Protokoll der Sitzung vom 06.05.2009

Ich will nämlich folgenden Sachverhalt ansprechen: Das Ministerium kann froh sein, dass das Wohn- und Teilhabegesetz, das wir vor Kurzem verabschiedet haben, nicht durch die Mühlen dieser sogenannten Normprüfstelle gedreht worden ist. Denn die in § 1 Abs. 2 aufgenommene Formulierung aus der Charta der Rechte der hilfs- und pflegebedürftigen Menschen hat genau einen solch deklaratorischen Charakter und zeigt im Prinzip auf, nach welcher Philosophie, in welcher Ausrichtung dieses Gesetz eigentlich verstanden werden soll. Die Formulierung sollte den Willen des Gesetzgebers deutlich machen, ohne aber eine rechtliche Bindung im Einzelnen zu entfalten. Nach den Kriterien aber, die auf den Einleitungssatz im Gesetz zum Bergmannsversorgungsschein angewendet worden sind, wäre auch § 1 Abs. 2 Wohn- und Teilhabegesetz zu streichen.

(Beifall von der SPD)

Das ist also ein bestimmter Anachronismus.

Was ist diese sogenannte Normprüfstelle? Ich weiß nicht, ob jeder Kollege und jede Kollegin das wissen. Die „BILD-Zeitung“ titelte, die Kontrolleure wären gnadenlos. Der Innenminister – Herr Staatssekretär Brendel ist da – schreibt, sie wäre ein sogenannter Normen-TÜV und gehörte zu den wichtigsten Reformfeldern dieser Landesregierung. In einer Presseerklärung, aus der ich jetzt zitiere, heißt es:

Er soll insbesondere dazu führen, dass die Gesetzessprache bürgernah und einfach, gleichzeitig aber juristisch präzise und unzweideutig formuliert wird. Insgesamt sollen nur notwendige und für den Bürger verständliche Vorschriften erlassen werden.

Bürgernah, lesbar und verständlich ist diese Einleitung. Von daher entspricht das auch den Einlassungen, die der Innenminister im Innenausschuss am 15. Januar dieses Jahres zu dieser Normprüfstelle gemacht hat. Also: Bürgernah, Gesetzessprache einfach und verständlich – das ist das, was Sie streichen wollen. Da muss die Normprüfstelle – Herr Brendel hat die Oberaufsicht über diese Normprüfstelle – wohl andere Kriterien angelegt haben. Welche Kriterien das waren, weiß ich nicht.

Wir bedauern das und stellen deswegen den Einleitungssatz hier zur Abstimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Garbrecht. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Orth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Garbrecht hat ausführlich begründet, warum er dem Gesetzentwurf nicht zustimmen möchte. Ich kann es für die FDP-Fraktion kurz und knapp machen: Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu. Er wurde in der Beratung im Ausschuss auch noch abgeändert. Wir stehen zu dem Ergebnis der Ausschussberatungen, und ich würde mir wünschen, dass das Plenum insgesamt dem Gesetzentwurf zustimmt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Orth. – Für die Grünen spricht Herr Kollege Priggen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich muss gestehen, ich musste in die Mysterien des Bergmannsversorgungsscheins erst mal einsteigen. Er spielte in den bisherigen Diskussionen keine große Rolle. Dann habe ich zur Kenntnis genommen, dass in dem Beratungsverfahren – das hat Kollege Garbrecht ganz richtig geschildert – Änderungsvorschläge gekommen sind. Das, was letztendlich im Gesetzestext steht, wurde im Konsens mit RAG, mit IG BCE – im Prinzip mit allen – so geändert, dass es an der Substanz des Gesetzes keine Kritik gibt. Deswegen haben sich SPD und Grüne im Sozialausschuss enthalten und nicht dagegen gestimmt.

Nun geht es, wie vom Kollegen Post richtig dargestellt, um die Präambel. Für jemanden, der ein biss

chen was von der Kohle kennt und versucht, das zu kapieren, ist eine kurze Präambel durchaus hilfreich. Ich hätte gedacht, man müsste sich einigen können, die alte Präambel, wenn man sie nicht übernimmt, geringfügig zu ändern, um zu erläutern, dass man trotz allen Streits in Sachen Dauer des Bergbaus aber doch einen Konsens erzielt hat, die sozialen Zusagen gegenüber den Beschäftigten einzuhalten. Das hätte einen gewissen Wert gehabt. Drei oder vier Zeilen hätten das allen Lesern im Nachhinein verständlich gemacht. Dass das nicht geht, finde ich, ehrlich gesagt, etwas bedauerlich.

(Demonstrativer Beifall von der CDU)

Ich weiß nicht, wem da ein Zacken aus der Krone gefallen wäre, wenn man das geringfügig geändert hätte. Das wäre in drei Sätzen möglich gewesen. Es ist mir nicht ganz klar, aber sei’s drum.

In der materiellen Substanz ist der Gesetzentwurf in Ordnung. Deshalb werden wir ihn nicht ablehnen, sondern uns wie im Sozialausschuss enthalten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die Landesregierung spricht in Vertretung von Herrn Minister Laumann Frau Ministerin Thoben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir nicht ein Stück hinter der Zeit wären, wäre Herr Laumann noch hier gewesen. Wir bitten um Verständnis, dass er das nicht konnte.

Die Landesregierung war verpflichtet, dem Landtag bis zum 31. Dezember über die Auswirkungen des Gesetzes über den Bergmannsversorgungsschein zu berichten.

In ihrem Bericht kam die Landesregierung zu dem Ergebnis, dass sich das Gesetz bewährt hat. Es eröffnet die Möglichkeit, die notwendigen Anpassungsmaßnahmen im Steinkohlenbergbau mit besonderer Intensität zugunsten von Bergleuten zu unterstützen, die nach längerer bergmännischer Tätigkeit nicht mehr oder nur mit der Gefahr von Erwerbsminderung Unter-Tage-Tätigkeit ausüben können.

Allerdings wurde bei der Untersuchung auch festgestellt, dass redaktionelle Anpassungen an verändertes Bundesrecht erforderlich sind.

Darüber hinaus muss über die Ausgleichsabgabe entschieden werden. Diese Abgabe kann von Unternehmen gleich welcher Branche erhoben werden, die nicht bereit sind, einen ihnen angebotenen Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins zu beschäftigen und die die vorgeschriebene Zahl an

Beschäftigten mit einem solchen Schein nicht erreicht haben.

Um Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen nicht mit zusätzlichen Abgaben zu belasten, wird diese Abgabe schon seit über zehn Jahren nicht mehr eingefordert. Im Übrigens sollen damit Leistungen finanziert werden, für die vorrangig andere Sozialleistungsträger zuständig sind, insbesondere die Bundesagentur für Arbeit.

Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, wenn die Ausgleichsabgabe und die damit im Zusammenhang stehenden Regelungen des Gesetzes gestrichen werden.

Mit der Integration der Zentralstelle für den Bergmannsversorgungsschein in das Integrationsamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe werden neue Chancen eröffnet. Die Landesregierung ist sich sicher, dass hieraus Synergieeffekte erwachsen, die für die besondere Vermittlungstätigkeit und für die Berufsfürsorge mehr bringen als bisher.

Ich freue mich, dass in den Ausschussberatungen weitestgehend Übereinstimmung erzielt werden konnte.

Lediglich der Forderung, die Präambel zu erhalten, konnte die Mehrheit nicht folgen. Die Präambel enthält allgemeine Aussagen, ohne konkrete Rechte und Pflichten zu regeln.

Da wir uns aber in Nordrhein-Westfalen auf die Fahne geschrieben haben, die Anzahl der Normen und den Umfang der Vorschriften allgemein zu reduzieren, sollten wir dies auch hier so halten. Dass sich die Landesregierung ihrer sozialen Verantwortung für die Bergleute bewusst ist, können Sie daran erkennen, dass sie an dem Gesetz über den Bergmannsversorgungsschein festhält.

Ich bitte um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf in der vom Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales beschlossenen Fassung.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Thoben. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur Abstimmung. Zuerst stimmen wir ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/9175. Wer stimmt dem Änderungsantrag der SPD zu? – Die SPD. Wer stimmt dagegen? – FDP und CDU. Wer enthält sich? – Es enthalten sich die Grünen. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/9061, den Gesetzentwurf Drucksache 14/7925 in der vom Ausschuss beschlossenen

Fassung anzunehmen. Wer stimmt dem zu? – CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und bei Enthaltung von SPD und Grünen ist die Beschlussempfehlung angenommen und der Gesetzentwurf in zweiter Lesung verabschiedet.

Wir kommen zu:

15 Planungen für den Rhein-Ruhr-Express: Regional bedeutsame Haltepunkte in Düsseldorf-Benrath, Köln-Mülheim und Wattenscheid dürfen nicht abgehängt werden!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/9065

Für die antragstellende Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Becker das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema RRX hat uns in den letzten drei Jahren in den verschiedensten Facetten immer wieder beschäftigt, unter anderem im Mai 2007 und im Juni 2008.

Im Mai 2007 haben wir hier über die Rahmenvereinbarung gestritten. Im Zusammenhang mit der Rahmenvereinbarung, die vom Landesverkehrsministerium, vom Bundesverkehrsministerium und der Bahn unterzeichnet worden ist, habe ich für unsere Fraktion damals darauf hingewiesen, dass es mit dieser Rahmenvereinbarung mehrere Probleme gibt, zum Beispiel den Wegfall von 7 Millionen Zugkilometern im Fernverkehr und auch den Wegfall von Haltepunkten beim Rhein-Ruhr-Express an den Stellen Wattenscheid, Düsseldorf-Benrath und KölnMülheim.

Insbesondere Düsseldorf-Benrath und Köln-Mülheim sind extrem hoch belastete Pendlerinnen- und Pendlerbahnhöfe. Wenn es tatsächlich dazu kommt, dass diese Bahnhöfe wegfallen, wird das bei den Leuten, die dort fahren, dazu führen, dass sich ihre Fahrzeiten nicht verkürzen, sondern verlängern.

Es wird sich etwas Weiteres ergeben: Es wird sich ergeben, dass die Pendlerinnen und Pendler morgens im Berufsverkehr in überfüllten S-Bahnen zum Beispiel die Haltepunkte Köln-Mülheim und Düsseldorf-Benrath erreichen oder von dort in überfüllten S-Bahnen zu den anderen Haltepunkten fahren müssen.

Ich war erfreut und auch ein Stück weit überrascht, dass dies, nachdem all das hier quasi als grüne Spinnerei abgetan worden ist – und zwar von drei Fraktionen –,

(Beifall von den GRÜNEN)

nunmehr in Köln-Mülheim, Düsseldorf und auch gestern im Kölner Rat völlig anders gesehen worden ist. Ich darf kurz zitieren. Der Rat der Stadt Düsseldorf hat am letzten Montag Folgendes beschlossen:

Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf hält einen Haltepunkt des Rhein-Ruhr-Expresses in Benrath angesichts der regionalen Bedeutung für den Düsseldorfer Süden und die angrenzenden Kommunen, der Anbindung der Unternehmen, der öffentlichen Investitionen für die Attraktivierung des Bahnhofs und des Bahnhofsumfelds für dringend notwendig.

(Beifall von den GRÜNEN)