Protokoll der Sitzung vom 24.06.2009

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wir denken ja ans Arbeiten!)

Herr Kollege Brockes, Sie haben einige absolut richtige Fragen gestellt, die ich genauso stellen würde, deren Antworten in dem Gesetz nicht enthalten sind, wo man konsequenterweise sagen muss: Dann ist dieses Gesetz, was ja final beschlossen werden sollte, aus meiner Sicht schlampig und schluderig gemacht. Es ist versucht worden, Schleswig-Holstein und andere zu überrumpeln, andere Interessen hintanzustellen und ganz einseitig den Tenor zu legen.

Sie haben das Problem absolut richtig angesprochen: dass die Haftung für die Ewigkeitskosten, für das Risiko und praktisch für die Sicherung dieses Geländes bei Schleswig-Holstein abgelagert werden soll, wo doch jedes Jahr 200, 300 Millionen t CO2 allein aus NRW und zusätzliche Mengen aus anderen Bundesländern, aber nur ein minimalster Anteil von 1 %, 2 % aus Schleswig-Holstein selbst kommen würden; dann ist es doch zutiefst unanständig, dass der Bundesgesetzgeber ein Gesetz macht, in dem es heißt: 30 Jahre, nachdem die Unternehmen verdient haben, nachdem die RWEAktionäre und alle anderen ihr Geld bekommen haben, trägt das Land Schleswig-Holstein alle Risiken und Folgekosten. Das ist zutiefst unanständig. Das Mindeste – wenn man es denn in Berlin gemacht hätte –, was man hätte sagen müssen, wäre gewesen, dass der Bund Risiken und Folgekosten übernimmt. Sie hätten auch anteilig auf die CO2 liefernden Länder umgelegt werden können. Richtig aber wäre es eigentlich, dass die Unternehmen, die mit der Technik Geld verdienen, auch die Haftung dafür tragen. So gehört es sich eigentlich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist kein Erfolg, wenn man aus 20 Jahren 30 Jahre macht. Das ist nicht korrekt. Das müssten ganz andere Zeiträume sein. So dürfen die da nicht herauskommen. – Die Fragen hat Herr Brockes richtig gestellt.

Zu den Fragen des Eigentumsrechts. Wir wissen doch, dass bei den Landwirten in SchleswigHolstein die Erkundungstrupps von RWE und ande

ren über die Felder gelaufen sind und sich die Bauern gewundert haben, was bei ihnen auf einmal los ist. Dann ist ihnen erklärt worden: Hier unten wird demnächst praktisch der Abfall aus NordrheinWestfalen und anderen Bundesländern eingelagert. Freut euch darüber! Oben drüber hat Peter Carstensen seinen Wahlkreis. Region Nordfriesland erklärt sich zu 100 % regenerativ unabhängig und bekommt jetzt unten die größte Müllkippe reingedrückt, die man sich vorstellen kann. Dass das keine Freude macht, ist doch ganz eindeutig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Thoben, wenn ich Sie höre mit „bundesweit organisierter Widerstand“: Früher ist das anders ausgedrückt worden, da waren es Chaoten und Demonstranten und sonst etwas. Man muss zur Kenntnis nehmen: Wenn man eine Abfalldeponie für eine Million Jahre errichten will, kann man das nicht gegen die Bevölkerung, die darüber leben soll, die die Risiken, die ja nicht zu bestreiten sind, die eventuell vorhanden sind, aushalten muss, tun. Das kann man so nicht machen, und das ist versucht worden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist zum Glück gescheitert.

Herr Kollege Weisbrich, es war doch nun wirklich platt, wenn Sie eben gesagt haben, Sie verständen nicht, dass explosives Gas nach Bergrecht gelagert werde, aber dieses harmlose, nicht explosive Gas, was schwerer sei als Luft und doch da unten bliebe, nach Abfallrecht entsorgt werden müsste.

Erstens ist es Abfall und zweitens wissen Sie genau: Es bleibt nicht unten. Das ist doch der Punkt, das ist doch das Risiko dabei. Es wird mit 200 Bar eingepresst, es steht unten unter erheblichem Druck. Keiner von uns weiß, wie die salinen Aquifere Norddeutschlands, wenn dann Millionen von Tonnen jedes Jahr hineingepresst werden, tatsächlich reagieren.

Deswegen ist richtig: Man muss es erkunden. Es kann sein, dass es für Teilbereiche eine der wenigen Notlösungen ist, die wir haben. Deswegen sind Versuchsobjekte ja durchaus richtig. Aber warum soll ein nordrhein-westfälisches Kraftwerk über eine 550 km lange Pipeline und nicht ein Kraftwerk, was in Schleswig-Holstein sowieso gebaut wird – oder ein Chemie- oder ein Stahlbetrieb, ein Zementwerk –, angeschlossen werden, um das auszuprobieren und zu prüfen:

Verträgt der Untergrund Millionen von Tonnen Einlagerungen in kürzester Zeit? Kann er diese Einlagerungen aufnehmen? Oder verklebt der gesamte Untergrund? Das ist doch kein leerer Hohlraum. Das sind Aquifere, es sind poröse Gesteine, aus denen in bestimmten Bereichen Gas entwichen ist, wo sich das aber wieder einlagern muss. Wenn ich das mit hohem Druck einpresse, kann es sein, dass

mir die Peripherie um das Bohrloch herum relativ schnell verklebt und es dann gar nicht geht. Dann bohre ich alle 30 Meter Löcher.

Ich möchte noch einmal daran erinnern: Wir haben uns mit der Frage im Wirtschaftsausschuss sachlich und intensiv und auch im Rahmen einer sehr guten Anhörung befasst. Wir reden ja nicht das erste Mal darüber. Es gab Vorschläge, auch in unverritztes Kohlegebirge zu verpressen. Wir waren mit dem Ausschuss für Bergbausicherheit beim Geologischen Dienst. Da haben uns die RAG-Kollegen selber gesagt: Unverritztes Kohlegebirge ist technisch nicht machbar, weil der Aufwand, das einzupressen, so immens hoch ist.

Es gibt also ganz viele technische Fragen, die noch gelöst werden müssten. Ich habe es vorhin gesagt:

Es kann sein, dass wir in eine Notsituation kommen, dass wir in bestimmten Teilbereichen der Industrie aus internen Gründen – ich kann die Stahlindustrie optimieren – irgendwann an einen Punkt kommen, bei dem wir nicht mehr CO2 in dem Prozess einsparen können, weil wir es ausgereizt haben. Dann kann es sein, dass man zu solchen Lösungen greifen muss. Dafür muss man forschen und untersuchen. Aber jetzt ein Gesetz zu machen, dass das auf Dauer mit Priorität für die Stromerzeugung regelt, alles andere wegzuwischen und enteignungsähnlich über die Bewohner hinwegzugehen, das wird nicht tragen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen ist es gut, dass es verschoben ist. Das bietet die Chance, etwas anderes daraus zu machen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Priggen. – Für die FDP spricht nun Herr Ellerbrock.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben hier im Hause in einem Bereich, glaube ich, die gemeinsame Überzeugung: Wenn wir Klima und Wirtschaft nennen, hat das immer etwas mit Energieeinsparen zu tun, hat das immer mit Energieeffizienz zu tun. Wir haben ein gemeinsames, mengensteuerendes System: Emission Trading, Energiehandel. Jetzt müssen wir überlegen, wie wir das bewältigen. Darauf hat der Kollege Weisbrich schon hingewiesen.

Eine dieser Techniken, die derzeit für einen begrenzten Zeitraum als sehr sinnvoll erscheint, ist die CCS-Technik. Da muss man von der technischen Seite her fragen: Wo sind Probleme?

Wir haben heute Erdgasspeicher. Da ziehen wir Gas heraus und lagern auch wieder etwas zwischen. Bei der CCS-Technik haben wir ein Problem

für einen sehr viel längeren Zeitraum. Das ist das technische Problem, von dem ich ausgehe, dass es sehr wohl gelöst werden kann.

Ein ganz anderes Problem, das wir haben und das uns hier in großem Umfange beschäftigt, ist: Wie bringen wir diese Sache der Bevölkerung näher? Da war die Diskussion, die hier geführt wurde, für mich nur wahlkampfgeprägt. Ich habe mich gefragt: Zu wessen Nutzen soll das eigentlich sein? Das habe ich einfach nicht verstanden.

Kollege Priggen – Sie haben recht; auch ich sehe das –, bei 30 Jahren Haftung müssen wir uns überlegen, ob das im Sinne eines gerechten Lastenausgleichs für Schleswig-Holstein machbar ist. Da hätte man sicherlich vorher auf offener Bühne oder hinter der Bühne überlegen müssen, wie man hier zu einem gerechten Lastenausgleich kommen kann. Das sehe ich ein.

Wenn Sie jetzt allerdings sagen, dass man auch die Wirtschaft einbeziehen muss – auch das ist berechtigt –, dann sage ich Herrn Carstensen, der da oben in einem CO2-freien Kreis sitzt: Die zusätzlichen Leistungen, die die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher für Windkraft zahlen, möchte ich gerne anders umgelegt haben,

(Beifall von der FDP)

denn da hat er ja Vorteile. Und wie ist das denn mit den Leitungsnetzen, die für Windkrafteinspeisungen gebaut werden müssen und die wesentlich teurer als üblich sind? Da ist ja schon ein Leistungsausgleich. Das darf man also nicht so einseitig sehen.

Ein zweiter Punkt ist für mich völlig unverständlich. Wie kann man draußen sagen: „Hier habe ich ein Kraftwerk, bei dem ich in besonderem Maße die neue Technik ausprobieren will“, und sich erst dann, wenn man an einen Punkt kommt, an dem man einspeisen muss, fragen, wie man die Verbindung dazwischen hinbekommt, die 530 km lange Trasse? Da muss ich mit den Leuten vorher reden. Ich kann nicht einfach sagen: Hier werden wir die Leistungstrasse ziehen.

Wenn man sich dann einmal vor Augen hält, wie von interessierter Seite mit der Angst der Menschen Politik gemacht wird nach dem Motto „Das ist ein Todesgas, ihr werdet bald sterben; CO-Leitung, ich hör dir trapsen“ dann muss man sagen: Hier fehlt es der Wirtschaft an einer langfristig orientierten Kommunikationsstrategie, um sachlich aufzuklären, mit den Betroffenen zu reden, um solchem aus meiner Sicht verantwortungslosen Handeln vorzubeugen.

Meine Damen und Herren, die Untersuchungen müssen transparent durchgeführt werden. Es muss einen gerechten Leistungsausgleich und eine vernünftige Kommunikationsstrategie geben.

Jetzt zu Ihnen, Herr Groschek. Herr Groschek, Sie haben hier mit dem Finger auf alle möglichen Kollegen gezeigt und gesagt, der Ministerpräsident habe

hier viel zu wenig gemacht. War es nicht die SPD, die sich im Rahmen des Emissionshandels gegen die Interessen Nordrhein-Westfalens gestellt hat, als es um die Versteigerung ging?

(Beifall von der FDP)

Waren Sie es nicht, die hier gegen die Interessen Nordrhein-Westfalens gehandelt haben?

Bei der CO-Leitung waren wir uns einig, dass das ein wichtiges Infrastrukturelement für unsere Wirtschaft ist. Und wenn die Abgeordneten aller Parteien vor Ort jetzt Schwierigkeiten haben, mag ich das nachvollziehen, wenn nicht genug Rückrat da ist, um sich dafür einzusetzen. Aber wenn eine stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD hier im Landtag für das Gesetz stimmt und in Duisburg Gedenksteine – wofür setzen wir Gedenksteine? – zugunsten des Widerstandes gegen die CO-Leitung setzt, dann ist das eine andere Hausnummer.

Bevor Sie, Herr Groschek, mit einem Stein in eine Richtung zielen: Ihr ehemaliger Wirtschaftsminister, Ihr ehemaliger Ministerpräsident heißt Steinbrück, ist Bundestagskandidat längs der Trasse, geht nach draußen und veröffentlicht in der Presse: Diese Leitung wollen wir nicht haben. – Und das, obwohl er vorher etwas ganz anderes gesagt hat! Vorsicht an der Bahnsteigkante! Vorsicht, wenn man mit Steinen wirft und im Glashaus sitzt! Das ist heuchlerisch! – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Ellerbrock. – Für die SPD spricht nun der Kollege Moron.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetz über die Abscheidung von Kohlendioxid bei der Verbrennung von Braunkohle ist nicht gescheitert, weil dieses Gesetz angeblich Schwächen hat. Dieses Gesetz ist im Augenblick gescheitert, weil es in der örtlichen Bevölkerung, dort, wo dieses Kohlendioxid eingeleitet und gelagert werden soll, Widerstand gibt.

In dem Zusammenhang hat Mike Groschek völlig recht, wenn er sagt: Das ist schon ein merkwürdiges Unternehmen, das plötzlich festgestellt, von einem solchen örtlichen Widerstand überrascht zu sein. Aus vielen Gesprächen mit den Verantwortlichen bei RWE über die Problematik des Gewinnens von Bereitschaft und Akzeptanz bei der Bevölkerung weiß ich: Sie sind gar nicht überrascht; darüber war man sich da immer im Klaren. Sie sind vielleicht ein bisschen überrascht, dass die Politik jetzt dem örtlichen Widerstand nachgibt. Aber über den örtlichen Widerstand war man sich von Anfang an vollständig im Klaren. Das bedarf einer großen Überzeugungsarbeit. Das hat RWE bislang, glaube ich, nicht hinreichend geschafft.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Sonst würde es diese Probleme im Augenblick nicht geben. Da kann man an RWE nur appellieren, sich da ein bisschen mehr Mühe zu geben

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

und die Bevölkerung von der Notwendigkeit dieser Maßnahme zu überzeugen.

Kohlendioxid bei der Verbrennung von Braunkohle abscheiden zu können, wäre, wenn uns dies großtechnisch gelänge, eine ungeheure Leistung auch für die deutsche Energiewirtschaft und für die deutsche Grundstoffindustrie insgesamt. Das wäre technologisch ein riesiger Sprung.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)