Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

(Beifall von der FDP)

Wir wollen Stärken stärken! Herr Vesper hat es dankenswerterweise angesprochen. Die vor allen Dingen quantitätsorientierte Profilbildung muss stärker qualitätsorientiert erfolgen. Das wollen wir mit Nachdruck ermöglichen.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Zweifelsohne müssen regionale Strukturinteressen und die Interessen des Hochschulwesens insgesamt gegeneinander abgewogen werden. Da ist eine Balancebildung erforderlich.

Wenn Sie aber vor allen Dingen Hochschulpolitik unter regionalen Gesichtspunkten betreiben wollen, dann teilen wir diese Einschätzung nicht. Wir wollen Hochschulpolitik machen, die sich an Ausbildungszielen und an der Exzellenz der Forschung orientiert, auch wenn das bedeutet, dass man nicht eine Bestandsgarantie für jeden Fachbereich und für jeden Standort prinzipiell aussprechen kann.

(Beifall von der FDP – Prof. Dr. Gerd Boller- mann [SPD]: Was meinen Sie jetzt: Fachbe- reich oder Standort? Sagen Sie das doch einmal präziser!)

Jetzt will ich colorandi causa noch eine Fußnote machen, weil Sie Herrn Ronge im Zusammenhang mit der ZVS zitieren, und darauf hinweisen, dass die Mobilität von Studierenden nicht so ausgeprägt sei. Ich zumindest habe die ZVS immer so verstanden, dass die ZVS nicht von vornherein jedem Ortswunsch der Studierenden nachkommen kann und will. Im Gegenteil ist die ZVS die Instanz, die Mobilität von Studierenden einfordert. Genau das müssen wir auch tun. Studierende sollen sich nach Qualität entscheiden und nicht nur danach, dass sie Zuhause wohnen können. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, als Nächstes spricht für die Landesregierung Herr Minister Prof. Dr. Pinkwart.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist angesprochen worden, dass man gern zusätzliche Informationen haben möchte, wie es weitergeht. Ich hatte unlängst Gelegenheit, das auch im Ausschuss zu tun und die Zielpunkte zu beschreiben. Ich nehme gern die Gelegenheit hier und bei allen weiteren Beratungen wahr, das zu tun.

Es kommt darauf an, wenn man etwas verändern will, dass man für Planungssicherheit und für Perspektiven sorgt, die mitgegangen werden können. Gerade von den Hochschulen, die sich im Sinne von mehr Leistungsorientierung, Wettbewerbsfähigkeit anpassen wollen und – ich sage auch das hier – anpassen müssen. So schön es sich im Antrag der SPD-Fraktion liest, so schön ist es, wenn man es genau betrachtet, natürlich nicht. Wir haben die dichteste Hochschullandschaft Europas, aber wir haben noch nicht die beste Hochschul- und Forschungslandschaft Europas. Das zeigen

uns unterschiedlichste Rankings, die Sie natürlich kennen.

Deswegen muss es das gemeinsame Anliegen dieses Hauses und dieser Landesregierung sein – es ist ihr Anliegen –, dass wir aus der dichtesten Hochschullandschaft Stück für Stück – das wird seine Zeit brauchen – die beste Hochschullandschaft in Europa machen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn sie schon so gut wäre, wie sie die Kollegen von der SPD-Fraktion in Ihrem Antrag beschreiben, dann müssten Sie gar keine Sorge haben, dass es zu irgendwelchen Schließungen von Standorten käme. Wenn das nämlich alles nur Erfolgsmeldungen wären, wie Sie es dort beschreiben, müssen die so unendlich stark sein, dass sie sich durch gar nichts erschüttern ließen. Oder es ist eben ganz anders. Dann treffen Ihre Aussagen aber nicht zu.

Ich möchte für die Landesregierung sagen: Ich sehe keinen Hochschulstandort in NordrheinWestfalen gefährdet, halte es aber gerade deshalb weder für notwendig noch für sinnvoll, eine Bestandsgarantie auszusprechen, sondern deutlich zu machen: Wir fordern die Hochschulen, aber wir fördern sie auch, damit sie das Ziel im Interesse unseres Landes erreichen können, besser zu werden.

(Beifall von CDU und FDP)

Hier ist von Herrn Vesper zu Recht der gerade Weg angesprochen worden. Sie haben es in den Kontext des Hochschulkonzeptes gestellt. Richtig ist: Wir orientieren uns an diesem für die Hochschulen verabredeten, auch seitens der Landesregierung verabredeten und vom Landtag begleiteten Konzepts. Wir werden es weiterentwickeln. Wir wollen es so weiterentwickeln, dass wir das Ziel, das wir vorgegeben haben, besser erreichen können.

Wenn man einen solchen Weg geht, dann sollte man sich auch an Verabredungen halten. Genau hier ist die Vorgängerregierung leider nicht konsequent gewesen. Es ist bemerkenswert, dass die SPD-Fraktion heute genau diese Inkonsequenz noch einmal zum Gegenstand einer Antragsforderung macht. Es war Ihre Wissenschaftsministerin, die mit den Hochschulen eine leistungsorientierte Mittelverteilung verabredet hat. Es war Ihre Wissenschaftsministerin, die die Parameter für die leistungsorientierte Mittelverteilung vereinbart hat. Und es war – leider – Ihre Ministerin, die gegen das eigene Konzept den Mut oder vielleicht die politische Unterstützung in ihren Reihen nicht ge

funden hat, das, was sie zunächst vorgegeben und verabredet hatte, dann zur Umsetzung zu bringen, sondern sie hat eine Kappungsgrenze eingeführt, die im Übrigen nie Gegenstand des Hochschulkonzeptes war, und sie hat sie aus der Not heraus im Jahre 2004 eingeführt und im Wahljahr 2005 noch einmal mit +/- 1 % überrollt, allerdings mit der klaren Ansage, dokumentiert im Gespräch mit den Rektoren der Hochschulen schon im Herbst 2004, dass diese Kappungsgrenze spätestens 2006 auf jeden Fall dynamisiert werden müsste, damit ein solches Konzept dann wenigstens ab 2006 Sinn machen könnte.

Wenn Sie sich jetzt dagegen aussprechen, dass wir möglicherweise diesen Weg, der verabredet war und sinnvoll ist, zu einer Umsetzung führen könnten, dann machen Sie nur deutlich, dass Sie offensichtlich Ihre Ministerin, die fachlich – wie ich meine – richtig operiert hat, damals nicht konsequent unterstützt haben und auch heute eine solche Politik zur Verbesserung der Profilbildung nicht zu unterstützen in der Lage sind.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von der SPD: Verraten Sie uns, was Sie vorhaben!)

Wir wollen jedenfalls, dass wir uns mit den Hochschulen in dem Rahmen bewegen, der von der Vorgängerregierung besprochen worden ist. Für das Zeitfenster 2004 bis 2006 sind Parameter vereinbart. Wir werden auf der Grundlage mit den Hochschulen die Gespräche, auch zur leistungsorientierten Mittelverteilung, im nächsten Jahr zu einem guten Abschluss führen.

Dann reden wir über die Zielvereinbarung ab 2007, und wir sprechen über eine Neujustierung der leistungsorientierten Mittelverteilung. Das machen wir mit den Hochschulen gemeinsam in dem Interesse, meine Damen und Herren, dass diejenigen, die sich anstrengen, dann von der Politik tatsächlich die Anreize erhalten, die vorher versprochen worden sind.

Wenn wir nämlich jene enttäuschen, die sich bewegen, meine Damen und Herren, werden wir in diesem Land in Anbetracht der bereitstehenden Ressourcen nicht die Effektivitätsgewinne erzielen, die wir so dringend benötigen.

Lassen Sie mich abschließend eine Bemerkung zu Ihrer einleitenden Aussage zu Pisa machen, Herr Schultheis. Die hat mich besonders angesprochen vor dem Hintergrund eines Berichts, den wir gestern im Landeskabinett von dem Wissenschaftler, der die Studie durchgeführt hat, erhalten haben. Dort ist noch einmal klargemacht worden: Nordrhein-Westfalen liegt bei den Gruppen, die erhebliche Kompetenzdefizite aufweisen, hinter

Bundesländern wie Baden-Württemberg und Bayern – im Zugewinn auch gegenüber SachsenAnhalt – und in der Spitzengruppe, das heißt bei denen, die besonders gut sind, auf Platz 13 von 16 Bundesländern.

Das heißt, wir schaffen es weder in der Spitze noch in den Problemgruppen, gut zu fördern. Dieser Experte hat deutlich gemacht, dass es in den süddeutschen Ländern gelingt, auch Problemgruppen – durch soziale Rahmenbedingungen oder andere Faktoren benachteiligte Gruppen – viel besser in den Unterricht zu integrieren und zu Leistungserfolgen zu bringen, als das in diesem Land aufgrund Ihrer Politik möglich geworden ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Bilanz, die heute noch einmal Gegenstand der Beratungen war, zeigt, dass Sie gerade unter sozialen Gesichtspunkten mit Ihrer Bildungspolitik versagt haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir werden in Nordrhein-Westfalen große Anstrengungen unternehmen müssen – ich hoffe, wir tun das jetzt endlich gemeinsam –, um an den Schulen zu besseren Ergebnissen zu kommen, und wir müssen mit einer leistungsorientierten, am Ergebnis ausgerichteten Politik für die Hochschulen dafür sorgen, dass die jungen Menschen in unserem Land von der Grundschule bis zur Hochschule die besten Chancen bekommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Pinkwart. – Frau Gebhard von der SPD-Fraktion hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kuhmichel, Ihr Beitrag hat deutlich gemacht, warum es notwendig ist, dass wir hier und heute diesen Antrag stellen. Sie haben nämlich das Kunststück geschafft, Ihren Beitrag mit den Worten zu beginnen, wir sollten uns beruhigen und darauf vertrauen, es werde schon alles gut, und mit den Worten zu beenden, die uns und die Hochschulen permanent verunsichern, nämlich: Aber eine Standortgarantie können wir nicht geben; wenn wir Wettbewerb wollen, geht das nicht.

(Beifall von der SPD)

Sie können nicht einerseits sagen: „Hochschulen, ihr braucht euch nicht aufzuregen, alles ganz ruhig, nennt bloß keine Namen, seid bloß nicht ver

unsichert“, und andererseits sagen: Aber eine Garantie geben wir euch nicht. – Das passt nicht zusammen.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Sie haben nicht zugehört!)

Herr Pinkwart hat ein bisschen differenzierter gesprochen als Sie. Aber Sie tragen die Regierung, Sie stimmen ab. Es ist ganz wichtig zu wissen, wie sich die regierungstragenden Fraktionen verhalten. Das ist für die Hochschulen von großer Bedeutung.

Ich will weitermachen mit dem, was Herr Lindner gesagt hat. Auch Sie haben uns gemahnt, wir sollten Geduld haben.

(Christian Lindner [FDP]: Ja!)

Wenn Sie hier mit Ihrer Mehrheit erst einmal abgestimmt haben, dann hat die Opposition keine Chance mehr einzuwirken. Es ist also unsere Pflicht und unsere Aufgabe als Opposition, rechtzeitig tätig zu werden. Die Anhörung des Wissenschaftsausschusses in der letzten Woche zur Zukunft der ZVS – heute schon mehrfach zitiert – hat mehr als deutlich gemacht, dass die Experten – und zwar in einem sehr breiten Stil, wie Herr Vesper ausgeführt hat – Ihren Willen nicht unterstützen. Wir haben als Opposition dann natürlich die große Hoffnung, dass Sie die Meinung im Lande zur Kenntnis nehmen und Ihre Absichten noch einmal überdenken.

(Beifall von der SPD – Christian Lindner [FDP]: Sie kennen unsere Absichten offen- sichtlich gar nicht genau!)

Sie bringen sie immer wieder zum Ausdruck. Ich will nicht wiederholen, was wer in diesem Jahr schon alles gesagt hat. Herrn Pinkwart habe ich das letzte Mal schon mehrfach zitiert, weil auch er gesagt hat, für ihn sei keine Hochschule tabu, es gebe keine Standortsicherheit. Jetzt wird langsam, aber sicher geschickter in der Ausdrucksweise.

(Lachen von der FDP)

Ich will diese Gelegenheit nutzen, um deutlich zu machen, was dahinter steckt. Herr Minister Pinkwart hat heute den rein wissenschaftlichen Aspekt betont, hat das als wissenschaftsimmanent betrachtet. Ich bin der Ansicht, wir müssen das ganzheitlicher sehen. Wir haben im Antrag nicht umsonst eine Zwischenüberschrift gewählt, die lautet: „Regionen brauchen Hochschulen – Hochschulen brauchen Regionen“.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Super Satz!)

Wir haben das genau deshalb getan, um deutlich zu machen: Es geht hier nicht nur um Hochschulen, es geht hier um viel mehr. Gerade am Beispiel der Neugründungen von Hochschulen in Nordrhein-Westfalen, vor allem im Ruhrgebiet, kann man dies meines Erachtens sehr gut verdeutlichen.

Zwei Aspekte waren damals wie heute ausschlaggebend. Den einen – der ist Ihnen vielleicht noch bekannt – kann man mit den Worten des früheren Bundestagsvizepräsidenten Carlo Schmid wiedergeben. Er hat gesagt:

„Die Nation kann es sich nicht mehr leisten, Hunderttausende von Begabungen brachliegen zu lassen.“