Protokoll der Sitzung vom 11.09.2009

Jetzt geht es ja erst richtig los. Es soll schnell mit der Umsetzung der 17 Starterprojekte angefangen werden.

(Dietmar Brockes [FDP]: Leistung ist ja nicht jedermanns Sache! – Gegenruf von Marc Jan Eumann [SPD]: Herr Brockes hat kein Ni- veau! Unverschämt!)

So fordern das auch die Akteure. Wir werden diese Umsetzung konstruktiv, aber auch mit der nötigen kritischen Sicht begleiten.

Aber dazu wäre, glaube ich, Ihr Antrag nicht einmal notwendig gewesen. Ihr Antrag, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, fasst all die Forderungen zusammen, die im Masterplan Tourismus vom Team Roland Berger mit den professionellen Akteuren erarbeitet und von der Mitgliederversammlung des Tourismus NRW e. V. einstimmig beschlossen wurden. Der Antrag enthält nichts Neues.

Aber im Interesse des Tourismus müssten wir als Landesgesetzgeber noch weiter aktiv werden. Die Ausweisung des Nationalparks Eifel hat enorme Steigerungen der Besucherzahlen gebracht. Hier wurde gezeigt: Ganz aktiver Naturschutz und touristische Nutzung sind kein Widerspruch, sondern bedingen einander.

Ich verstehe einfach nicht die Weigerung von CDU und FDP in meiner Region, den Nationalpark Sen

ne-Eggegebirge anzupacken. Das wäre in dieser Tourismusregion auch für die vielen Heil- und Kurbäder in dieser Region eine einmalige Chance, die ergriffen werden muss.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Nein, das lag nun eindeutig an Ihren Politikern vor Ort.

Weitere Konzepte der Ausweisung und Pflege von Schutzgebieten und der Erhalt einer intakten Kulturlandschaft sind wichtige Standortfaktoren für den Tourismus. Daran müssen wir arbeiten.

Nichts gefunden habe ich in Ihrem Antrag auch zum Bereich der Qualifizierung. Die Qualität einer Dienstleistungsbranche wie die des Tourismus ist nur so gut wie die Menschen, die sie betreiben. Eine praxisnahe und fundierte Ausbildung verbessert nicht nur die Wettbewerbschancen des Einzelnen, sondern die einer ganzen Branche. Hier muss das Land mehr in die Aus- und Weiterbildung investieren und für mehr Transparenz des Bildungs- und Schulungsangebots sorgen.

Für viele Bereiche des Tourismus müssen wir auch die Entlohnung ansprechen. Gute Arbeit erfordert auch guten Lohn, von dem man mit seiner Familie leben kann. Nur dadurch kann ich entsprechend gute und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rekrutieren und halten. Es gibt noch etliche Bereiche, in denen ein Mindestlohn ein erster und wichtiger Schritt wäre. Auch hier müsste die Landesregierung aktiv werden.

(Dietmar Brockes [FDP]: 7 % Mehrwertsteu- er!)

Ich glaube, wir haben mehr anzupacken, als im Antrag steht. Aber der Überweisung des Antrags an den Wirtschaftsausschuss stimmen wir selbstverständlich zu und freuen uns auf die weitere Debatte. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gießelmann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Remmel das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So wichtig das Thema Tourismus ist und so begrüßenswert es ist, dass wir heute hier im Landtag darüber diskutieren, kann ich Ihnen direkt am Anfang zwei kritische Bemerkungen in Ihre Richtung nicht ersparen:

Zum einen haben Sie der Öffentlichkeit den Antrag schon vorgestellt, als der Masterplan noch gar nicht verabschiedet war. Ein wenig Form sollte man in solch einer Sache schon einhalten. Es gab eine große Veranstaltung der Landesregierung zur Vor

stellung des Masterplans, und anderthalb Wochen vorher stellten CDU-Fraktion und FDP-Fraktion ihren Antrag zum Tourismus vor. Das haben nicht viele mitbekommen. Aber so etwas zu tun, ist normalerweise ein formaler Fauxpas,

(Dietmar Brockes [FDP]: Blödsinn!)

weil wir gemeinsam den Masterplan begleitet haben. Dann mit einer vorschnellen Antragsaktion daherzukommen, ist kein schöner Stil. So etwas macht man einfach nicht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Dietmar Brockes [FDP]: Sie ärgern sich ja nur!)

Nein, ich erkläre Ihnen auch, warum.

Zum anderen ist es auch inhaltlich falsch, wie Sie vorgegangen sind. Es war in diesem Hause bisher Tradition – jedenfalls so lange, wie ich den Bereich Tourismus mehr oder minder intensiv begleitet habe –, dass wir in Fragen des Tourismus hier an einem Strang ziehen und auch immer versuchen – jedenfalls da, wo wir die Verantwortung hatten –, mit der Opposition gemeinsam Anträge in Sachen Tourismus zu formulieren,

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Marc Jan Eumann [SPD]: Genau so war es!)

und zwar nicht, weil wir unbedingt mit der Opposition etwas gemeinsam machen wollten, sondern weil es hier Interessenlagen des Landes als Ganzes gibt, die oft anders aufgestellt sind als die Interessenlagen bestimmter Kirchtürme. Der Konflikt zwischen Regions- und Gesamtinteresse und dem einzelnen Kirchturm, der meint, sich selbst vermarkten zu müssen, ist nämlich der eigentliche Konflikt.

Auch der Masterplan, den die Landesregierung jetzt wieder erstellt hat, hat gezeigt, dass nach wie vor große Problemlagen vorhanden sind, dass wir es nicht hinbekommen, in vielen Bereichen sozusagen eine regionale, eine landesweite Marke zu bilden.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Herr Brockes, deshalb wäre es auch im Interesse der Sache gewesen, Sie hätten an dieser Stelle von vornherein den Konsens in diesem Hause gesucht,

(Dietmar Brockes [FDP]: Sie sitzen alle mit im Boot! Sie haben es nicht hinbekommen, wir haben es hinbekommen!)

um an dieser Stelle schlagkräftiger zu sein. Aber Sie haben den kurzfristigen Effekt gesucht. Jetzt können Sie überlegen – Sie haben die Verantwortung –, ob Sie da wieder rauskommen. Das zum Formalen.

Zum Inhaltlichen: Es ist natürlich richtig und wichtig, den Bereich Tourismus intensiv zu diskutieren und zu begleiten. Ich wäre nur nicht ganz so übertrieben erwartungsvoll, was die Arbeitsplatzzahlen angeht. Man muss immer rechnen: In der halben Million ist auch sehr viel Gastronomie enthalten. Was reine originäre, engere touristische Arbeitsplätze angeht,

haben wir in Nordrhein-Westfalen – formulieren wir es so – Nachholbedarf.

(Dietmar Brockes [FDP]: Was ist das denn?)

Man sollte auch ehrlich zueinander sein: Da können wir mehr tun. Da gibt es Potenzial – gar keine Frage –, aber es muss mehr getan werden. Der Masterplan ist deshalb erstellt worden, um zu qualifizieren, zu verbreitern und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Zum Inhaltlichen des Plans: Ich finde, dass er eine gute Blaupause abgibt, um Dinge neu anzugehen. Allerdings ist, was die Konsequenz angeht, eine Frage letztlich falsch beantwortet worden. Wir werden es nicht schaffen – davon bin ich überzeugt, und ich halte es auch nicht für sinnvoll –, eine Marke NRW am Markt zu etablieren. Wer reist nach Nordrhein-Westfalen? Man reist nach Bayern. Wenn man jedoch nach Nordrhein-Westfalen reist, reist man ins Sauerland, ins Münsterland, in die Eifel.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Ins Siegerland!)

Ich glaube, es wird nicht gelingen, krampfhaft eine touristische Marke Nordrhein-Westfalen zu etablieren. Das ist ein möglicher Fehlversuch.

Deshalb wäre aus unserer Sicht die Anstrengung besser investiert, tatsächlich die Regionen zu stärken. Ich glaube, wir haben touristisch vier oder fünf wirklich starke Regionen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Er hat es nicht ver- standen!)

Lassen Sie uns darüber einmal inhaltlich diskutieren. Lassen Sie uns auch mit Fachleuten, mit Touristikern, sprechen. Wo ist Nordrhein-Westfalen als Marke touristisch zu verankern? Bisher haben uns Touristiker erklärt, dass das ausgesprochen schwierig ist. Im Konzert der Bundesländer gibt es eigentlich nur zwei, die es geschafft haben – lassen wir mal die Stadtstaaten beiseite –, als Länder in irgendeiner Weise erkannt zu werden. Das ist Bayern, und das ist vielleicht MecklenburgVorpommern, aber auch da schon mit Abstrichen. Und wir wollen uns jetzt als Nordrhein-Westfalen zur neuen touristischen Marke aufmachen. Diesen Weg halte ich für falsch, zumindest für überehrgeizig.

Wir sollten uns eher auf das konzentrieren, was wir haben, nämlich auf unsere Regionen. Da ist noch viel zu leisten, nämlich die Regionen zusammenzuführen, dass es auf der einen Seite nicht die touristischen Neureichen und auf der anderen Seite die touristischen Armen gibt, die nichts miteinander zu tun haben wollen. Man sollte diese zusammenbinden, also weg von den Kirchtürmen, hin zu den Regionen.

Herr Kollege Remmel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ellerbrock?

Bitte schön, Herr Kollege Ellerbrock.

Herr Kollege Remmel, ich kann ja Ihren Gedankengang gut nachvollziehen, aber bei der Vielfalt der Interessen NordrheinWestfalens kann der Name Nordrhein-Westfalen für die Regionen auch eine Klammer sein.

Bedenken Sie doch bitte einmal: Wie viele Versuche sind schon gescheitert, weil man diese Klammer nicht hatte? Ich meine, es ist zumindest einen Versuch wert, Nordrhein-Westfalen nach vorne zu treiben.

Ich bedauere es auch. Wenn es das schon gäbe, wäre es schön. Aber wenn allein von den Menschen, die in Nordrhein-Westfalen wohnen, 25 % bei Befragungen nichts mit dem Namen Nordrhein-Westfalen anfangen können, um wie viel schwieriger wird es doch dann, diese Markte als touristische Marke in der Bundesrepublik oder im europäischen Ausland zu platzieren? Deshalb halte ich das eigentlich für einen Fehlversuch.

Ich würde mich gerne eines Besseren belehren lassen. Es ist nicht so, dass ich da zugenagelt wäre. Die Frage ist jedoch: Wo investiert man Geld und wo investiert man in Initiativen? Ich halte es an der Stelle für eine Fehlinvestition. Aber ich lasse mich gerne überzeugen, wenn die Fachdiskussion zu einem anderen Ergebnis kommt.

Der Punkt, den ich vermisse und wo ich bedauere – das habe ich auch im Arbeitskreis gesagt –, dass er bei der weiteren Kompetenzentwicklung nicht im Vordergrund steht, ist der Faktor Natur. Wir haben in Nordrhein-Westfalen große Potenziale für naturnahen Tourismus, die bisher nicht ausgeschöpft wurden. Frau Gießelmann hat gerade mit dem Beispiel Nationalpark Eifel deutlich gemacht, wie das funktionieren kann. Das geht aber nicht nur dort, sondern auch durch die Kreation mit dem, was sowieso schon da ist, nämlich das Zusammenbinden zu einer neuen Marke wie zum Beispiel dem Rothaarsteig. Das ist ein ausgesprochen naturnaher Tourismus. Da ist es gelungen, das hinzubekommen. Profil, Marke und die Übernachtungszahlen am Rothaarsteig sprechen eine eindeutige Sprache.

Diese Kompetenz muss weiterentwickelt werden. Sie ist in den Kompetenznetzwerken, wie Sie es vorschlagen, nicht enthalten.