Protokoll der Sitzung vom 27.05.2009

Und was macht Weisweiler dann? –

(Zuruf von der SPD: Tja!)

Weisweiler steigt entweder in Dumpingpreise ein – dann bezahlt es der Gebührenzahler –, und irgendwann wird die Anlage pleitegehen – dann bezahlt es auch der Gebührenzahler –, oder sie versuchen, europaweit Müll zu finden, sodass wir wieder mehr Transporter auf der Straße hätten.

(Zustimmung von der SPD)

Die modernen Anlagen sind noch nicht alle abbezahlt. Und auch hier wird es zu einem Preisunterschied kommen. Denn während zum Beispiel Weisweiler im Jahr 2017 und Köln im Jahr 2018

abbezahlt sind, sind andere, nicht ganz so moderne Anlagen schon abbezahlt, können also auch andere Preise auf dem Markt anbieten.

Was bedeutet das jetzt? – Das bedeutet unter anderem auch, dass in vielen alten Anlagen notwendige Modernisierungen nicht durchgeführt werden, weil die Betreiber alter Anlagen sich fragen: Wie soll ich wissen, woher mein Müll in Zukunft kommt? Also mach ich das lieber nicht; meine Anlage ist abgeschrieben. Ich kann damit noch Geld verdienen, also senke ich mal den Preis. Wenn dafür der Müll 120 km in Nordrhein-Westfalen auf der Straße transportiert werden muss, dann ist mir das relativ egal.

Fazit der Planung der Landesregierung ist eigentlich: Mülltourismus wird deutlich zunehmen, der Müll kommt wieder auf die Straße, Gebühren werden für viele steigen und für wenige sinken, es wird zwei Klassen von Gebührenzahlern geben, und das Preisdumping geht auf Kosten der Umwelt.

Wir fordern: Stellen Sie die Abfallwirtschaftsplanung auf nachvollziehbare Grundlagen. Hören Sie auf die kommunalen Spitzenverbände und den VKS Nordrhein-Westfalen. Rechnen Sie die Konsequenzen des Landesabfallplanes einmal richtig durch. Nehmen Sie Abstand von der Streichung der Zuweisungspflicht. Schreiben Sie bestehende Abfallpläne fort. – Dieser Entwurf gehört stofflich, weil er Papier ist, in die Wertstofftonne, inhaltlich gehört er in die Mülltonne. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Gatter. – Für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Hubert Schulte das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD lautet: „Landesregierung muss sich Konsequenzen ihres Abfallwirtschaftsplans stellen.“ – Ja, selbstverständlich stellen wir uns. Wir, die Koalitionsfraktionen, stehen hinter dem Entwurf.

Denn mit der Vorlage des Entwurfs für einen Abfallwirtschaftsplan Nordrhein-Westfalen gehen wir einen Schritt zur Weiterentwicklung der Abfallwirtschaft in Richtung einer ökologisch verantwortbaren, ökonomisch tragbaren und sozial akzeptablen Kreislaufwirtschaft. Dazu gehört auch eine wettbewerbsorientierte Ausrichtung.

Wir haben landesweit für alle MVAs die gleichen Umweltstandards. Das schreibt die entsprechende Gesetzgebung vor. Es gibt keinen Unterschied in den Anforderungen – egal, ob die MVA im Osten oder im Westen des Landes steht. Oder wollen Sie ernsthaft behaupten, dass es in NRW MVAs gibt, die die geforderten Umweltauflagen nicht erfüllen?

Da dies nicht so ist, stellt sich natürlich die Frage: Warum sind die Gebührenunterschiede bei den Anlagen so hoch? – Der extreme Unterschied bei den Gebühren der landesweit 16 Müllverbrennungsanlagen ist schon erklärungsbedürftig. Damit das ein für alle Male klar und deutlich herausgestellt wird: Ein Preisdumping auf Kosten der Umwelt wird es von uns nicht geben und wird von uns nicht geduldet.

Meine Damen und Herren, im neuen Abfallwirtschaftsplan ist die Beseitigung der Abfälle in der Nähe des Entstehungsortes vorgesehen. Der von Ihnen an die Wand gemalte Mülltourismus ist ein von Ihnen aufgebautes politisches Szenario. Es entbehrt jeder Realität.

(Stephan Gatter [SPD]: Das könnte Realität werden! – Svenja Schulze [SPD]: Stellen Sie sich doch mal dem Planspiel!)

Allein aufgrund wirtschaftlicher Zwänge ist dies schon nicht zu erwarten. Denn es ist bekannt: Jeder Kilometer zusätzlicher Transport führt auch zu zusätzlichen Kosten.

Meine Damen und Herren, der Schwerpunkt unserer Abfallpolitik liegt in der Vermeidung und dort, wo dieses Ziel nicht umgesetzt werden kann, in der Verringerung von Abfall. Sollte auch dies nicht möglich sein, so legen wir Wert darauf, dass verwertet wird. Um das Ziel zu erreichen, wird von uns die Entwicklung abfallarmer und langlebiger Produkte unterstützt.

Für uns steht die Vermeidung von Abfall und nicht die Auslastung von Kapazitäten in den Müllverbrennungsanlagen im Vordergrund unserer Politik. Dabei sind wir uns bewusst, dass jede Tonne Abfall, die nicht entsteht, gleichzeitig den Müllverbrennungsanlagen als Brennmaterial verloren geht.

Ebenso stehen wir dazu, dass andere umweltverträgliche Verwertung den Vorzug vor der Verbrennung in MVAs erhalten soll.

Meine Damen und Herren, bisher war die Vermeidung oder, wo dies nicht geht, die Verringerung von Abfall – so haben wir es zumindest gesehen – das gemeinsame Ziel aller im Landtag vertretenen Fraktionen. Wenn diese Politik nun Wirkung zeigt und dazu führt, dass nicht mehr genug Material für die Verbrennungsanlagen vorhanden ist, dann sollten wir stolz darauf sein. – Wir sind es!

(Zuruf von Stephan Gatter [SPD])

Natürlich kann das auch dazu führen, dass landesweit ein Überhang an Verbrennungskapazität entsteht. Dies wiederum darf aber doch nicht dazu führen, dass durch entsprechende Reglementierung alle MVAs zwangsgebunden am Markt gehalten werden müssen.

Meine Damen und Herren, durch mehr Wettbewerb erwarten wir eine Senkung der Müllgebühren. Da

her werden wir uns bei den anstehenden Beratungen in den Ausschüssen entsprechend auch dafür einsetzen.

Wir werden Wert darauf legen, dass Regelungen vorgesehen werden, die die Bildung von wettbewerbsunterbindenden oder -einschränkenden Verbindungen sowie Monopolen verhindern. Wir sind der Meinung, dass unsere Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf haben, bei Einhaltung hoher Umweltstandards möglichst geringe Gebühren zu zahlen.

Die Überschrift Ihres Antrags, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, erweckt den Anschein, als wollten Sie hohe Müllgebühren auf Dauer festschreiben. – Das kann es doch wohl nicht sein.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP] – Ste- phan Gatter [SPD]: Das ist doch Unsinn!)

Wir werden Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Kollege Schulte. – Herr Ellerbrock von der FDP spricht jetzt.

(Stephan Gatter [SPD]: Erzählen Sie jetzt auch so einen Unsinn?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entsorgungssicherheit war ein wichtiges Standbein der nordrhein-westfälischen Entsorgungswirtschaft. Entsorgungssicherheit ist in Nordrhein-Westfalen heute gewährleistet.

Anfang der 80er-Jahre wurde deutlich: Ein Entsorgungsnotstand droht. Es musste Investitionssicherheit insbesondere für Müllverbrennungsanlagen geschaffen werden. Deswegen war es damals notwendig, Einzugsgebiete festzulegen. Einzugsgebiete wurden aber nicht überall festgelegt, sondern nur in den Bereichen Köln, teilweise in Düsseldorf; Arnsberg, Detmold und Münster hatten immer eine andere Vorstellung. Einzugsbereiche konnten festgelegt werden, sie wurden aber nicht zwingend festgelegt.

Meine Damen und Herren, wenn wir heute weniger Müll haben, als wir noch vor zehn bis 15 Jahren dachten, dann ist es doch ein toller Erfolg, dass damit die ersten drei Vs – vermeiden, vermindern, verwerten – der sechs Vs der Abfallwirtschaft in Erfüllung gegangen sind, was dazu führt, dass heute weniger Abfälle in die Verbrennung gelangen. Was die beiden letzten Punkte – vergraben und vergessen – betrifft, so sind sie nicht ganz so erfreulich.

Meine Damen und Herren, dass wir heute weniger Müll haben, ist ein Erfolg der Abfallwirtschaft. Das muss man ganz deutlich sagen. Wenn wir heute einen Nachfragemarkt haben – das heißt, dass sich der Nachfrager die Anlage aussuchen soll –, dann

ist es doch nur ganz vernünftig. Es ist doch logisch, dass sich die Kommunen, die früher bei einer Müllverbrennungsanlage zugegriffen haben, die hohe Preise nehmen konnte, weil der Markt das hergab, heute eine andere Entsorgungsstruktur suchen. Das ist doch ganz vernünftig, und deswegen begrüße ich ausdrücklich, dass wir mehr privatwirtschaftliche, mehr marktwirtschaftliche Instrumente bekommen.

Meine Damen und Herren, derjenige – das lehrt doch die Lebenserfahrung –, der ein festes Einzugsgebiet hat, wird anders kalkulieren als derjenige, der sich am Markt bewegen muss. Meine Damen und Herren, die Kämmerer sind sehr kreativ; sie werden die Öffentlichkeit und die Politik nur so weit informieren, wie es der Durchsetzung der eigenen Interessen dient. Das ist einfach so. Hier muss Markttransparenz geschaffen werden. Das tut dem Bürger gut, denn er muss die Entsorgungsgebühren bezahlen. Das zahlt nicht irgendjemand. Das zahlen wir alle – jeder Bürger – durch unsere Entsorgungsgebühren. Entsorgungskosten sind Bürgerkosten, und deswegen ist es gut, dass wir da Markttransparenz schaffen.

Meine Damen und Herren, was heißt denn dieser Antrag der SPD und der Grünen? – Wir sagen eindeutig: Lasst den Kommunen die Freiheit, ihren Entsorgungsweg selbst zu suchen. Lasst den Kommunen die Entscheidungsfreiheit!

Aus Sicht der SPD ist das der Untergang des Abendlandes. Ob einer solchen Ansicht würde sich Klaus Matthiesen, der diese Entsorgungsstruktur in Nordrhein-Westfalen mit aufgebaut hat, heute im Grabe umdrehen. Er hat immer zu Recht vertreten: die Entsorgungsverantwortung bei den Entsorgungspflichtigen. Sie sollen sich aber selbst ihren Dienstleister aussuchen können. Sie sollen selbst sagen: Übernehme ich die Aufgabe selbst oder suche ich mir einen Dritten? Die Entsorgungsdienstleister sollte man sich selbst aussuchen können.

Dieser Antrag der SPD zeigt eindeutig nach vorne in die Vergangenheit zurück. Das kann nicht richtig sein. Sie wollen – und darum geht es im Kern – sozialistische Planwirtschaft.

(Zuruf von Stephan Gatter [SPD])

Und wir sagen: Jawohl, es ist richtig, mehr Marktwirtschaft auch im Bereich der Entsorgungswirtschaft!

Nun beschweren sich drei Müllverbrennungsanlagen – Weisweiler, Bonn und Krefeld –, die ihre Anlagen nicht im notwendigen Umfang abgeschrieben haben und Claims haben möchten. Ja, sie fordern sogar: Wir müssen das Entsorgungsgebiet für den Abschreibungszeitraum unserer Anlagen, also für die nächsten 25 Jahre, haben. – Kämen wir dem nach, hieße dies, wir würden das auf immer und ewig festschreiben. Denn es gibt ja auch Anlagen, die nachgerüstet werden müssen. Die müssten

dann ja auch wieder für 25 Jahre das Entsorgungsgebiet festgeschrieben bekommen. – Das sind doch Methoden aus dem allerletzten Jahrhundert. Das kann gar nicht sein.

Diesen drei Müllverbrennungsanlagen stehen die Kommunen entgegen, die entsorgungspflichtigen Körperschaften, die jetzt den Markt nutzen wollen, um für ihre Bürger Marktpreise zu kalkulieren.

(Stephan Gatter [SPD]: Alles nur Profiteure! – Svenja Schulze [SPD]: Auf Kosten der Verbraucher!)

Es stehen die Anlagen entgegen, die besonders effektiv arbeiten. Das sind die Anlagen, über die keine Quersubventionierung betrieben wird. Markt heißt auch: keine Quersubventionierung, sondern ehrliche Kostenzurechnung.

Und, wie gesagt: Die Forderung, Zwangszuweisung nach Abschreibungszeiträumen für immer festzuschreiben, geht mit uns mit Sicherheit nicht!

Meine Damen und Herren, die Probleme, die bei den Anlagen Bonn, Weisweiler und Krefeld auftreten, sind vor Ort zu besprechen. Da muss man Lösungswege finden. Gleichwohl ist die Zielrichtung, mehr Markt in der Abfallwirtschaft, mehr privatwirtschaftliches Engagement in der Abfallwirtschaft, richtig.