Protokoll der Sitzung vom 10.09.2009

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die 650 Millionen € waren doch damals kein mildtätiger Akt der Landesregierung. Das war – Herr Minister Linssen, der Versuch ist gescheitert – der Versuch, die Haushalte in den kommenden Jahren zu entlasten. Und jetzt stehen Sie da, und zwar mit ein paar Fragen, die uns die Landesregierung in der heutigen Aktuellen Stunde bitte zu beantworten hat.

Ich fordere Sie namens der SPD-Landtagsfraktion dazu auf. Reden Sie jetzt endlich Klartext! Sagen Sie der Öffentlichkeit und unseren Kommunen, ob Sie dazu bereit sind, zuzugeben, dass Sie sich auf falsche juristische Annahmen verlassen haben. Teilen Sie uns mit, in welcher Art und Weise und in welchen Zeiträumen Sie die Überzahlungen rückabwickeln wollen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Und machen Sie mit dem unsäglichen Spiel, das offensichtlich dem Gedanken geschuldet ist, man müsse versuchen, die Nettoneuverschuldung auf jeden Fall unter der bisherigen Höchstmarke zu halten, Schluss. Sie können nach all dem, was jetzt vorliegt, nach unserer Meinung nicht davon ausgehen, dass die Kommunen nicht unmittelbar einen Anspruch auf weitere Rückzahlungen haben.

Ich habe Ihnen seinerzeit für die Jahre 2006 bis 2008 hier am Rednerpult eine Gesamtüberzahlung von mindestens 1,4 Milliarden € prognostiziert. Das, was jetzt berechnet worden ist, liegt sehr nahe dabei. Das heißt, Sie müssen das, was für die Jahre 2007 und 2008 zu berücksichtigen ist, in einem Nachtragshaushalt verankern und in den Haushaltsplanberatungen für 2010 festzurren.

Meine Damen und Herren, wenn diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen davon absehen, dann kann ich Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, dass Sie ein weiteres Mal versuchen, unsere Kommunen zu übervorteilen, und zwar zur Überdeckung und Übertünchung Ihrer eigenen Fehlleistungen.

Die wichtigste Voraussetzung für eine nachhaltige Gesundung der Kommunalfinanzen ist aus unserer Sicht, dass jetzt Dinge umgesetzt werden und im nächsten Frühjahr diese kommunalfeindliche Landesregierung abgelöst wird. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Körfges. – Für die CDU spricht jetzt Herr Kollege Löttgen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Zuschauertribüne! Ein komplizierter Sachverhalt liegt der Aktuellen Stunde heute Morgen zugrunde: Welchen Beitrag leisten die Kommunen in Nordrhein-Westfalen zu den Kosten, die aus dem Zusammenwachsen Deutschlands,

aus den sogenannten Lasten der Deutschen Einheit entstanden sind?

Grundlage für die heutigen Beratungen sind zwischenzeitlich drei finanzwissenschaftliche Gutachten und das Urteil des Landesverfassungsgerichts vom 11. Dezember 2007. Das eigentliche Problem besteht nun darin, festzustellen, welche Höhe die Einheitslasten des Landes haben bzw. wie deren Höhe insbesondere vor dem Hintergrund der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs belastbar ermittelt werden kann. Vor allem ist eine genaue Zuordnung, die sogenannte Spitzabrechnung, nach übereinstimmender Meinung aller drei Gutachter kaum möglich. Daher hat die Landesregierung auf das Urteil sofort mit Abschlagszahlen in Höhe von 650 Millionen € für die Jahre 2006 bis 2008 reagiert.

Der Fahrplan und der Korridor, in dem nun die Verhandlungen zwischen Land und Kommunen stattfinden können, sind fest definiert. Herr Körfges, Fakt ist doch: Eine mögliche Überzahlung der Kommunen für das Jahr 2006 ist bis spätestens Ende 2008 – im Konsens mit den kommunalen Spitzenverbänden verlängert bis 2009 – auszugleichen.

Fakt ist zweitens: Die Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW vom 2. September – im Übrigen fünf Tage bevor Sie Ihren Antrag geschrieben haben – hat das weitere Vorgehen unter Punkt 3 glasklar dargelegt. Ich zitiere:

(Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

Da die Abrechnungsgesetze für die Gemeindefinanzierungsgesetze 2006 und 2007 bis Ende des Jahres 2009 vorgelegt werden sollen, haben sich die kommunalen Spitzenverbände dafür ausgesprochen, zeitnah die Gespräche mit dem Land aufzunehmen.

Obwohl der Fahrplan festliegt, kann ich nicht sagen, dass mich die Anträge der SPD und der Bündnisgrünen überrascht hätten. Im Gegenteil, sie waren so vorhersehbar wie entbehrlich. Stattdessen fordert die SPD in ihrem Antrag, dass nun zeitnah gehandelt werden müsse – ich habe Ihnen eben dargelegt, es wird zeitnah gehandelt –

(Zuruf von der SPD: So wie bisher?)

und die Kommunen umgehend ihr Geld zurückerhalten sollten. Bündnis 90/Die Grünen sprechen etwas moderater von einer „raschen Rückzahlung“.

Ich halte dem entgegen: Wer einfache Lösungen verlangt, muss auf Gerechtigkeit verzichten.

(Beifall von der CDU)

Wer Gerechtigkeit verlangt, muss in Kauf nehmen, dass es kompliziert wird. Sie sind doch nur an einem schnellen Euro interessiert.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Die Rückzah- lung ist doch schon überfällig! – Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Sie posaunen bereits Anfang der Woche in Pressemitteilungen heraus, was den Kommunen auf Heller und Pfennig zusteht. Wir wollen eine bis zum Ende des Solidarpaktes 2019 tragfähige Lösung nicht gegen, sondern mit und für die Kommunen unseres Landes.

Trotz aller Komplexität beim Thema „Einheitslasten und kommunale Über- oder Unterzahlung“ will ich eines deutlich herausstellen: Das, was den Kommunen zusteht, dafür wird sich die CDULandtagsfraktion einsetzen; dafür bin ich auch bereit zu kämpfen, das werden die Kommunen bekommen.

(Beifall von der CDU – Zurufe von Hans-Willi Körfges [SPD] und Horst Becker [GRÜNE])

Herr Körfges, Herr Becker, es bleibt die Frage, wieso die Opposition heute eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt hat. Ich denke, dies ist Teil einer weiteren Inszenierung, die aus Sicht der Opposition ihr selbst die Rolle der unbefleckten Kämpfer für die kommunale Selbstverwaltung zuschreibt, während die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen die Bösen darstellen sollen, die den Kommunen das ihnen zustehende Geld verweigern.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Sie stricken an dem Märchen, ein möglicherweise zu niedriger Ausgleich des Landes bei den Einheitslasten für die Kommunen

(Zuruf von der SPD: Das ist Realität!)

würde zu einer untragbaren finanziellen Belastung führen. Sie können es nicht mehr hören, meine Damen und Herren von der Opposition, aber ich sage es Ihnen trotzdem noch einmal, weil Sie anscheinend nicht in der Lage sind, Ursache und Wirkung voneinander zu unterscheiden: Ihre Politik bis zum Jahr 2005 ist die Ursache für die teilweise katastrophalen Kommunalfinanzen.

(Beifall von der CDU – Zurufe von den GRÜ- NEN und von Hans-Willi Körfges [SPD])

Wir beschäftigen uns auch heute mit Ihrer Hinterlassenschaft und müssen uns um die Wirkung Ihrer verfehlten Politik kümmern. Apropos Inszenierung, Herr Körfges: Vom Inszenieren verstehen Sie nun wirklich etwas. In Dortmund haben Sie ein wahrlich schlimm anzusehendes Trauerspiel in Szene gesetzt, das uns in der morgigen Aktuellen Stunde beschäftigen wird.

(Beifall von der CDU – Prof. Dr. Gerd Boller- mann [SPD]: Was ist Ihr Anteil? – Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

Wenn das Ihre Vorstellungen von einem verantwortlichen Umgang mit den Kommunalfinanzen sind, dann gute Nacht, Nordrhein-Westfalen!

(Beifall von der CDU)

Aber es wird Ihnen auch mit Ihrem heutigen Vorstoß nicht gelingen, die Koalition von CDU und FDP oder die Landesregierung als kommunalfeindlich darzustellen.

(Zuruf von Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD])

Lesen Sie sich doch noch einmal in Ruhe die Zahlen der gestern veröffentlichten Modellrechnung des Gemeindefinanzierungsgesetzes durch. Dann wissen Sie, dass diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen trotz Finanz- und Wirtschaftskrise Wort gehalten haben und den Kommunen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren die höchsten Beträge ausgezahlt haben, die in diesem Land jemals gezahlt wurden. Das nenne ich kommunalfreundliches und partnerschaftliches Handeln auch in schwierigen Zeiten.

(Beifall von der CDU)

So wird die komplizierte Problematik der Einheitslasten in diesem Jahr gelöst werden: partnerschaftlich und gerecht. – Ich danke Ihnen für das Zuhören.

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Löttgen. – Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Engel.

(Zuruf von der CDU: Rot-grünes Schmieren- theater! – Gegenruf von Johannes Remmel [GRÜNE]: Das zitiere ich!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Präsidentin! Die Anträge von SPD und Grünen gehen, wie so häufig, wieder einmal an der Sache vorbei.

(Zurufe von der SPD)

Zutreffend ist – darüber dürften wir uns einig sein –, dass das Land Nordrhein-Westfalen finanzielle Folgelasten mit Blick auf den Solidarpakt zum Aufbau Ost zu tragen hat. Dies ist aber im Hinblick auf die Oppositionsanträge überhaupt nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, wie hoch diese Lasten tatsächlich sind oder, mit anderen Worten, ob und wie viel von den NRW-Kommunen überzahlt wurde.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Sie stellen das auch noch infrage!)

Zu dieser Frage existieren einige Gutachten, die jeweils zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Herr Körfges, in solch einer Situation kann man sich aber nicht einfach hinstellen und behaup

ten, ausschließlich die Meinung A oder die Meinung B sei richtig,