falen lauwarm. Da ist Herr Seehofer in der Tat schon ein ganzes Stück weiter. Er hat sich nämlich dazu bekannt, in der Vergangenheit möglicherweise nicht die richtige politische Einschätzung gehabt zu haben, und fordert heute auch ein Verbraucherinformationsgesetz. Das würde ich mir im Übrigen auch von der Landesregierung wünschen.
Denn wenn Krisen auftreten, ist es doch zentrale Voraussetzung, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher über alles informiert werden - über alles, restlos alles. Also: Woher kommt die Ware? Wohin geht sie? Wie ist die Verflechtung? Mit welchen Produkten wird gehandelt?
Ich habe in meiner Pressekonferenz am Montag, dem 21. November 2005, die Namen des nach gegenwärtigem Kenntnisstand den Skandal verursachenden Betriebes genannt. Damit bin ich meiner Informationspflicht nachgekommen.
Wir stehen ja vor den Hochzeiten des Karnevals. Ich empfehle dringend, in diesem Jahr den Gassenhauer „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“ angesichts von Diskussionen über Haltbarkeitsdaten nicht zu singen; denn da gibt es aktuell einen ganz fahlen Beigeschmack.
Danke schön, Herr Remmel. - Jetzt spricht für die Landesregierung Herr Minister Uhlenberg. Ich darf noch darauf hinweisen, dass eine Redezeit von 15 Minuten vereinbart worden ist.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße ausdrücklich, dass der nordrhein-westfälische Landtag diese Aktuelle Stunde durchführt.
18 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen sind jeden Tag auf Güter angewiesen, die nicht so selbstverständlich sind, wie sie uns manchmal erscheinen. Das gilt für die Versorgung mit Strom; das gilt für die Lebensmittel in unserer täglichen Mahlzeit. Mal sind es Naturgewalten, mal kriminel
le Machenschaften, die uns vor Augen führen, dass wir einen wachsamen, konsequenten Staat brauchen, andererseits aber auch immer wieder an bestimmte Grenzen stoßen.
Dennoch müssen sich die Menschen in Nordrhein-Westfalen darauf verlassen können, dass Lebensmittel nach bestem Wissen und Gewissen erzeugt und vertrieben werden. Sie müssen darauf vertrauen können, dass Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung höchsten Qualitätsansprüchen genügen.
Die bekannt gewordene Verschiebung von verdorbenem Fleisch ist skandalös. Die Leidtragenden sind die verunsicherten und zu Recht empörten Verbraucher. Aber, meine Damen und Herren, die Leidtragenden sind auch die Landwirte, Metzger, Händler und Vermarkter, die gewissenhaft und sorgfältig arbeiten und beste Qualität anbieten. Sie sind Opfer der kriminellen Energie von Schiebern und Fälschern. Abfall, ekelerregende und verdorbene Ware, gehört nicht in Ladentheken, Imbissstuben und Gaststätten.
Die Lebensmittelkontrolle in Nordrhein-Westfalen hat aufgedeckt, dass es in beträchtlichem Umfang kriminelle Machenschaften im Handel mit Fleisch gab und diese fortgesetzt werden sollten. Zumindest dies konnte verhindert werden, meine Damen und Herren.
Ausgangspunkt war die Kontrolltätigkeit der kommunalen Überwachungsämter. Eine Routinekontrolle hat dramatische Folgen gehabt. Ein Bereich, der bislang im Abseits öffentlicher Aufmerksamkeit stand, ist jetzt im Schlaglicht des Interesses und des Handelns: die Kühlhäuser.
Mein Haus hat mit Bekanntwerden der gewissenlosen Praktiken der Firma Domenz in Gelsenkirchen engmaschige Kontrollen in den Tiefkühllagerhäusern in Nordrhein-Westfalen veranlasst. Wir sind hier Vorreiter in Deutschland. Mit diesen Kontrollen ist es uns gelungen, an vielen Orten ungenießbares Fleisch aus dem Verkehr zu ziehen. Damit wird möglicher Missbrauch unterbunden, meine Damen und Herren. Auf diese Weise werden die Verbraucher vor weiterem Ekelfleisch in ihrer Nahrung geschützt.
Wir haben diese Untersuchungen nach den Funden in Gelsenkirchen am 27. Oktober in ganz Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Und wir sind auch fündig geworden: in Gelsenkirchen, in Düsseldorf, im Rhein-Sieg-Kreis, im Rhein-Neuss
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lebensmittelüberwachung, die diese Kühlhausüberprüfungen ausführen, arbeiten unter harten Bedingungen und jetzt zusätzlich unter einem hohen öffentlichen Druck. Meine Damen und Herren, sie haben meinen vollen Respekt.
In den Kühlhäusern herrscht eine Temperatur von minus 28 Grad. Die Ware lagert bis zu 15 m hoch in entsprechenden Regalen. Das Fleisch ist dicht verpackt, Palette auf Palette. Eine Überprüfung der Bestände fängt mit dem Einlagerungsschein an. Im Verdachtsfall werden Proben genommen. Diese müssen ein bis zwei Tage auftauen. Erst dann können sogenannte sensorische Prüfungen von Farbe und Geruch vorgenommen werden. Falls sie negativ ausfallen, folgen mikrobiologische Tests, die für belastbare Ergebnisse wieder bis zu sechs Tage brauchen.
Die Verbraucher sind in dieser Zeit aber geschützt; denn die Ware bleibt bis zur Freigabe nach Prüfung und Feststellung der Unbedenklichkeit sichergestellt.
Im Gegensatz zu den Fällen in Bayern und Niedersachsen ist in Nordrhein-Westfalen der Sachverhalt durch eine Lebensmittelüberwachungsbehörde aufgedeckt worden. Das zeigt, dass in Nordrhein-Westfalen das Netz der Überwachung grundsätzlich funktioniert.
Unabhängig von den aktuellen Fällen hatte die Landesregierung die Verbesserung der Lebensmittelkontrolle und -untersuchung in NordrheinWestfalen als ein zentrales Thema in ihr Arbeitsprogramm zur Verwaltungsreform aufgenommen. Wir wollen und müssen die Lebensmittelkontrolle künftig noch effektiver gestalten.
Erstens. Wir setzen die Schwerpunktkontrollen in den Kühlhäusern in Nordrhein-Westfalen fort. Insbesondere für die vertiefte Prüfung von Dokumentationen in den Tiefkühllagern habe ich zusätzlich Fachleute vom Landesamt für Ernährungswirtschaft und Jagd bereitgestellt. Dabei sind auch die Erfahrungen der Kreise und die Ergebnisse der gestrigen Bund-Länder-Besprechung in Bonn
mit aufzunehmen. Dazu habe ich die Kreise und kreisfreien Städte für den 6. Dezember zu einem Gespräch in mein Ministerium geladen.
Zweitens. Wir werden intensiv überwachen, dass die Lebensmittelbetriebe ihrer Verpflichtung zum Nachweis über die Herkunft und den Verbleib von Fleisch nachkommen.
Drittens. Wir werden für eine beschleunigte Information über möglicherweise kritische Befunde aus der Lebensmittelkontrolle zwischen Verbraucherschutz, Ministerium und nachgeordneten Behörden sorgen. In der Informationsverarbeitung der Lebensmittelkontrolle müssen Warenströme unterschiedlicher Herkunft und verschiedener Vertriebswege schneller erfasst und aufgezeigt werden.
Viertens. Wir werden in der kommenden Woche durch unser Landesamt für Ernährungswirtschaft und Jagd ein neues Softwaresystem vorstellen. Damit kann einzulagerndes Fleisch präzise erfasst werden, sodass man überalterten und versteckten Fleischpartien besser auf die Spur kommt.
Fünftens. Wir packen die Bündelung und Verbesserung der Untersuchungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen an. Die unter der alten Regierung eingetretene Blockade zwischen Land, Kreisen und Städten brechen wir auf. Sie hat dazu geführt, dass Defizite seit 2003 bekannt sind, aber nicht beseitigt wurden.
Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt, dass wir durch eine Bündelung der kommunalen und staatlichen Untersuchungseinrichtungen einen deutlichen Qualitätssprung bei der Ausstattung und Leistungsfähigkeit erreichen. Diesen brauchen wir für eine rasche Untersuchungsarbeit. Gute Erfahrungen aus dem Modellversuch in Ostwestfalen liegen dafür vor.
Diese Neuordnung der Untersuchungsämter in Nordrhein-Westfalen werde ich bei dem Gespräch am 8. Dezember mit den betroffenen Kreisen und Trägern der kommunalen chemischen Untersuchungsämter sowie den kommunalen Spitzenverbänden beraten.
Sechstens. Wir verstehen die Stabsstelle für Umweltkriminalität in meinem Ministerium ausdrücklich als Stabsstelle für Umwelt- und Lebensmittelkriminalität. Das wird sich in einer vertieften Zusammenarbeit zwischen Justiz und Überwa
Siebtens. Wir möchten erreichen, dass der Strafrahmen für Verstöße gegen Lebensmittel- und Futtermittelrecht wirklich abschreckend wirkt. Mit der Justizministerin werde ich beraten, wo Lücken im Strafrecht liegen. Mit dem neuen Bundesverbraucherminister Seehofer habe ich dieses Thema in den vergangenen Tagen erörtert.
Die abschreckende Wirkung von Strafandrohungen ist nicht nur Sache der Rechtsetzung; sie hängt auch von einem konsequenten Vorgehen der Gerichte bei der Aburteilung von Verbraucherschutzdelikten ab.
Achtens. Wir prüfen gemeinsam mit der Justizministerin, ob die staatsanwaltschaftlichen Strukturen ausreichen, um Lebensmittelschiebereien rasch auf die Spur zu kommen.
Neuntens. Wir wollen nicht, dass gewissenlose Geschäftemacher weiterhin mit Lebensmitteln handeln dürfen. Dazu prüfen wir, ob die erwiesene Unzuverlässigkeit von Betriebsinhabern ausreicht, ihre Firmen zu schließen und ihnen die EUZulassung auf Dauer zu entziehen.
Zehntens. Wir wollen, dass die zuständigen Kreisordnungsbehörden die Betreiber auffällig gewordener Betriebe dazu verpflichten, das InVerkehr-Bringen überlagerter Ware den Behörden anzuzeigen. Das muss nötigenfalls durch Ordnungsverfügungen unter Androhung von Zwangsgeld durchgeführt werden.