Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Für die FDP-Fraktion erhält der Abgeordnete Ellerbrock das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden heute über Industriepolitik. Was heißt eigentlich „Industrie“?

Industrie heißt doch zuallererst einmal: Arbeitsplätze! Arbeitsplätze sichern! Arbeit ist für uns immer mehr als nur Geld verdienen, Arbeit bedeutet sicherlich eine sinnvolle Beschäftigung. Mit eigenen Händen oder dem eigenen Kopf eigenständig Einkommen zu erwirtschaften, hat letztendlich auch etwas mit Selbstwertgefühl, mit Selbstsicherheit und Selbstvertrauen zu tun.

Wir als FDP gehen sogar noch weiter und sagen: Nur, wer wirtschaftlich frei ist, der kann auch politisch frei sein. Aus unserer Sicht kommt dem ein besonders hoher Stellenwert zu, denn Arbeit bedeutete letztendlich Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Meine Damen und Herren, Arbeit und Industrie heißt auch: Ausbildung. Ausbildung ist Zukunft. Industrie heißt auch: Industriearbeitsplätze haben eine enge Verknüpfung mit dem Handwerk. Industrie heißt auch: enge, untrennbare Verknüpfung mit anwendungsorientierter Forschung und Grundlagenforschung.

Meine Damen und Herren, wir sind uns, glaube ich, gar nicht bewusst, wie eng die Verknüpfung zwischen Forschung und Industrie ist. Alleine zum Beispiel bei Engineering Ruhr gibt es 4.000 Studierende. Es gibt eine Kooperation zwischen Boeing, Evonik und EOS Electro Optical Systems; sie gründen in Paderborn zusammen mit der Universität das Direct Manufacturing Research Center. Die MaxPlanck-Gesellschaft bietet die Plattform für Systembiologie in Dortmund. Außerdem gibt es in Dortmund ein Laboratorium zur Umsetzung chemischer Prozesse in der Wirtschaft. Alles das geschieht im Verbund zwischen Industrie und Forschung.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Industrie bedeutet Zukunftsorientierung. Industrie sichert unseren Lebensstandard, schafft Werte. Industrie sichert im Übrigen nicht nur unseren Lebensstandard, sondern schafft auch Werte, die es uns ermöglichen, unserer globalen Verantwortung in vielerlei Hinsicht – ich spreche zum Beispiel von Entwicklungshilfe – gerecht zu werden.

Meine Damen und Herren, wer industrielle Entwicklung und Allgemeinwohl eng verknüpft, muss sich bewusst sein, dass er dazu die Standortvoraussetzungen verbessern muss. Das bedeutet nicht nur duale Ausbildung und lebenslange Qualifikation von Arbeitnehmern, sondern das bedeutet auch Forschung. Dafür steht diese Landesregierung wie keine andere. Das bedeutet Logistik. Unter Wittke haben wir in dieser Regierung die Anzahl der Planfeststellungsbeschlüsse für Straßenbauprojekte von vier im Jahr 2004 auf 19 im Jahr 2007 steigern können.

Standortvoraussetzungen sichern heißt aber auch, Standorterweiterungen ermöglichen, und zwar nicht nur hinsichtlich der Produktionspalette, sondern auch hinsichtlich der Flächen. Also müssen wir in einem hoch verdichteten Land wie dem unseren ja dazu sagen, wenn wir Verbünde zwischen einzelnen Industriestandorten schaffen.

In dem Zusammenhang ist natürlich die CO-Leitung ein Beispiel für notwendige Vernetzungen. Das ist aber erst der Beginn einer Vernetzungsstrategie nordrhein-westfälischer Industriestandorte. Wer sich dagegen stellt, stellt sich auch gegen das Allgemeinwohl. Das muss man so deutlich sagen.

(Beifall von der FDP – Sören Link [SPD]: Ein ganz schlechtes Beispiel!)

Meine Damen und Herren, sichere Energie für die Industrie heißt auch Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken, unabhängig davon, ob Sie das hören wollen oder nicht. Das ist einfach so.

Wenn wir von moderner Übergangstechnologie reden, modernen Kohlekraftwerken mit CO2-Abscheidung, müssen wir uns auch der Frage stellen: Wie kommen wir zu dem Endlager? Auch über eine dafür benötigte CO2-Leitung quer durch halb Deutschland werden wir eine Diskussion führen.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Die schon angekündigte Maschinenstürmerei gegen die CO2-Leitung ist so extrem industriefeindlich, wie wir es uns eigentlich gar nicht leisten können.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn wir diese Verknüpfung von Industrie und Allgemeinwohl akzeptieren, dann müssen wir ganz deutlich sagen: Wer Ja zum Allgemeinwohl sagt, der muss auch Ja zur Standortsicherung und industriellen Entwicklung hier in Nordrhein-Westfalen sagen, und zwar inklusive der damit verbundenen Probleme. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Als nächste Rednerin spricht Frau Asch für Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Frau Kollegin Asch.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir müssen leider feststellen, dass CDU und FDP mit diesem völlig kleinkarierten und kleinteiligen Antrag in keiner Weise über den Tellerrand von Nordrhein-Westfalen hinausschauen. Sie nehmen nicht wahr, dass Wirtschaften in der globalen Welt bedeutet, über die Landesgrenzen hinauszuschauen und auch globale Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung hat die Gefahr eines ungebremsten Klimawandels als den zentralen politischen Konflikt des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Wir wissen: Wenn die Industrieländer nicht entschlossen handeln, wird uns der kaum widerlegbare Vorwurf gemacht werden, die Gefährdung der existenziellen Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen zuzulassen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Also keine Indust- rie!)

Genau das, meine Damen und Herren, hat Horst Köhler in seiner Berliner Rede Ihnen, uns und dem ganzen Land sehr deutlich ins Stammbuch geschrieben, weil paradoxerweise vor allem diejenigen Kontinente und Länder gefährdet sind, die bislang am wenigstens zur Klimakatastrophe beigetragen haben.

Zurzeit leben ca. 6 Milliarden Menschen auf der Welt; das wissen wir. Sie leben von den Ressourcen, die ihnen die Welt bietet. Doch aus unserem Ressourcenverbrauch westlicher Prägung resultiert eine bislang ungebremste Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der globale Klimawandel, der Verlust der Artenvielfalt und die zunehmende Ausbreitung von Wüsten sind die Alarmzeichen für die Bedrohung der Welt. Die Zeche, den Klimawandel, bezahlen Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Wir können all die schönen Millenniumsziele, all die schönen entwicklungspolitischen Ziele über Bord werfen, wenn es nicht gelingt, den Klimawandel aufzuhalten. Und dafür müssen wir in unserer Art des Wirtschaftens in den Industrieländern umsteuern. Daran führt kein Weg vorbei. Das ist das, was Sie nicht wahrnehmen wollen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Also keine Indust- rie!)

Wir brauchen eine innovative Energiepolitik, aber nicht die rückwärts gewandten kleinkarierten Dinge, die Sie aufgeschrieben haben. Wir brauchen eine Energiepolitik, die auf Einsparung, auf erneuerbare Energien zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung setzt. Das ist nicht nur – und das ist der Punkt, meine Damen und Herren – verantwortliches globales Handeln. Vielmehr ist es auch für unsere Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen eine große Chance.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bitte kommen Sie zum Schluss, Frau Kollegin.

Wir wissen nämlich, dass die erneuerbaren Energien die Märkte der Zukunft sind. Hier verzeichnen wir die größten Wachstumsraten. Hier sind in den letzten Jahren 300.000 Arbeitsplätze entstanden, und hier liegen die Chancen für die nordrhein-westfälische Wirtschaft. Mit Ihrer Weigerung, sich von der Kohlepolitik zu verabschieden, mit Ihrer Weigerung, sich von der Atompolitik zu verabschieden, verhindern Sie Innovationen bei der Kraft-Wärme-Kopplung, und damit verhindern Sie nicht nur den Klimaschutz, sondern auch Wirtschaftswachstum in Nordrhein-Westfalen.

Meine Redezeit ist zu Ende. Falls Sie es erlauben, Herr Präsident, würde ich noch gerne das Zitat …

Nein, eigentlich erlaube ich jetzt kein Zitat mehr, weil Sie schon ein ganzes Stück über Ihrer Redezeit sind.

Gut, dann nicht. – Ich kann Sie nur auffordern:

(Ralf Witzel [FDP]: Aufhören! Jetzt ist gut!)

Verspielen Sie nicht die Chancen für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen, und verspielen Sie nicht die Zukunft dieser Erde!

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von CDU und FDP: Oh!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

(Fortgesetzt Zurufe von CDU und FDP)

Wenn Sie sich ein bisschen beruhigt haben, kommen wir zu einer sehr komplizierten Abstimmung. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich für diese fünf Abstimmungen inklusive Teilabstimmungen, die vor uns liegen, ein bisschen Ruhe gönnen würden.

Wir kommen erstens zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 14/8882 der Fraktionen von CDU und FDP. Sie haben direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Inhalt dieses Antrags zu? – CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und der fraktionslose Kollege Sagel. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen.

Wir stimmen zweitens über den Entschließungsantrag Drucksache 14/8936 der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ab. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – Die Grünen, die SPD und Herr Sagel. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Enthält sich jemand? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Wir stimmen drittens über den Entschließungsantrag Drucksache 14/8944 der Fraktion der SPD ab. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – Die SPD. Wer stimmt dagegen? – Grüne, CDU und FDP. Enthält sich jemand? – Bei Enthaltung des Kollegen Sagel ist dieser Entschließungsantrag der Fraktion der SPD mit den Stimmen der Fraktionen von Grünen, CDU und FDP abgelehnt.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Darf ich um ein bisschen mehr Ruhe bitten, Herr Kollege?

Wir stimmen viertens über den Entschließungsantrag Drucksache 14/8951 der Fraktionen von CDU und FDP ab. Dieser Entschließungsantrag enthält zwei Teile. Es ist beantragt worden, über beide Teile getrennt abzustimmen. Dem kommen wir hiermit nach.

Der erste Teil beginnt mit den Worten „Der Landtag begrüßt“ und endet mit den Worten „Umweltwirtschaft und Umwelttechnik“. Wer stimmt diesem Teil des Entschließungsantrags der Fraktionen von CDU und FDP hier im Hohen Hause zu? – SPD, Grüne, CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Herr Sagel enthält sich. Damit ist dieser erste Teil bei Enthaltung des Kollegen Sagel einstimmig angenommen.

Der zweite Teil beginnt mit den Worten „Der Landtag erwartet zuversichtlich“ und endet mit „Perspektiven aufweisen wird“. Wer stimmt diesem zweiten Teil zu? – CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? –

SPD, Grüne und der Kollege Sagel. Damit ist nur die Mehrheit des Hauses, aber nicht alle Fraktionen der Meinung des zweiten Teils; er ist dennoch angenommen.

Jetzt komme ich zu der Abstimmung über den gesamten Entschließungsantrag Drucksache 14/8951. Wer stimmt ihm zu? – CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Damit ist dieser Entschließungsantrag mit der Mehrheit des Hohen Hauses angenommen.