Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

Herr Engel und Herr Löttgen haben zu Recht darüber gesprochen, dass wir uns über die Gemeindefinanzen schon ein bisschen länger unterhalten und dass wir in Sachen Ifo-Gutachten und LenkGutachten zu den Kosten der Deutschen Einheit in zielführenden Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden stehen.

Mir ist nur wieder aufgefallen, dass plötzlich wieder das Klagelied über die eingebrochene Gewerbesteuer begonnen hat. Das finde ich immer prächtig. Ich habe den kommunalen Vertretern in all diesen Jahren gesagt: Es kann auch mal wieder anders kommen. – Keiner ist bereit, in Zeiten guter Gewerbesteuereinnahmen über die Abschaffung dieser „Achterbahn“-Steuer zu diskutieren. Dabei ist nur durch eine Ersatzlösung, die natürlich im Rahmen einer großen Gemeindefinanzreform erfolgen muss, eine planbare dauerhafte kommunale Finanzierung sicher.

Dieses Auf und Ab bei der Gewerbesteuer ist schädlich für die Planung in den Kommunen. Das wissen Sie alle, verweigern sich aber einer neuen Reform. Jeder Kämmerer, jeder Bürgermeister hängt in guten Zeiten an der Gewerbesteuer. Wenn es aber schlecht läuft, dann wird darauf herumgeprügelt. So wird das immer sein. Deshalb müssen wir in eine vernünftige und grundlegende Reform einsteigen. Nur das wird eine dauerhafte Lösung sein, nicht aber kurzatmige Vorschläge wie in dem grünen Antrag. – Vielen Dank.

Danke schön, Herr Minister Wolf. – Herr Jäger für die SPDFraktion ist der nächste Redner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da unsere Fraktion nur noch sehr wenig Redezeit zur Verfügung hat, hatte ich eigentlich nicht die Absicht, noch etwas zu sagen. Aber wenn der für Kommunales zuständige Minister seine bekannten Reden hält, reizt das schon.

Ich würde gerne den Blick in den Rückspiegel wagen und mit Ihnen, Herr Minister Wolf, diskutieren, was in der Vergangenheit war und was in der Gegenwart ist. Nicht nur wegen der begrenzten Redezeit, sondern vor allem wegen der dringenden Probleme der Gegenwart und der Zukunft der Kommunen macht das aber überhaupt keinen Sinn. Deswegen will ich mich darauf nicht konzentrieren und halte es mit Einstein: Was interessiert mich die Vergangenheit? – Ich werde in der Zukunft leben.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Herr Löttgen und Herr Wolf, wir sind an einem Punkt angelangt, an dem die Koalition sich entscheiden muss. Sie muss sich entscheiden, ob sie das akzeptiert, was die Vertreter von kommunalen Spitzenverbänden und Kommunen, was sowohl Bürgermeister von der CDU als auch von der SPD täglich sagen. Sie sagen, dass die Finanzausstattung, die wir den Kommunen zugewiesen haben, nicht dem Kommunalisierungsgrad in NordrheinWestfalen entspricht, mithin der Konzentration von Zuständigkeiten und Aufgaben in den Kommunen und dem, was sie zu leisten haben.

Ihre Schönfärberei, Herr Löttgen, und die Dampfplauderei des Ministers helfen da überhaupt nicht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie müssen entscheiden, ob Sie dieses Problem weiter leugnen oder ob sie es tatsächlich angehen wollen. Eigentlich dürften Sie es nicht leugnen, denn in dem Koalitionsvertrag von CDU und FDP steht, dass wir eine Gemeindefinanzreform brauchen. Der Einzige, der heute die Abschaffung der Gewerbesteuer gefordert hat, war aber bedauerlicherweise der für Kommunen zuständige Innenminister.

Wenn Sie dieses Problem selbst anerkannt haben, wenn Sie sagen, dass wir eine Gemeindefinanzreform brauchen, und wissen, dass die Finanzausstattung der Kommunen selbst in Hochkonjunkturzeiten nicht ausreicht – erst recht nicht in der Krise, die in den nächsten Jahren zu einem enormen Finanzeinbruch führen wird –, dann grenzt es doch an Arbeitsverweigerung, wenn Sie nichts tun.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Koalition und der zuständige Minister wollen überhaupt nicht regieren. Im Gegenteil: Statt das

Problem auch nur ansatzweise anzugehen, verschärfen sie es. Die Koalition und Herr Minister Wolf haben in die kommunalen Kassen gegriffen und seit 2005 2 Milliarden € aus ihnen herausgeholt. Damit wurde das Problem noch verschärft.

(Beifall von der SPD)

Wir werden uns noch lange im Kreise drehen, wenn Sie diese Tatsachen nicht langsam anerkennen. Die Kommunen können sich vielfach nicht mehr aus eigener Kraft aus ihren Schulden befreien, und zwar selbst dann nicht, wenn es einen Mentalitätswechsel gäbe, Herr Engel. Daher ist es jetzt, am Rande einer drohenden Krise, bei großen Mindereinnahmen an der Zeit, dass die Koalition endlich einmal Vorschläge macht.

Wir haben das mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen getan. Sie mögen vielleicht nicht unserer Meinung sein. Dann sind Sie aber erst recht in der Verantwortung, einen besseren Vorschlag zu machen.

(Beifall von der SPD)

Das, was Sie heute abgeliefert haben, ist angesichts der Situation in den 396 Kommunen in Nordrhein-Westfalen, …

Herr Kollege Jäger.

… angesichts der Dramatik der Finanzkrise für die Kommunen nur noch als erbärmlich zu bezeichnen

(Beifall von der SPD)

und schlichtweg eine Arbeitsverweigerung des zuständigen Fachministers.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Jäger. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt noch einmal der Abgeordnete Becker das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund der begrenzten Zeit will ich nur noch auf einige wenige Punkte eingehen.

Wer meint, das Problem in der Ifo-Kommission lösen zu können, hat nicht verstanden, worüber in dieser Kommission geredet wird. In der IfoKommission geht es im Wesentlichen um die horizontale Verteilung zwischen den Kommunen, und zwar mittelfristig. Mir und meiner Fraktion geht es um die besondere Krisensituation der nächsten beiden Jahre.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

So, wie die Zeitplanung der Ifo-Kommission angelegt ist, wird sie Vorschläge vorlegen, die allerfrühestens für das Jahr 2011 relevant sein werden; das wissen Sie. Mithin geht Ihr Einwand fehl.

Ich möchte noch eine Bemerkung zur Reform der Gemeindefinanzen machen. Glauben Sie – abseits jeder parteipolitischen Polemik, völlig unabhängig davon, wer ab der nächsten Bundestagswahl regiert – ernsthaft, dass in diesen Krisenzeiten die vertikale Verteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen nach den Wahlen vom Bund oder von den Ländern zugunsten der Kommunen im Rahmen einer grundsätzlichen Reform neu bestimmt würde?

Abgesehen davon, dass ich Ihre Vorstellungen in der Sache für völlig falsch halte, abgesehen davon, dass die Gewerbesteuer bei aller Kritik zwar nicht in jedem Jahr, aber immerhin über die Jahre hinweg eine stetige Einnahmequelle ist, glaube ich vor dem Hintergrund der Krise nicht an eine Reform zugunsten der Kommunen in den nächsten Jahren. Deswegen sind die Kommunen gut beraten, sich nicht ohne Not auf Ihre Vorstellungen einzulassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte gerne noch etwas zu den Kassenkrediten sagen, die Sie, Herr Wolf, immer wieder gerne ansprechen. Ich wiederhole gerne noch einmal die Fakten: Den Kommunen vor dem Hintergrund von 8 Milliarden € Steuermehreinnahmen etwas von dem wegzunehmen, was ihnen zusteht, und den Umfang der Kassenkredite der Kommunen in den letzten dreieinhalb Jahren um über 5 Milliarden €, also um über 50 %, nach oben zu treiben, ist ein Bubenstück, und zwar ein negatives zulasten der Kommunen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

In diesen Zusammenhang passt auch der Hinweis, dass Ihr ewiges Lied in Bezug auf die Nothaushaltskommunen fehlgeht. Ich schließe mit Ihnen heute gerne eine Wette ab, dass unabhängig davon, wer regiert, vor dem Hintergrund der Gemeindefinanzen, wie Sie sie jetzt gestaltet und hinterlassen haben, die Zahl der Nothaushaltskommunen Ende des Jahres 2010 doppelt so hoch sein wird wie heute. Sie wissen, dass das systemisch mit dem Verzehr der Ausgleichsrücklage, der nachlaufenden GfGFinanzierung und den Zuweisungen mit all den Problemen, die ich eben beschrieben habe, begründbar ist.

Herr Löttgen, wenn Sie nicht verstehen, dass das ein prozyklisches Verhalten ist, das wir auch im Sinne der Wirtschaft gemeinsam bekämpfen müssen,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

sollten Ihre Partei und Ihre Fraktion einen anderen auf diese Position setzen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Ewald Groth [GRÜNE]: Richtig!)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Doch, Herr Innenminister. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon bezeichnend, wenn Kollege Jäger mit der Vergangenheit nichts zu tun haben will. Das verstehe ich; das ist auch peinlich, wenn man daran erinnert wird. Denn es ist klar, dass eine neue Regierung, die nur wenige Jahre im Amt ist, nicht all die Trümmer wegräumen kann, die ihr von ihren Vorgängern in den Weg gelegt worden sind.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das ist orga- nisierte Faulheit, was Sie machen!)

Wenn Sie sich in irgendeiner Weise brüsten, Sie hätten vorher etwas richtig und gut gemacht, habe ich Ihnen dezidiert dargelegt, dass es gerade Ihr Verhalten gewesen ist, das letztendlich zu den Problemen geführt hat.

Sie behaupten, die Kommunalisierung sei schuld.

(Horst Becker [GRÜNE]: Was haben Sie ei- gentlich die letzten vier Jahre gemacht?)

Ich erinnere mich, dass es in Ihrer Regierungszeit verfassungsgerichtliche Verfahren gegeben hat, in denen Sie bestätigt worden sind. Dieser Gemeindefinanzausgleich ist also offensichtlich rechtmäßig gewesen. Wieso der dann, kaum, dass Sie abgewählt sind, unrechtmäßig sein soll, das müssten Sie noch mal erklären.

Zum Thema Gemeindefinanzreform eine ganz klare Botschaft: So etwas ist nur unter Einbezug des Bundes möglich. Das haben wir immer gesagt, und auch nur so ist der Koalitionsvertrag zu verstehen gewesen.

Ihr Hohes Lied auf die Gewerbesteuer ist sprichwörtlich, wird aber der Faktenlage nicht gerecht. Wer sich ein bisschen länger im kommunalen Geschäft aufhält, weiß: Diese Probleme mit der Achterbahnsteuer sind schon seit Jahren und Jahrzehnten vorhanden; einige wenige Kommunen profitieren – manchmal sehr stark –, andere aber nicht. Was da an Planbarkeit herausgelesen werden soll, erschließt sich mir nicht.

Zu den Supervorschlägen der SPD, schnell einmal ein 5 Milliarden-Programm über ein Defizit des Landes aufzulegen: Wir tragen für Land und Kommunen Verantwortung. Herr Linssen und ich haben immer deutlich gemacht, dass das nach der Verfassung eine Abwägung erfordert. Er hat Ihnen auch immer wieder klar und deutlich die Parameter für die Landesfinanzen und die Kommunalfinanzen vorge

tragen. Wir haben danach sehr sorgfältig abgewogen.