Es ist durchaus notwendig, dass die Landesregierung Schritte ergreift, damit sich die Situation in unseren Kommunen vor dem Hintergrund dieser dramatischen Wirtschafts- und Finanzkrise nicht noch weiter verschlechtert. Wir befinden uns in einer Phase, in der sich in einigen Gebietskörperschaften unseres Landes Handlungsunfähigkeit abzeichnet, obwohl wir gerade eine konjunkturelle Hochphase hinter uns haben.
Um die Frage zu beleuchten, wer was verschuldet und zu vertreten hat, möchte ich ein paar Dinge aus dem statistischen Teil der hinter uns liegenden Jahre beitragen.
Im Augenblick befinden sich noch ca. 25 % unserer Kommunen in Nordrhein-Westfalen in der Haushaltssicherung, davon ein Großteil sogar immer noch im Nothaushaltsrecht. Die Pro-Kopf-Verschuldung in NRW ist auf die Kommunen bezogen von 2005 bis 2007 um 23,3 % auf 4.236 € gestiegen.
Unsere Städte und Gemeinden sind mit Kassenkrediten in Höhe von nahezu 14 Milliarden € belastet. Das macht beinahe 50 % aller Kassenkredite innerhalb der Bundesrepublik Deutschland aus. Seitens der Regierung und der sie tragenden Fraktionen werden bei Diskussionen dieses Themas immer wieder Hinweise gegeben, seit kurzem unterlägen einige Städte und Gemeinden nicht mehr der Haushaltssicherung. Diese Hinweise sind absolut irreführend. Das hat etwas mit der Umstellung auf das NKF zu tun. Dabei haben wir das Phänomen zu beachten, dass diese Städte und Gemeinden, wenn die Rücklagen im NKF aufgezehrt sind, endgültig vor dem Ruin stehen. Diesen Fakten verweigern Sie sich, indem Sie eine parteitaktische Rede halten, Herr Kollege Löttgen.
Die Schwäche der kommunalen Ebene ist ein generelles Problem und beruht auf der strukturellen Unterfinanzierung unserer Kommunen. Sicherlich gibt es – das verhehle ich nicht – auch im kommunalen Raum an der einen oder anderen Stelle berechtigte Diskussionen über das kommunale Ausgabeverhalten. Nur der gebetsmühlenartig wiederholte Hinweis, wonach den Kommunen deshalb generell die Finanzmisere in die Schuhe geschoben wird, empfinden wir beinahe als zynisch. Das ist wie bei den
jenigen, die am lautesten „Haltet den Dieb!“ rufen. Man muss unter Umständen vermuten, dass von der eigenen Verantwortung für diese Situation abgelenkt werden soll.
Diese Landesregierung hat sich im Windschatten guter konjunktureller Eckdaten – auch für die Kommunen – ungeniert bei diesen Kommunen bedient. Insgesamt sind den Kommunen seit 2005 beinahe 2 Milliarden € entzogen worden. Ich nenne nur eines der Beispiele.
Die Wegnahme der Grunderwerbssteueranteile der Kommunen belastet unsere Kommunen jedes Jahr mit mindestens 540 Millionen €. Das wissen Sie doch genauso gut wie wir, Herr Löttgen.
Das Geld haben Sie den Kommunen in konjunkturell guten Zeiten aus der Kasse genommen. Es fehlt unseren Städten und Gemeinden jetzt.
All das rächt sich jetzt in der schlimmsten Finanzkrise, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland zu erdulden haben.
Werfen Sie bitte einmal einen Blick in das Kursbuch des NRW-Handwerks zu den Kommunalwahlen 2009. Die Organisation ist tatsächlich unverdächtig – insbesondere in Richtung auf die Oppositionsfraktionen –, parteipolitisch zu sein und sich irgendwie einseitig zu orientieren. Gemeinsam mit den Kollegen Lux, Brockes und Becker hatte ich gestern das Vergnügen, bei einer Podiumsdiskussion des nordrheinwestfälischen Handwerks anwesend zu sein. Wir haben eine Broschüre mit Prüfbausteinen für die Kommunalwahl von den Handwerkern bekommen. Ich zitiere daraus:
Die Schwächung der kommunalen Finanzkraft hat dazu geführt, dass kommunale Investitionen von 1992 bis 2006 um 19,1 Milliarden € zurückgegangen sind. In NRW haben sich die kommunalen Investitionen von ursprünglich 6 Milliarden € sogar mehr als halbiert, teilweise mit katastrophalen Folgen für die Auftragslage des Handwerks und des öffentlichen Arbeitsmarktes.
Meine Damen und Herren, zur Sicherung genau dieser von kommunalen Investitionen und Aufträgen abhängigen Arbeitsplätze haben wir das zweite Konjunkturpaket der Bundesregierung begrüßt. Wir haben auch die Umsetzung auf Landesebene als tauglich mitgetragen und durch unsere Zustimmung deutlich gemacht, dass wir das für vernünftig halten. Das konzediere ich hier wieder. Das alleine reicht aber nicht aus. Man kann Gesundbeterei betreiben, wie Herr Kollege Papke das heute Morgen nach dem Motto getan hat: Ich gehe einmal davon aus,
Wenn man sich den Problemen unserer Städte und Gemeinden einmal realistisch stellen will, muss man insbesondere vor den dramatisch einbrechenden kommunalen Finanzen überlegen, was nach dem Konjunkturprogramm kommt. Das ist das, was Herr Kollege Becker mit dem prozyklischen Verhalten gemeint hat. Wenn man den Antrag vernünftig gelesen hat, kann man es auch verstehen.
Wir müssen dafür sorgen, dass kein noch dramatischerer Einbruch bei unseren Kommunen stattfindet, nachdem die Effekte des Konjunkturprogramms spürbar waren. Geringere Einnahmen aus Gemeinschaftssteuern und Gewerbesteuereinbrüche von 20 % werden vermutet. Fragen Sie die kommunalen Spitzenverbände. Proportional dazu werden unsere Kommunen von den steigenden Soziallasten getroffen. Was ist dann mit den notwendigen Investitionen?
Wir haben als Sozialdemokraten in diesem Haus einen Vorschlag unterbreitet. Sie haben den Antrag eben zitiert. Es geht um den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“, um wenigstens dafür zu sorgen, dass die Kommunen in einer solchen Situation nicht zusätzlich durch die Zins- und Tilgungslasten belastet werden.
Aber auch das ist nur ein Teilaspekt. Das haben wir ausdrücklich betont. Wir müssen uns als Parlament des Landes Nordrhein-Westfalen mit der strukturellen Unterfinanzierung unserer Kommunen beschäftigen.
Nur so können wir nachhaltig dazu kommen, dass die Städte und Gemeinden in unserem Land wieder in der Lage sind, auch für den lokalen Arbeitsmarkt, für das Handwerk, für den lokalen Mittelstand nachhaltig Impulse zu setzen.
Auf eines darf ich noch hinweisen – auch rein bilanziell gesehen. Es macht auch und gerade vor dem Hintergrund von NKF überhaupt keinen Sinn, wenn in unseren Städten und Gemeinden kommunales Vermögen im wahrsten Sinne des Wortes verrottet, meine Damen und Herren.
Wir haben an dieser Stelle dankbar zur Kenntnis genommen, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen keine Patentlösungen vorschlägt. Wir verstehen den Antrag als Aufforderung an uns alle, gemeinsam, und zwar schnell und nachhaltig, zu überlegen, wie wir die finanzielle Situation unserer Kommunen dauerhaft verbessern können.
Die Verbesserungsvorschläge des Herrn Innenministers sind spektakulär. Ich erinnere daran, dass wir uns jetzt in den entsprechenden Gremien mit einem neuen Erlass beschäftigen, mit dem der Kre
ditdeckel für Nothaushaltskommunen noch einmal kräftig verschärft werden soll. Meine Damen und Herren, auf die Art und Weise helfen Sie niemandem. Auf die Art und Weise unterlaufen Sie die Effekte unseres Konjunkturpakets.
Ich kann Ihnen nur sagen: An der Stelle wäre ein Verzicht auf den Runderlass eine größere Hilfe gewesen, Herr Innenminister.
(Beifall von SPD und GRÜNEN – Horst Be- cker [GRÜNE]: Nicht nur eine Spaßbremse, sondern auch eine Strukturbremse!)
Wenn man der Überzeugung ist, dass der Staat – das unterscheidet uns sicherlich von Mitgliedern der FDP-Fraktion – in der gegenwärtigen Situation Verantwortung für den Bestand wichtiger Teile unserer Wirtschaft übernehmen muss, dann, meine Damen und Herren, darf man sich einer Erkenntnis nicht verschließen: Für die Unternehmen, den Mittelstand, das Handwerk, die Arbeitsplätze, den sozialen Zusammenhalt, also für quasi alle Menschen in unserem Land, gibt es einen Bereich – ich benutze jetzt ganz bewusst diesen Ausdruck –, der systemrelevant ist. Meine Damen und Herren, systemrelevant für die Wirtschaft sind vor allen Dingen unsere Kommunen. Die wollen und müssen wir gerade jetzt in dieser dramatischen Wirtschaftssituation stärken. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Körfges, wir sitzen doch gemeinsam in der Ifo-Kommission. Das klang vorhin schon an. Da versuchen wir doch nichtöffentlich in einem Gremium herauszufinden, ob, wo und wie wir was an der Gemeindefinanzierung verändern wollen.
oder im Ausschuss mögliche Ergebnisse oder Wunschvorstellungen vorwegnehmen. Haben Sie doch Geduld und warten Sie ab, was da herauskommt!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es steht außer Frage, dass wir alles unternehmen müssen, um die harte und einschneidende Krise aufgrund des internationalen Finanztsunamis abzumildern. Das ist eine Herkulesaufgabe, und zwar für alle öffentlichen Ebenen. Es ist außerdem eine Gratwanderung, einerseits konjunkturstimulierende Ausgaben zu tätigen und andererseits weiter für eine nachhaltige und generationsgerechte Finanzpolitik zu sorgen. Die Ausgaben von heute dürfen eben nicht zu einem Raubzug durch die Handlungsspielräume von morgen führen.