula und die für NRW zugelassenen Schulbücher der Sekundarstufen I und II bestätigt, dass das Thema „soziale Marktwirtschaft“ umfänglich und sachlich angemessen dargestellt wird.

Die tatsächlichen Probleme der politischen Bildung werden von Ihrem Antrag nicht erfasst.

(Beifall von der SPD)

Kommen wir nun zu den Lösungsvorschlägen. Der Antrag plädiert für mehr wirtschaftliches Grundlagenwissen. Die Stichworte lauten „selbstständige Unternehmer“ und „private Eigenvorsorge“. Das klingt verdächtig nach „Privat vor Staat“. Diese Inhalte sollen frühzeitig, vielseitig, objektiv und unideologisch vermittelt werden.

Interessant ist jedoch, was nicht erwähnt wird: beispielsweise die Gemeinwohlorientierung im Zusammenhang mit dem Begriff von Eigentum – Art. 14 Grundgesetz –, die Korrekturfunktion der Sozialpolitik, die Rolle der Gewerkschaften und die Bedeutung der Mitbestimmung. Das ist gerade deshalb relevant, weil sich das Grundgesetz auf keine bestimmte Wirtschaftsordnung festlegt, wohl aber ein Sozialstaatsgebot enthält und damit eine schrankenlose Marktwirtschaft ausschließt.

(Beifall von Frank Sichau [SPD])

Mit anderen Worten: Ihr Antrag zielt nicht auf Vielfalt und Objektivität, sondern ist einseitig und ideologisch ausgerichtet.

(Beifall von der SPD)

Damit sind wir bei der Umsetzung in die Praxis. Unterrichtsreihen sollen in enger Abstimmung mit Wirtschaftsverbänden und Kammern entwickelt werden, und Vertreter der örtlichen Wirtschaft sollen Schülern selbstständiges Handeln und Wirtschaften erläutern.

Meine Damen und Herren, das ist nichts Neues. Tatsächlich gibt es eine gute und vielfältige Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Schule. Hier besteht eher die Gefahr, dass dem Verbandseinfluss Tür und Tor geöffnet werden soll. Ich weiß ja nicht, an welche Unternehmer Sie denken – wahrscheinlich nicht an Herrn Zumwinkel oder Herrn Ackermann.

(Lothar Hegemann [CDU]: An den SPD- Mann Zumwinkel denken wir nicht!)

Vielleicht schwebt Ihnen Herr Lindner von der FDP vor. Wenn ich mir ihn im Politikunterricht vorstelle, wird mir angst und bange.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Den Vorschlag, Firmenmitarbeiter als Ersatzlehrer einzusetzen, haben wir jüngst schon von Frau Ministerin Schavan gehört. Die Kritik – auch aus der Wirtschaft – war vernichtend.

Alle diese Ideen zeugen von tiefer Ahnungslosigkeit bei den Antragstellern hinsichtlich sozialwissenschaftlicher Didaktik. Sie verstoßen auch gegen den Beutelsbacher Konsens, der ein Überwältigungsverbot, das Gebot der Kontroversität und die Schü

lerorientierung als Prinzipien politischer Bildung beinhaltet.

Zum Abschluss stellt sich die Frage, woher dieser überflüssige Antrag eigentlich kommt. Es handelt sich ursprünglich um den Antrag Nr. A 08-3-04 des Außerordentlichen Landesparteitages der FDP Nordrhein-Westfalen im Jahr 2008,

(Ralf Witzel [FDP]: Gut recherchiert!)

der fast wörtlich – mit Rechtschreibfehlern – übernommen worden ist.

(Heiterkeit von der SPD)