Protokoll der Sitzung vom 24.06.2009

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Jetzt hat für die SPD-Fraktion noch einmal Frau Kollegin Altenkamp das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss dieses unerfreulichen Beratungsgangs zum Verfahren doch noch einmal eine Bemerkung machen. Ich will daran erinnern, dass wir letztes Jahr im Dezember als SPD-Fraktion erklärt haben, dass es einen Gesetzentwurf zur Änderung der Gemeindeordnung in § 27 geben muss. Wir haben die Eckpunkte benannt und bereits im Dezember letzten Jahres deutlich gemacht, dass das Gremium unserer Wahl, also der SPD, der Integrationsrat ist, dem wir gegenüber dem Integrationsausschuss deutliche Vorzüge gegeben haben.

In diesen Eckpunkten haben wir damals auch beschrieben, wie das aktive Wahlrecht für Eingebürgerte nach dem Wunsch der LAGA geregelt werden muss. Damals haben wir auch schon deutlich gemacht, dass wir, sollte es eine Möglichkeit des Eintragens in Wählerverzeichnisse geben, an der Stelle zufrieden gestellt wären.

Das hat auch der Innenminister gesagt: Auch in der SPD-Fraktion hat es gerade über die Erweiterung des aktiven Wahlrechts natürlich Diskussionen gegeben. Aber die Frage des Auslegens von Wählerverzeichnissen, die dazu führt, dass die Menschen, die es wollen, Eingebürgerte, die es wollen, an dieser Wahl aktiv teilnehmen können, sollte dann tatsächlich auch ein ausreichendes Mittel sein.

Deshalb ist es mir, weil die CDU im Dezember an dieser Stelle durchaus Bewegung signalisierte,

(Beifall von der SPD)

umso unverständlicher, wie es jetzt zu einer Diskussion darüber kommen konnte, ob dieses aktive Wahlrecht nach fünf oder zehn Jahren erlischt.

Frau Asch hat gerade schon zu den Spätaussiedlern etwas gesagt. Aber auch bei den anderen Menschen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund können wir uns nur wünschen, dass gerade die, die in dieser Community hohes Ansehen haben und eine hohe Vermittlungsfähigkeit mit sich bringen, auch am Ball bleiben und in diesen Gremien mitwirken, gerade um an der Stelle ihre besonderen Fähigkeiten einbringen zu können. Und das soll nach fünf Jahren erlöschen? Und dann ist Ende? Es tut mir leid, das ist absolut unlogisch und zeigt ein Verständnis von Integrationspolitik, dem ich und meine Fraktion auch nicht schlechterdings überhaupt nicht folgen können.

Ich will Ihnen dann auch noch einmal etwas zu der Frage sagen, warum der Integrationsrat festgeschrieben werden sollte; das betrifft das Verfahren, das weit in die letzte Legislaturperiode hineinreicht.

Wir haben die Experimentierklausel bemüht, weil es durchaus und im Übrigen auch in der CDU und der FDP heftige Zweifel daran gegeben hat, ob man schon 2004 tatsächlich festlegen könnte, ob es einen Integrationsrat geben sollte mit einer Zweidrittelmehrheit von direkt durch die Migrantinnen und Migranten gewählten Ausländern oder aber einen Integrationsausschuss.

Damals haben wir uns hier alle auf einen Kompromiss eingelassen. Warum haben wir das getan? Weil es uns wichtig war, alle vier hier im Landtag vertretenen Fraktionen in ein Boot zu bekommen. Dieser Bemühung haben Sie sich jetzt überhaupt nicht ausgesetzt. Durch die Experimentierklausel hat sich dann für alle erkennbar herausgestellt, dass die überwiegende Zahl der Gremien Integrationsräte geworden sind.

Wir haben damals versprochen, dass wir die Erfahrungen auswerten, evaluieren und dann die Gemeindeordnung ändern werden, und zwar eindeutig. Dem verweigern Sie sich hier. Sie wollen die Gemeindeordnung nicht eindeutig ändern. Und dem verweigern sich die Grünen übrigens auch.

Damit kann ich Ihnen sagen, was bei den Migrantinnen und Migranten als Ihr angestrebtes Ziel angekommen ist: am Ende immer noch Bevormundung vor Partizipation auf Augenhöhe.

(Beifall von der SPD)

Und das ist das Problem. Damit sind Sie wortbrüchig geworden.

Die Frage, wann wir unseren Änderungsantrag eingebracht haben, hatte sehr viel damit zu tun, dass es zahlreiche Anhörungen zu diesem Thema gegeben hat und wir immer noch geglaubt haben, dass Sie sich der Meinung der kommunalen Spitzenverbände anschließen oder wenigstens diese Frage viel einfacher und eindeutiger regeln, nämlich nur ein Gremium festzulegen, den Integrationsrat, der so große Zustimmung gefunden hat – nicht nur bei den Menschen in dem Gremium selber, sondern eben auch bei den Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern, die deutscher Herkunft sind.

Vor dem Hintergrund ist Ihre Entscheidung nicht nachvollziehbar und nur damit zu erklären, dass Sie sich am Ende der Mühsal dieser Gremien, in denen zwei Drittel Migrantinnen und Migranten selbstbewusst sitzen und ihre Forderungen formulieren, nicht aussetzen wollen, sondern an der Stelle bevormunden wollen. Auch da werden Sie wortbrüchig. Das war ein Teil des Versprechens aller vier Fraktionen hier im Hause. Da werden auch die Grünen wortbrüchig. Das ist Wortbruch à la Jamaika.

Deshalb, meine Damen und Herren, wäre es das Beste gewesen, Sie hätten all Ihre Gesetzentwürfe vom Tisch genommen und es so gelassen, wie es jetzt ist. Es wird nämlich – das werden Sie erleben – in einigen Kommunen über die Abstimmungen,

welches Gremium denn dasjenige sein wird, das in der Gemeinde greift, ganz sicher substanziell Verschlechterungen für die Migrantinnen und Migranten und die Partizipation geben.

(Beifall von der SPD)

Das nehmen Sie sehenden Auges in Kauf. Warum muss noch einmal entschieden werden? Das ist nicht nachvollziehbar.

Vor dem Hintergrund kann ich Ihnen nur sagen: Es geht nicht um Kommunalwahltaktik oder irgendetwas. Wenn man Ihrer Logik folgt, Herr Innenminister, dann ist das doch sowieso ganz egal; denn es ist ja nur eine begrenzte Zahl von Leuten. Das ist doch überhaupt nicht der Punkt. Es geht darum, wie ernst wir Partizipation nehmen. Partizipation ist im Kern das, worum es bei der Integration geht, politische Teilhabe an der Gesellschaft. Und da sind Sie nicht bereit, über Ihren eigenen Schatten zu springen. Das ist hoch bedauerlich. Deshalb gibt es eine Verschlechterung in diesem Land und stellt Ihr Gesetzentwurf eine Verschlechterung dar. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Altenkamp. – Für die CDU erhält Herr Kollege Solf das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir bitte eine Vorbemerkung. Es ist ja schön, von einem Teil der Opposition gelobt zu werden, aber es ist mir ein wirkliches Bedürfnis – das muss der Fairness halber gesagt werden –, darauf hinzuweisen, dass sich der Kollege Lindner in ganz besonders dankenswerter Weise und sehr energisch um einen Kompromiss bemüht hat. Wir haben an einem Wochenende ganz lange miteinander debattiert und geschaut, wie man in die eigenen Parteien und in die Öffentlichkeit hineinwirken könnte, damit es zu einem Kompromiss kommt. Kompromiss gehört zum politischen Geschäft. Rainer Lux hat bereits vorhin gesagt, dass uns eine Befristung von zehn Jahren lieber wäre. Aber wir haben nun einmal diesen Kompromiss.

Am Schluss der verschiedenen Redebeiträge möchte ich Folgendes ausführen: Bei allen Unterschieden im Detail und allen Versuchen – ich sage das besonders in Gegenwart der LAGA –, die jahrelange Vorgeschichte der Änderung des § 27 GO in einem sich selbst beschönigenden Sinne vergessen machen zu wollen, eint uns alle doch ein Ziel: Wir wollen die politischen Partizipationsmöglichkeiten von Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte nachhaltig verbessern. Deshalb sieht unser Gesetzentwurf folgende Neuerungen vor, die ich noch einmal schlaglichtartig vorstellen möchte:

Erstens gehören – das ist neu – künftig den Integrationsgremien neben den direkt gewählten Migrantenvertretern auch Ratsmitglieder an. Sie sind damit besser in die Beratungsfolge des Rates und seiner Ausschüsse eingebunden.

Zweitens. Der Integrationsrat – auch das ist neu – wird als Grundmodell verankert. Durch Beschluss des Rates kann allerdings auch ein Integrationsausschuss gebildet werden. Wir lassen damit den Kommunen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, weil eben die integrationspolitischen Rahmenbedingungen vor Ort sehr unterschiedlich sind.

Ich weiß, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass Sie den Integrationsrat als einzig zulässiges Modell festschreiben wollen. Doch in den Anhörungen zu den Gesetzentwürfen – das haben doch auch Sie gehört – wurde aus manchen Kommunen auch von positiven Erfahrungen mit den Integrationsausschüssen berichtet. Daher lautet schlicht und einfach meine Frage an Sie: Wollen Sie denn den Kommunen wirklich diese Erfahrungen zunichte machen? Das geht sicherlich nicht.

Drittens erweitern wir das aktive Wahlrecht, begrenzt auf einen Zeitraum von fünf Jahren, auch auf bereits eingebürgerte Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte. Diese Menschen mit ihrem Erfahrungsschatz künftig in den Integrationsgremien verortet zu wissen, stimmt mich froh, gerade vor dem Hintergrund dessen, was ich vorhin gesagt habe. Diese Menschen kennen den Weg der Integration mit all seinen Hürden und können denjenigen, die diesen Weg noch vor sich haben, wertvolle Hinweise geben. Sie sind sozusagen das Integrationsscharniergelenk. Insbesondere können sie beim Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft ein Vorbild sein.

Deshalb sage ich es noch einmal, damit es jedem auch auf der Tribüne klar ist: Ich verhehle nicht, dass aus allen den besagten Gründen Rainer Lux und ich eine Befristung auf zehn Jahre lieber gehabt hätten. Aber es ging halt nicht.

Viertens werden künftig die Integrationsgremien Beratungskompetenz haben. Unbeschadet dessen können sie über vom Rat zugewiesene Mittel nach dessen Leitlinien zur Förderung von Projekten entscheiden. Die in den vergangenen Wochen manchmal vorgebrachte Kritik, dass dies ein Rückschritt sei, kann ich nicht teilen. Auch die derzeitigen Integrationsgremien haben lediglich Beratungskompetenz. An dieser Rechtslage ändert unser Gesetzentwurf rein gar nichts. Der Hintergrund der Regelung ist schlicht und einfach, dass die Integrationsgremien im Gegensatz zum Gemeinderat keine vom Staatsvolk legitimierten Gremien sind.

Abschließend möchte ich durchaus mit Respekt anerkennen, dass auch der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen viel Gutes und Richtiges enthält. Aufgrund der von mir vorhin erwähnten

Abweichungen im Detail müssen wir ihn allerdings ablehnen.

Ich bin der Überzeugung, dass unser Gesetzentwurf sinnvoll und geeignet ist, um das Ziel einer besseren Partizipation der Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte auch in der Praxis erfolgreich mit Leben zu füllen. – Danke fürs Zuhören.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Solf. – Jetzt erhält der fraktionslose Abgeordnete Sagel das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dieser Neuregelung kann man überhaupt nicht zufrieden sein. Von der Zaghaftigkeit der Grünen bin ich überrascht. Das, was Sie hier vorstellen, ist alles andere als progressiv.

Es ist in der Tat eine Schande für dieses Land, wenn immer wieder nur versucht wird, durch prophylaktische Maßnahmen etwas auszugleichen, was nicht auszugleichen ist. CDU und FDP in diesem Land müssen endlich merken, dass es an der Zeit ist, derartige Probleme grundlegender anzugehen.

Gleiches Recht für alle – so muss die Devise heißen. Menschen, die in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt haben, müssen auch die vollen Bürgerrechte bekommen. Es gibt keine Mitbürger, sondern es gibt nur Bürger und Nichtbürger.

(Christian Lindner [FDP]: Was sagt Herr La- fontaine dazu?)

Der begrüßt das sehr.

(Zurufe von FDP und CDU)

Sie sollten ganz ruhig sein. Ich sage nur Möllemann; dann wissen wir, wovon wir reden. Möllemann und Skandal! Sie müssen ja jetzt noch Millionen bezahlen.

Diese Debatte wäre Makulatur gewesen, wenn für alle Menschen das kommunale Wahlrecht eingeführt worden wäre, die ihren Lebensmittelpunkt hier haben. Die Landesregierung hat wieder die Chance verpasst, mindestens eine Initiative über den Bundesrat zu ergreifen, in dem die Änderung des betreffenden Bundesgesetzes versucht wird. Sie könnten aber auch hier wesentlich weitergehende Dinge in die Tat umsetzen. Stattdessen versucht eine schwarz-gelbe Koalition, eine Änderung in der Gemeindeordnung vorzunehmen, was zur Verschlechterung des Status quo führt.

Die Institution Ausländerbeirat wurde bisher leider als rein funktionales Instrument gesehen. Dennoch war dieser Rat immerhin demokratisch legitimiert

und agierte als solcher eigenständig, auch wenn die Arbeit sicherlich nicht überall befriedigend lief.

Der vorliegende Entwurf ist ein großer Rückschritt und birgt deutliche Verschlechterungen. Das muss konstatiert werden. Wenn man ein gewähltes Gremium durch eingesetzte Ratsmitglieder überstimmen will, damit die Entscheidungen im Sinne der Ratsmehrheit gefällt werden, dann hat das mit Demokratie nichts zu tun. Auf Angst und Vorurteile gefußte Regelungen können kein Vertrauen schaffen, geschweige denn die Menschen mit Migrationshintergrund integrieren. Es ist zudem ungerecht, wenn die integrationsbetreffenden Entscheidungen eines Beirats nicht ernst genommen werden, welcher von den betroffenen Migranten gewählt ist. Die Ausstattung des Beirats mit bloßer Beratungsmöglichkeit grenzt an Lächerlichkeit.

Wir brauchen eine grundsätzliche Änderung in dieser Politik.

(Christian Weisbrich [CDU] klopft auf seine Armbanduhr.)