Protokoll der Sitzung vom 26.06.2009

Deswegen sage ich Ihnen, die behaupten, das sei eine Lüge, noch einmal: Setzen Sie sich mit Ihren Parteifreunden auseinander und erzählen sie nicht so etwas vor diesem Auditorium. Außer Ihren eigenen Leuten hier im Landtag glaubt das keiner.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, die wissen alle, dass Sie ihnen das strukturell entzogen haben; die wissen alle, dass Sie ihnen Geld weggenommen haben. Damit haben Sie die Grundlage dafür gelegt, dass, wenn sich die Krise, wie beschrieben, in den kommunalen Haushalten niederschlägt, nichts da ist, wovon diese Kommunen und Kreise zehren könnten. Ihr Vorgehen trifft aber nicht nur kommunalen Haushalte, die in einer schlechten Situation sind, sondern Sie legen auch die Grundlage dafür, dass trotz des Konjunkturprogramms, das dieses und nächstes Jahr wirkt, die kommunalen Investitionen zurückgehen werden, womit Sie prozyklisch in einer Krise wirken, in der Sie antizyklisch wirken müssten. – Schönen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Becker. – Als Nächster spricht für die Landesregierung Innenminister Dr. Wolf.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man hat den Eindruck, dass die Redner der Opposition das Thema weit verfehlt haben. Wir wollten über das Konjunkturpaket sprechen, Sie haben sich schnell auf andere Fragen versteift.

(Ralf Jäger [SPD]: Die Ihnen unangenehm sind!)

Auf der einen Seite kann man das natürlich verstehen; auf der anderen Seite ist es auch gefährlich, denn wenn wir über die Vergangenheit reden, dürfen wir auch nicht ausblenden, dass es doch Sie von SPD und Grünen waren, die dieses Land und die Kommunen vor die Wand gefahren

(Beifall von Bodo Löttgen [CDU])

und uns eine Rekordverschuldung hinterlassen haben, von der man natürlich nicht innerhalb weniger Tage herunterkommt –

(Widerspruch von der SPD – Ewald Groth [GRÜNE]: Wer macht denn die höchsten Schulden? CDU und FDP!)

zumal wir jetzt auch noch in die schwierigste Krise gekommen sind, die dieses Land seit 60 Jahren kannte. Also sollten wir die Diskussionen doch sein lassen.

(Horst Becker [GRÜNE]: Nein!)

Wir haben ein GFG, das 90 % des fiktiven Bedarfs ausgleicht. Die Kassenkredite haben Sie in einer Zeit aufwachsen lassen, in der es bei Weitem nicht so war, wie es im Moment ist. Sie haben in all diesen Jahren versagt. Wir sind jetzt dabei, die Grundlagen für Verbesserungen der Struktur zu legen. Das ist gerade im GFG geschehen, insbesondere was den Referenzzeitraum anbetrifft.

Wenn die Kommunen im letzten Jahr mit etwas über 8 Milliarden € den höchsten Betrag aller Zeiten bekommen haben, ist es doch eine Mär, zu behaupten, dass die Kommunen unter der neuen Regierung und den neuen Koalitionsfraktionen schlechter dastünden, meine Damen und Herren.

Wir haben uns heute mit dem Thema Konjunkturpaket zu beschäftigen. Es steht doch völlig außer Zweifel, dass Nordrhein-Westfalen allen Grund hat, an dieser Stelle auch ein Stück weit stolz auf das zu sein, was wir bekommen haben, nämlich ein schnelles Gesetz zur Umsetzung. Am 6. März dieses Jahres ist das Gesetz im Bund in Kraft getreten. Schon einen guten Monat später haben wir hier im Landtag das entsprechende Landesgesetz verabschiedet. Damit waren auch für die Kommunen die Weichen gestellt. Das ist ein Rekordtempo. In diesem Zusammenhang gilt es auch, allen Fraktionen, die an dieser schnellen Umsetzung mitgewirkt haben, Dank zu sagen.

Die Zahlen zu den Umsetzungsmodalitäten sind genannt worden. Es handelt sich um eine kommu

nalfreundliche Lösung. Der hohe Durchleitungssatz von 84 % ist – das kann man gar nicht oft genug wiederholen – in ganz Deutschland beispielhaft. Auch sind die Verfahrensmodalitäten, auf die Herr Körfges sicherheitshalber nicht eingegangen ist, von unserer Seite natürlich so unbürokratisch wie möglich gestaltet worden.

(Beifall von Bodo Löttgen [CDU] und Horst Engel [FDP])

Woran liegt es denn, wenn es trotzdem Probleme bei den Verfahren gibt, Herr Körfges? Da müssen Sie doch einmal fragen, wo die Bremse ist. Die Bremse ist der Bund – in Person Ihr Finanzminister, der sich dem von uns geforderten Verfahren, die Gelder unmittelbar durchzuleiten, und zwar heruntergebrochen auf jede einzelne Kommune, entgegengestellt hat. Ungeachtet der Tatsache, dass man stundenlang darüber streiten kann, ob Steuersenkungen insgesamt besser wären oder nicht – über diese Frage will ich heute gar nicht diskutieren –, haben wir das vorgeschlagen. In der Umsetzung des Konjunkturpakets haben wir gesagt: Leitet das Geld unmittelbar an die Kommunen durch; dann können sie auch direkt loslegen.

(Ralf Jäger [SPD]: Das geht verfassungs- rechtlich gar nicht!)

Das war unsere Botschaft. Der Bund hat das abgelehnt. Da ist die Bremse, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Zur Frage der Rechtssicherheit, die ebenfalls immer diskutiert wird, haben wir gesagt, Herr Körfges: Die Änderung des Art. 104b Grundgesetz hätte schon im März 2009 geschehen können. Wer hat denn festgelegt, dass das erst Mitte dieses Jahres im Bundestag beschlossen werden kann? Wenn diese Änderung notwendig ist, um die Beschleunigung hinzubekommen, sollte man sie zusammen mit dem Konjunkturpaket verabschieden. – Dieses Vorgehen ist abgelehnt worden. Deshalb haben, obwohl der Finanzminister in einem Schreiben an die Kommunen ausgeführt hat, dass man sich im Lichte der späteren Verfassungsänderung schon entsprechend bewegen könne, viele Kommunen gesagt: Wir wollen erst einmal abwarten, ob diese Verfassungsänderung wirklich kommt. – Auch das hätte man anders regeln können.

Nächster Punkt: Was ist denn nun tatsächlich in der Umsetzung? Das hat Sie ja interessiert. Dieses Wissen sollen Sie auch bekommen. Wir haben 1.536 gemeldete Maßnahmen mit 567 Millionen € Bindung.

(Beifall von Horst Engel [FDP])

Das sind 25 % der pauschal zugewiesenen Mittel nach zweieinhalb Monaten. Dies ist, so meine ich, ein gutes Ergebnis.

(Beifall von Ilka von Boeselager [CDU], Bodo Löttgen [CDU] und Horst Engel [FDP])

Herr Körfges, dass das noch nicht zu einem Abfluss von Millionen und Abermillionen geführt hat, liegt daran – das wissen Sie als alter Kommunaler auch –, dass eine kommunale Maßnahme erst einmal geplant werden muss und dann vor Ort ein entsprechendes Leistungsverzeichnis erstellt werden muss, bevor sie ausgeführt werden kann. All diese Fristen liegen ja nicht in unserer Hand. Wir haben den Kommunen die Freiheit gegeben. Seit dem 8. April 2009 ist das Gesetz in Kraft. Nun muss das Ganze vor Ort umgesetzt werden.

Das läuft in Nordrhein-Westfalen auch. Wir haben bisher einen realen Abfluss in Höhe von 667.000 €. Woche für Woche wird es mehr. Immerhin sind jetzt nach zweieinhalb Monaten schon 25 % gebunden. Das ist, glaube ich, eine sehr gute Zahl. Damit liegen wir auch im Bundesvergleich ganz vorne. Es ist durchaus erfreulich, wenn Nordrhein-Westfalen in entsprechenden Publikationen als auch an dieser Stelle vorbildlich dargestellt wird.

(Beifall von Ilka von Boeselager [CDU] und Horst Engel [FDP])

Meine Damen und Herren, insgesamt ist von Landesseite alles getan worden, damit schleunig investiert werden kann. Die Kommunen haben durch die Änderung des Art. 104b Grundgesetz nun die Freiheit, viele Maßnahmen durchzuführen. Jetzt liegt es an ihnen, das Ganze umzusetzen, um einen nennenswerten Beitrag dazu zu leisten, möglichst schnell wieder aus der Krise herauszukommen. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Wolf. – Für die SPD spricht nun der Kollege Jäger.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Präsidentin! Herr Engel, ich habe Ihrer Rede zugehört und muss bei aller Wertschätzung für Sie als Person sagen: Wer so mit den Zahlen schwindelt, der kommt nicht in den Himmel, auch wenn er Engel heißt.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Bei dem, was Sie vortragen, sollten Sie schon etwas genauer sein.

Ich würde gerne ein Stück zurückgehen, bevor die Legendenbildung hier weiter ausufert. Wie war das denn mit dem Konjunkturpaket II, Herr Löttgen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU? 50 Milliarden € Umfang; Eingangssteuersatz für Geringverdiener von 15 auf 14 % gesenkt; Grundfreibetrag von 7.834 € auf 8.004 € erhöht; Krankenversicherungsbeitragssatz von 15,5 auf 14,9 % gesenkt;

Kinderbonus von 100 €; Umweltprämie für neue Autos von 2.500 €; öffentliche Investitionen in einer Größenordnung von 17,3 Milliarden €. Damit sind Familien mit zwei Kindern bei einem durchschnittlichen Einkommen von 36.000 € im Jahr um 427 € entlastet worden und die Familien, die 46.000 € verdienen, sogar um 546 €.

In diesem Paket mit drin ist ein Investitionsprogramm für die Kommunen in der Größenordnung von 10 Milliarden €, um den tatsächlich vorhandenen Investitionsstau zu beseitigen. Das Ganze sollte zeitnah geschehen, damit das Konjunkturpaket tatsächlich beschäftigungswirksam sein kann. Wenn man den Zahlen des Institutes für Arbeitsmarktforschung folgt, dann sind durch dieses Konjunkturpaket bereits jetzt 250.000 Arbeitsplätze gesichert worden. Es sollen im weiteren Verlauf weitere 400.000 davon profitieren können.

Das ist das größte Konjunkturpaket in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Es ist von der Politik im Bund und in den Ländern in einem Rekordtempo fraktionsübergreifend umgesetzt worden. Es wirkt tatsächlich so, wie es beschlossen worden ist. Das ist ein Erfolg der nicht von allen geliebten Großen Koalition im Bund. Das muss man objektiv feststellen. Das ist eine gute Leistung.

(Beifall von der SPD)

Herr Löttgen, weil Sie das völlig ausgeblendet haben – Herr Engel im Übrigen auch –, möchte ich darauf zurückkommen, wie es in der Nacht vom 12. auf den 13. Januar dieses Jahres war, als in einer Nachtrunde dieses Koalitionspapier beschlossen worden ist. Die Unionsseite war tief zerstritten. Herr Rüttgers forderte sogar Staatsbeteiligung an notleidenden Unternehmen. Der Ortsbauernführer aus Bayern, Herr Seehofer, forderte Beihilfen für die bayerische Bauernschaft. Die Union war planlos und unvorbereitet. Sie wusste, was sie nicht wollte, nämlich unserem Vorschlag folgen, nicht nur den Eingangssteuersatz noch deutlich stärker auf 12 % zu senken, sondern im Gegenzug auch diejenigen heranzuziehen, die viel verdienen, die die Spitzenverdiener in unserer Gesellschaft sind, und deren Steuersatz von 45 % auf 47 % zu erhöhen.

In Fortführung des Kollegen Körfges meine ich: Wir können mit Fug und Recht sagen, es ist ein gutes Konjunkturprogramm. Aber: Wer hat den Kinderbonus durchgesetzt? Das war die SPD. Wer hat die Entlastung der Geringverdiener ausgehandelt? Das war die SPD. Wer hat die Umweltprämie erfunden, die jetzt kopiert wird? Die SPD. Wer hat das 10-Milliarden-Programm für die Kommunen durchgesetzt?

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Die SPD, Herr Löttgen, richtig. Wunderbar!

(Beifall von der SPD)

Worüber debattieren wir heute, Herr Löttgen? Tatsächlich kommt das Geld bei den Kommunen an. Herrn Linssen als Finanzminister ist es nur bedingt gelungen, seine klebrigen Finger auf dieses Geld zu legen und es in die Landeskasse umzuleiten. Der Innenminister hat es geschafft, dieses Geld tatsächlich nicht mit allzu hohen bürokratischen Hürden zu belegen. Sie feiern sich hier ab für etwas, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, Herr Löttgen. Aber es kommt bei Ihnen so selten vor. Deshalb haben Sie diesen Anlass heute hier gewählt.

Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass das Geld richtig ankommt. Trotzdem sage ich das; denn – wir sind ja auch Eltern und wissen das – wenn man Kinder erzieht und bei ihnen eine Verhaltensänderung bewirken will, darf man nicht immer nur kritisieren, sondern muss das, was positiv ist, verstärken. Deshalb in allem Ernst und aller Gewissheit, Herr Wolf: Das haben Sie fein gemacht!

Über folgende Situation müssen wir uns jedoch im Klaren sein: Mit diesem Paket wird zwar ein Investitionsstau, der sich über Jahre aufgebaut hat, endlich beseitigt. Tatsächlich ist es aber so, dass 174 von 396 Kommunen in Nordrhein-Westfalen keinen Haushaltsausgleich mehr schaffen. Der Schuldenstand des Landes ist von 106 Milliarden € auf 125 Milliarden € gestiegen, und das bei gleichzeitigen Steuermehreinnahmen von über 7 Milliarden. Während es dem Land besser ging, haben Sie den Kommunen 2 Milliarden € aus den Kassen in einem Rollgriff gestohlen. Die Kassenkredite sind um 23,3 % gestiegen.

Was bedeutet das? Das nordrhein-westfälische kommunale Finanzsystem droht zu kollabieren. Das ist die Tatsache, meine Damen und Herren. Die Kommunen werden von der Finanzkrise am härtesten getroffen. Sehenden Auges feiern Sie hier heute etwas ab, was selbstverständlich ist, was mit Bundesmitteln gezahlt wird. Statt abzufeiern, sollten Sie handeln, was Sie jedoch verweigern.