Es ist die Verantwortung des Einzelnen wie auch die Verantwortung der Eltern, für ihre Kinder zunächst einmal alles zu tun, um ihnen die besten Startbedingungen zu geben. Der Staat kann viel tun; aber ohne den Einzelnen ist er schlicht und ergreifend überfordert.
Wie weit die Verantwortung für Bildung reicht und wie sehr Sie sie aus dem Blick verloren haben, zeigte ja allein der Beschluss, den Sie unlängst, als Sie mit Ihren Parteifreunden noch eine kurzfristige Mehrheit im Hessischen Landtag organisieren konnten, umgesetzt haben. Dort haben nämlich SPD und Grüne ein Zeitfenster genutzt, um mit der Linken ganz schnell die Studienbeiträge abzuschaffen.
Bei dieser Gelegenheit haben Sie nicht nur auch noch die Studienbeiträge für Langzeitstudierende abgeschafft, sondern auf Druck der Linken außerdem die gesetzliche Grundlage dafür entzogen, dass Studierende irgendwann einmal irgendeinen Leistungsnachweis an einer Hochschule erbringen müssen, um den Statuts eines Studierenden nicht zu verlieren. Hier sage ich mit Blick auf die Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch jene ohne akademischen Grad: Sie machen es mit ihren Steuergeldern und Sozialbeiträgen möglich, dass andere überhaupt studieren können.
Lassen Sie mich noch einen letzten Gedanken auch unter dem Gesichtspunkt Humboldt, Bildungsfreiheit und Bildungsverantwortung äußern; ich sage dies mit Blick auf meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen Hochschullehrer und auf den BolognaProzess. Dazu zitiere ich mit Genehmigung der Frau Präsidentin, was Wolfgang Seibel, einer der großen Politikwissenschaftler der Universität Konstanz, heute in einem Namensbeitrag in der „Süddeutschen Zeitung“ zum Bologna-Prozess geschrieben hat:
Gut strukturierte Studiengänge an Universitäten und Fakultäten, die auf sich hielten, haben ihren Studierenden bereits vor „Bologna“ gegliederte
Studien- und Prüfungsbedingungen geboten, die nicht in erster Linie den Studierenden, sondern vor allem den Lehrenden etwas abverlangen: eine am internationalen Forschungsstand orientierte Lehre mit zusätzlicher Unterstützung durch Übungen, Tutorien, eine gut ausgestattete und leicht zugängliche Bibliothek einschließlich der neuesten elektronischen Recherchemöglichkeiten und natürlich einer durchgehenden Bewertung aller Lehrveranstaltungen durch die Studierenden.
Ein professioneller Studienbetrieb auf hohem wissenschaftlichen Niveau, in dem zunächst einmal die Lehrenden Mindeststandards von Organisation und Betreuung der Studierenden erfüllen müssen, ist fordernd.
Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage dies hier ausdrücklich: Es gibt die Freiheit von Forschung und Lehre; zu ihr stehen wir. Aber Bildungsfreiheit heißt auch Bildungsverantwortung, und zwar hier beim Bologna-Prozess auch für uns. Auch die Hochschullehrerinnen und -lehrer stehen in der Verantwortung, dieses Reformwerk bitte so umzusetzen, dass die Studierenden die Bedingungen antreffen, die sie dringend brauchen, um erfolgreich ein Studium abschließen zu können. – Herzlichen Dank für Ihre freundliche Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Pinkwart, ich muss feststellen: Ihnen ist kein falsches Argument zu schade, um es hier einzubringen.
Ich finde es einfach zynisch, die schreckliche Situation der Menschen im Iran in dieser Debatte als ein Argument anzuführen.
(Widerspruch von der CDU – Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Sie haben es an- geführt! Frau Kollegin Löhrmann hat zu Recht gesagt, dass Menschenrechte auch in Nordrhein-Westfalen gel- ten. Hier geht es nicht um die Menschenrechtssitua- tion im Iran, sondern um die Menschenrechtssituati- on in Nordrhein-Westfalen. (Beifall von SPD und GRÜNEN)
Die Menschenrechte, Herr Minister Pinkwart, sind unteilbar. Die Menschenrechte müssen auch in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland immer wieder auf den Prüfstand. Wir müssen da
nach schauen, ob auch wir sie einhalten. Die Menschenrechte in Deutschland sind nichts für Feiertage, sondern für den Alltag. Darum geht es. So haben wir alle Frau Kollegin Löhrmann verstehen können. Es ist eine Unverschämtheit, diesen Vergleich zu ziehen.
Es kommt hinzu – auch das ist zynisch –, dass selbstverständlich die Eltern und die Familien für ihre Kinder verantwortlich sind. Der größte Teil der Familien und Eltern nimmt diese Verantwortung auch voll wahr. Aber die Situation, aus der heraus sie diese Verantwortung wahrnehmen können, ist doch sehr unterschiedlich und hängt von der sozialen Situation der Menschen ab.
Das ist nämlich der entscheidende Punkt. Die soziale Ausgangslage ist eben nicht gleich. Deshalb sind wir als Sozialdemokraten gerade der Meinung,
dass, wenn es darum geht, gleiche Zukunftschancen zu bieten, der Bildungsbereich entscheidend ist, um über soziale Schranken hinweg Zukunftschancen gesellschaftlich anders zu verteilen.
Herr Kollege Brinkmeier, ich muss wirklich sagen: Sie haben überhaupt nichts zu den Themen gesagt, deretwegen junge Menschen in NordrheinWestfalen und auch in anderen Bundesländern auf die Straßen gegangen sind.
Darauf geben Sie keine Antworten, sondern begeben sich auf eine Ebene, die davon ablenkt. Sie sprachen von Lebenserfahrung; ich muss Ihnen sagen: Ihre Lebenserfahrung lässt eine bestimmte Breite vermissen, was die Einschätzung der jungen Leute angeht. Der Ausbund der Liberalität, Herr Witzel, hat noch einmal alles aufgeführt. Wir wollen die jungen Menschen für diese Demokratie doch gewinnen.
Also muss ich sie ernst nehmen, selbst wenn sie in Organisationen sind, von denen wir alle der Meinung sind, dass sie dort nicht sein sollten; das ist doch überhaupt keine Frage. Aber es gilt, diese jungen Menschen für diese Gesellschaft zu gewinnen und sie nicht durch solche Wortbeiträge wie Ihren, Herr Brinkmeier, zu diskriminieren.
Meine Damen und Herren, es geht darum, die Bildungsthemen aufzugreifen. Sie sind eindeutig: Es geht um die gesamte Bildungskette. Das ist eben zu Recht gesagt worden. Es geht um den frühkindlichen Bereich, um die Elementarbildung in unserem Land. Hier werden Berechnungen vorgestellt, die einfach nicht stimmen.
Sie behaupten, dass die Frühförderung gestärkt worden ist; das ist sie in der Tat – aber zulasten derjenigen, die in den Kindertagesstätten arbeiten und für die Kinder von drei bis sechs Jahren ihre Arbeit machen. Ansonsten ist der ver.di-Streik oder die Auseinandersetzung in dieser Frage nicht zu verstehen.
Sie haben einen Verschiebebahnhof organisiert und die Geldströme anders gelenkt, um Bereiche aufzubauen, die wir alle aufbauen wollen. Aber an anderer Stelle haben Sie das Geld weggenommen und damit die Bedingungen dort gerade unter Bildungsgesichtspunkten nicht gestärkt, sondern geschwächt.
Das Zweite ist das dreigliedrige Schulsystem. Es ist ein System – das ist auch in den Streiktagen deutlich geworden –, das nicht mehr trägt. Wir erleben das gerade in Aachen, Frau Ministerin Sommer. Mit den CDU-Kollegen zusammen haben wir einen Weg gesucht, wie wir die Schulentwicklungsplanung bei rückläufigen Schülerinnen- und Schülerzahlen noch sinnvoll organisieren können. Dabei waren Sie auch hilfreich; das muss ich Ihnen zugestehen.
Sehen Sie einmal, dazu kann ein Abgeordneter in diesem Hause auch fähig sein, lieber Kollege, wenn man nur einmal sein Gehirn einschaltet.
Ich setze diese Entwicklung einmal unter das Leitthema: Schulpolitik und Schulrecht treffen Wirklichkeit. Darum geht es doch in dieser Debatte. Wir sind mit unseren und Ihren politischen Maßnahmen an
Das gilt auch für die Studiengebühren und für Bachelor und Master. Wir sind alle dafür, den Bolognaprozess zu organisieren und umzusetzen. Aber es kann nicht sein, dass sich wegen des Bolognaprozesses die Beratungen in den psychosozialen Beratungsstellen der Studentenwerke um Tausende erhöhen, weil die jungen Menschen bis zum Unerträglichen belastet sind.