Protokoll der Sitzung vom 24.06.2009

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Und es ist auch eine Frage der Demokratie. Ich bin der Meinung, dass wir den Kommunen nicht von vornherein vorgeben sollten, welche Form sie wählen, sondern dass wir zwar einen Vorschlag machen, von dem sie aber im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung abweichen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist ein Punkt, in dem wir die kommunale Selbstverwaltung ernst nehmen wollen.

Es gibt aber noch unterschiedliche Auffassungen zu der Frage, ob Eingebürgerte mitwählen dürfen sollten. Diesbezüglich haben CDU und FDP sich bewegt, aber leider nur etwas. Sie hätten sich nämlich die einstimmige Auffassung aller Sachverständigen aus den Anhörungen zu Eigen machen können, dass es keine zeitliche Begrenzung für die Wahlmöglichkeit von Eingebürgerten geben sollte.

(Christian Lindner [FDP]: Dafür gab es keine Mehrheit!)

Wir haben das zur Kenntnis genommen und von vornherein so in unserem Gesetzentwurf angelegt. Gerade die CDU-Fraktion hat sich nicht hinreichend klar gemacht, dass die Begrenzung auf fünf Jahre, die nun vorgesehen ist, gerade den Personenkreis, der ihr oftmals besonders am Herzen liegt – die Aussiedlerinnen und Aussiedler –, in dieser Frage besonders benachteiligt. Die Sachverständigen haben sehr deutlich gemacht, dass die Eingebürgerten zwar das passive Wahlrecht haben werden, es aber zukünftig keine nennenswerte Gruppe mehr geben wird, von der sie aktiv mit Stimmen unterstützt werden können. Ich jedenfallls habe keinerlei Verständnis für die Begrenzung auf fünf Jahre in Ihrem Gesetzentwurf.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich habe auch wenig Verständnis dafür, dass Sie nicht unserem Vorschlag folgen, die Wahl zum Integrationsrat zusammen mit der Kommunalwahl stattfinden zu lassen. Das wäre eine klare Aufwertung des Integrationsrates und eine Botschaft nach außen, dass wir die Vertretung der Migrantinnen und Migranten genauso ernst wie unsere Kommunalwahl nehmen und dass wir den Migrantinnen und Migranten nicht zumuten möchten, zu einem späteren Zeitpunkt zu den Wahlurnen gehen zu müssen. Wir möchten eine deutliche Aufwertung der Integrationsräte. Sie hatten nicht die Kraft, dies so in Ihrem Gesetzentwurf zu regeln; das bedaure ich sehr.

Ich komme jetzt zu dem Punkt, der den größten Widerstand bei den jetzigen Ausländerbeiräten auslöst: die explizite Formulierung in Ihrem Gesetzentwurf, dass die Integrationsgremien lediglich beratende Funktion innerhalb des Rates haben dürfen. Es bestehen ernstzunehmende Bedenken, dass die politische Teilhabe von Migrantinnen mit dieser Formulierung in Zukunft stärker eingeschränkt werden soll, statt sie auszubauen und zu erweitern. Im Moment gibt es die Möglichkeit für den Rat, dem Ausländerbeirat Kompetenzen zu übertragen, zum Beispiel bei der Bewirtschaftung eines eigenen Budgets, aber auch in sonstigen Fragen, die Migrantinnen und Ausländer betreffen. Es gibt die Befürchtung, dass das zukünftig ausgeschlossen werden soll.

(Christian Lindner [FDP]: Nein! Falsch!)

Es gibt zwei Lesarten dieses Passus in dem Gesetzentwurf, Herr Lindner. Die eine Lesart ist, dass die genannte Formulierung gar nichts ändert, weil der Rat frei ist, alles, was außerhalb seiner Kernkompetenz liegt, auf Dritte zu verlagern, und dass diese Kompetenz des Rates auch zukünftig nicht durch die genannte Formulierung eingeschränkt werden kann. In diesem Falle wäre die Delegation von zusätzlichen Aufgaben an die Integrationsräte weiterhin möglich. Dann wäre aber die genannte Formulierung in Ihrem Gesetz überflüssig. Wenn wir von dieser Lesart ausgehen, bräuchte man diese Formulierung nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir sind davon ausgegangen und haben diese Formulierung deshalb in unserem Gesetzentwurf gestrichen. Wir Grüne wollen nämlich, dass kein Missverständnis aufkommt. Wir wollen, dass die Integrationsräte so viele Kompetenzen wie möglich in Bezug auf Fragen bekommen, die Ausländer und Migranten betreffen. Wir wollen ihre Stellung und ihre Entscheidungsspielräume stärken.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Wenn man das aber nicht will, bleibt man – wie CDU und FDP es tun – bei der strittigen Formulierung. Damit macht man aber auch deutlich, dass man in Wahrheit keine Stärkung der Integrationsräte will und eine Gesetzesänderung vornimmt, die ihre Stellung eher einschränkt als verbessert.

Meine Damen und Herren, wenn Sie nicht in dieser Weise missverstanden werden wollen und die Beteiligungsmöglichkeiten der Integrationsräte wirklich verbessern möchten, dann gibt es eine ganz einfache Lösung: Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu, oder machen Sie sich ihn zu Eigen.

Frau Kollegin, bitte!

Dann wäre Ihnen die Zustimmung der Lager sicher, und Sie hätten wirklich etwas für die bessere Beteiligung von Migrantinnen und Ausländern getan.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. Jetzt hat Herr Innenminister Dr. Wolf das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Blick auf die vorgerückte Zeit will ich mich auf einige Kernpunkte beschränken. Wir sind uns darin einig, dass wir eine bessere Partizipation der Migranten wollen. Der Gesetzentwurf, den die Regierungsfraktionen sicherlich beschließen werden, ist ohne Zweifel ein Fortschritt in Bezug auf die Partizipation der Migranten.

(Beifall von Christian Lindner [FDP])

Wir haben die kommunale Selbstverwaltung zum Maßstab gemacht; das ist von der Abgeordneten der Grünen dargelegt worden. Es ist aber durchaus spannend, dass die SPD gelegentlich – wenn es ihr passt – die kommunale Selbstverwaltung wie eine

Monstranz vor sich herträgt, aber kneift, wenn es darauf ankommt, und plötzlich gesetzliche Regeln will. In der Frage, ob eine Kommune einen Integrationsrat oder Integrationsausschuss will, kann die Kommune frei entscheiden: Das ist unser Verständnis von kommunaler Selbstverwaltung.

Die Tatsache, dass es eine ganze Reihe von Kommunen in Nordrhein-Westfalen gibt, die auf einem Integrationsausschuss geradezu bestehen,

(Britta Altenkamp [SPD]: Ganze sechs!)

hat uns darin bestärkt, das entsprechende Wahlrecht zu belassen, allerdings – damit kein Patt entsteht – verbunden mit der Regelung, dass im Zweifel ein Integrationsrat eingerichtet werden muss, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen.

Die Frage im Hinblick auf ein Drittel oder zwei Drittel betrifft die Einrichtung und Struktur der Integrationsräte. Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie das ein Problem sein kann. Wenn in der Kommune vor Ort die Freiheit besteht, die Größe im Integrationsrat festzulegen, dann kann es doch jede Kommune so halten, wie sie es möchte. Dann gibt es zum Beispiel auch in einer Stadt, die sich meldet und dieses Recht für sich beansprucht, die Möglichkeit, eine Zweidrittel-/Eindrittelregelung einzuführen. Wo ist also das Problem?

Entscheidend ist, dass alle diese Fragen in den Jahren ab 1994, 1999 und 2004 von der SPD nicht angepackt worden sind.

(Britta Altenkamp [SPD]: Stimmt nicht!)

Sie haben mit einer Experimentierklausel vorsichtig herumlaviert. Jetzt in der Opposition lässt es sich gut klingeln. Sie haben drei Wahlperioden – ab 1994, 1999 und 2004 – verstreichen lassen und kommen jetzt aus den Büschen und machen den dicken Max.

(Britta Altenkamp [SPD]: Sie haben es ver- schleppt!)

Das ist Ihre Leistung. Sie haben es nicht geschafft, und wir regeln die Dinge jetzt.

(Britta Altenkamp [SPD]: Ihr habt doch dage- gen gestimmt!)

Auch hinsichtlich des Wahltermins hat die SPD in den Legislaturperioden ab 1994, 1999 und 2004 die Chance gehabt, die Zusammenlegung der Termine zu regeln. Allerdings hat sie es nicht getan. Es gibt auch einen guten Grund dafür – Sie sehen, ich lobe Sie manchmal sogar –: Wer soll denn über die Frage der Ausgestaltung in einer Wahlperiode entscheiden? Wollen Sie ernsthaft den alten Rat präjudizieren lassen,

(Britta Altenkamp [SPD]: Ja!)

was in der nächsten Wahlperiode des neuen Rates passiert? Ich kann offen gestanden nur sagen: Mit

meinem Verständnis von Selbstverwaltung hat das nichts zu tun.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Ausgestaltung muss eine Aufgabe des aktuellen Rates sein. Und damit ist die Frage des Wahltermins auch geklärt.

Dritter Punkt: Wahlrecht. Es ist zu Recht gesagt worden, passives Wahlrecht sei eh kein Problem. Aber auch zum aktiven Wahlrecht wird mit leichter Hand gesagt, das sei kein Thema. Meine Damen und Herren, die Durchbrechung des Grundsatzes des aktiven Wahlrechts nur für Ausländer in einem Integrationsrat, der dafür auch gedacht ist, ist keine Petitesse.

Ich glaube, wir haben ein völlig anderes Verständnis von Integration. Für uns ist die deutsche Staatsbürgerschaft, die Einbürgerung die Krönung der Integration. Dann muss man auch gute Gründe dafür finden, wenn man diesen Grundsatz durchbricht. Das haben wir in einem sicherlich nicht leichten Konsensfindungsprozess am Ende dadurch gelöst, dass wir uns für fünf Jahre als eine vertretbare Zeit ausgesprochen haben. Deshalb kann man auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes, dass Deutsche das Ratsgremium und Ausländer das Ausländergremium wählen, das am Ende mittragen.

An dieser Stelle ist bemerkenswert, dass es keine Bereitschaft dafür gab, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Wir können ja die Protokolle früherer Sitzungen einmal heranziehen und schauen, was die vorherigen Innenminister dazu gesagt haben. Jetzt tun wir das, wir öffnen das, wir machen das sachgerecht und vernünftig, und Sie kritisieren es schon wieder,

(Britta Altenkamp [SPD]: Das ist nicht lo- gisch!)

und das nur aus kommunalwahltaktischen Gründen und weil Sie in der Opposition sind.

Ich halte das Ganze für sehr ausgewogen. Viele haben an dem Konsens mitgewirkt. Ich möchte mich ausdrücklich bei allen bedanken, die aufseiten der Regierungsfraktionen mitgewirkt haben. Das hat übrigens nicht nur etwas mit den jeweiligen Parteien zu tun, sondern auch innerhalb der Parteien hat es darüber Diskussionen gegeben.

(Beifall von CDU und FDP)

Da gab es sehr unterschiedliche Auffassungen, die zusammengeführt worden sind. Und alles ist für die nächste Wahl rechtzeitig geschafft worden. Ich denke, damit kann man am Ende zufrieden sein. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)