Protokoll der Sitzung vom 11.09.2009

weil wir alle nicht wissen, was mit den Materialien, mit den Werkstoffen, mit denen diese Abfälle verpackt werden, nach 100, 200 oder 300 Jahren passiert.

Ich habe selbst an der Technischen Hochschule Aachen Maschinenbau studiert. Werkstoffkunde war eines der Fächer, die wir als Grundlage hatten. Aber Aussagen darüber, was mit Stählen passiert, wenn Sie Abfälle mit hohen radioaktiven Strahlen 200, 300 Jahre beinhalten, kann uns vernünftig niemand geben, weil wir überhaupt keine Erfahrungen damit haben.

Wir müssen diese Abfälle mindestens Tausende von Jahren sicher einlagern. Noch nie hat eine Zivilgesellschaft denen, die nach ihnen kommen, derartige Lasten aufgebürdet. Aber es gibt – egal, wie man zur Atomkraft steht – dazu keine Alternative. Wir sind in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das sicher und rückholbar geschieht. Wir müssen es auch die ganze Zeit überwachen und die

Abfälle unter Umständen zurückholen, weil es sein kann, dass wir in 200, 300 Jahren Abfälle besser konditionieren können. Deswegen muss man diese sichere Einlagerung auch erforschen. Weil wir davon ausgehen, dass die Werkstoffe, die wir jetzt haben, unter Umständen nicht halten, muss man das machen.

Deswegen geht es überhaupt nicht, was wir jetzt bei der Asse erlebt haben, dass man nukleare Abfälle einfach in ein Bergwerk kippt, in Stahlfässern den Hang herunterrollen lässt, mit Salz eindeckt, sozusagen einpökelt – das ist ja wohl der Begriff, den man dort genommen hat – und die Fässer dort liegen lässt. Jeder weiß, dass diese Blechfässer, wenn sie im Salz liegen, wenn Wasser in den Salzstock eindringt, durchrosten und damit Radioaktivität in die Grundwasserbereiche ausströmt. Das ist die ganz große Sorge bei der Asse.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das heißt, dieses Vorgehen ist unverantwortlich. Wir reden über 125.000 Fässer mit radioaktiven Abfällen, die dort lagern.

Die Konsequenz aus meiner Sicht kann nur sein: Man wird alles wieder herausholen müssen, man wird es neu verpacken müssen, man wird es sicher konditionieren müssen, und man muss es dann eine Endlagerstelle schaffen, wo man es jederzeit kontrolliert auch wieder herausholen kann, um es entsprechend wieder neu einzupacken. Das ist nicht schön, das wird unglaublich teuer, aber es gibt dazu überhaupt keine verantwortbare Alternative.

Wir haben zwei Endlager, die jetzt beide mit Wassereinbruch zu kämpfen haben. Morsleben konnte man noch der ehemaligen DDR anlasten, aber die Asse ist eindeutig ein westdeutsches Produkt. Das, was da passiert ist, ist – das kann man sagen – ein unglaubliches Versagen von Politik, von Bergaufsicht, von wissenschaftlichen Instituten, und es wird Milliarden kosten.

In den letzten Tagen ist bekannt und auch belegt worden, dass bei der Untersuchung des Salzstocks Gorleben massiver politischer Einfluss auf die Gutachter vorgenommen wurde. Das einzige Argument, das man für Gorleben jetzt noch hat: Es sind bereits 1,5 Milliarden € investiert worden, um ein Endlager zu erkunden und – man kann es genauso sagen – es faktisch vorzubereiten.

Aus meiner Sicht scheiden Salzstöcke nach den Erfahrungen, die man hat, als Endlager aus, weil alle Salzstöcke irgendwann unter Wassereinbrüchen zu leiden haben und dementsprechend keine sichere Gewähr bieten können.

Einen zweiten Punkt haben wir beantragt. Es kann eigentlich nicht sein, dass die alte Entscheidung für Gorleben, die vor dem Hintergrund „dünne Bevölkerungsdichte“, „Grenze zur DDR“, „wenig Widerstand zu erwarten“ und „Salz als ein möglicherweise ge

eignetes Lagermaterial“ gefällt worden ist, kontinuierlich so blockademäßig aufrechterhalten wird und sich die Bundesländer, die, nach dem, was wir wissen, möglicherweise geeignetere Formationen haben – die Skandinavier und die Schweizer gehen in Gesteinsformationen Granit und Ähnliches –, nämlich Bayern und Baden-Württemberg, die die höchste Erzeugung von atomaren Abfällen haben, konstant weigern, dass in ihren Ländern nach Standorten gesucht wird. Das ist eine Position, die man nicht akzeptieren kann.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Da wir alle wissen, dass wir ein solches Lager schaffen müssen – niemand kommt darum herum, auch wenn er der Atomkraft ablehnend gegenübersteht –, kann es nur so sein, dass man die Endlagersuche auch auf die Gesteinsformationen, auf Tonformationen, erweitert wie das in anderen europäischen Ländern der Fall ist. Das wird nicht gemacht.

Es ist ein Armutszeugnis, dass sich vor allem die christdemokratischen Fraktionen weigern und es unterstützen, dass in den beiden Bundesländern, in denen der meiste Abfall erzeugt wird, eine Standortsuche nicht stattfinden kann. Das kann nicht sein.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Man kann in Gorleben nicht so weitermachen wie bisher. Deswegen der zweite Punkt neben der rückholbaren Einlagerung: Auch die süddeutschen Granitformationen müssen auf ihre Eignung als Lagerstätten untersucht werden. Wer das nicht tut, trägt eine Mitschuld daran, dass es kein Endlager gibt. Das ist nicht zu verantworten. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Priggen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnetenkollege Weisbrich das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Priggen, wenn man Sie so reden hört, dann wünscht man sich manchmal nur eine Fachdiskussion ohne solche Anträge, wie Sie sie heute gestellt haben.

Ich stimme an einer Stelle auf jeden Fall mit Ihnen überein: Wer A wie Atomkraft sagt, muss auch E wie Endlagerung sagen. Das gilt völlig unabhängig davon, ob wir unsere Kernkraftwerke abschalten oder weiterlaufen lassen. So oder so: Die Endlagerfrage muss schnellstmöglich gelöst werden.

Ich habe jetzt allerdings den Eindruck: Das größte Hindernis auf dem Weg zu einer sicheren Endlagerung sind nicht geologische Formationen, sondern Glaubenskriege wie bei Herrn Gabriel und Herrn Trittin. Selbst der Dümmste muss doch langsam

merken, dass diese Herren eine allgemein akzeptierte sichere Endlagerung so lange wie möglich verhindern wollen,

(Beifall von der FDP)

damit sie weiter Urängste gegen Kernenergie in der Bevölkerung schüren können; denn das und nur das sichert ihre politische Existenz.

(Norbert Römer [SPD]: Das ist kein Sachbei- trag!)

Meine Damen und Herren, auch derjenige, der Kernreaktoren abschalten will, muss den Menschen erklären, wo er atomare Abfälle sicher und dauerhaft entsorgt.

(Norbert Römer [SPD]: Herr Kollege, das ist kein Sachbeitrag!)

Es geht doch nicht, dass wir sagen: „Wir schalten ab, und Endlager gibt es auch nicht“, denn gerade dann brauchen wir sie umso mehr.

Je ernster man die Ängste und Sorgen der Menschen nimmt, desto schneller muss man für Klarheit sorgen. Der Erkundungsstopp für das potenzielle Endlager in Gorleben, den die damalige rot-grüne Bundesregierung bis zum Jahr 2010 verhängt hat, ist das Gegenteil von einem Bemühen um Klarheit.

(Beifall von der FDP)

Ich halte dieses Moratorium für verantwortungslos. Es passt zu Herrn Gabriel, dass er es bis zum Ende seiner Amtszeit hütet wie seinen Augapfel. Das ist ihm das Allerwichtigste, dass in Gorleben nicht weiter untersucht wird.

Meine Damen und Herren, die Aufgabe eines Politikers ist es doch nicht, permanent Ängste zu schüren. Seine vornehmste Aufgabe sollte es doch sein, Menschen Sicherheit zu geben. Dieser Aufgabe, Kollege Priggen, sollten sich auch die Grünen bewusst sein.

Man kann selbstverständlich über den richtigen Weg und auch über den richtigen Ort zur sicheren Endlagerung trefflich streiten. Zu den Spielregeln in diesem Streit muss aber gehören, dass Fakten nicht manipuliert werden, an keiner Stelle und von niemandem.

Wir werden in den nächsten Tagen eine öffentliche Diskussion, eine Untersuchung haben, ob der Vorwurf von Herrn Gabriel bezüglich der Aktenmanipulation, der Gutachtenmanipulation in Sachen Gorleben zutreffend ist. Das ist noch keinesfalls entschieden. Das Kanzleramt schaltet sich da jetzt ein und wird das neutral überprüfen. Das halte ich auch für richtig. Manipulationen dürfen nicht sein. Das gilt dann aber wirklich für alle Beteiligten.

Das gilt auch für den Antrag, wie Sie ihn uns hier heute vorgelegt haben. Kollege Priggen, es ist doch nicht in Ordnung, wenn Sie so tun, als sei das ehe

malige Salzbergwerk Asse unmittelbar vergleichbar mit dem Salzstock in Gorleben.

(Beifall von der FDP)

Asse ist geprägt von mehr als 50 Jahren intensivem Salzbergbau, einem dadurch bedingten mechanisch instabilen Hohlraumsystem und einer nicht genügend mächtigen Steinsalzbarriere, die dieses Hohlraumsystem vom grundwasserführenden Deckgebirge trennt. Das ist die Situation in Asse. – Wir haben neulich einmal über Bergrutsche diskutiert. Das ist eine ähnliche Situation. Das sind lauter unkontrollierte Kavernen, die keine Stabilität mehr haben.

Der Salzstock Gorleben dagegen, der in dieser Form bereits seit mehr als 200 Millionen Jahren besteht, der ist völlig unverritzt, dort ist also kein Bergbau betrieben worden. Und die für die Endlagerung benötigten Hohlräume sind dort allseits von ausreichend mächtigen Steinsalzschichten umgeben. Das ist eine ganz andere Situation.

Darüber hinaus ist es nicht in Ordnung, wenn Sie in Ihrem Antrag den Anschein erwecken, als seien in Asse 125.000 Fässer „mit hoch radioaktiven Abfällen“ unsachgemäß gelagert worden.

(Reiner Priggen [GRÜNE]: Das steht nicht drin!)

Das steht drin: hoch radioaktiv! Das steht drin, fast am Ende der ersten Seite. Da kann man nur den logischen Bezug herstellen, dass Sie mit den hoch radioaktiven Abfällen die 125.000 Fässer meinen. Tatsächlich – das wissen Sie vermutlich ganz genau – enthalten die 125.000 Gebinde nur schwach radioaktives Material wie Misch- und Laborabfälle, Bauschutt, Schrott oder Filter- und Verbrennungsrückstände.

Ich verkenne nicht – auch das gehört zur Wahrheit –, dass daneben rund 2.000 Fässer auch Abfälle mit mittlerer Radioaktivität enthalten, aber eben mittlerer und nicht hoher Radioaktivität, und dass dem Betreiber bei der Addition des Plutoniumgehalts dieser Fässer ein grober, für mich kaum nachvollziehbarer Fehler unterlaufen ist. Da nach wie vor aber jedes dieser 200-Liter-Fässer maximal 15 g Plutonium enthält, bleibt die Risikolage mit oder ohne Additionsfehler praktisch unverändert.

Ich denke, da sollten Sie nicht so tun, als stünde eine Kernschmelze in Asse unmittelbar bevor und wir müssten nun alles total anders machen. Es mag sein, dass das Konzept für die Endversiegelung von Asse geändert werden muss, dass es nicht trägt. Dann kann man immer noch sagen: Wir müssen den Standort aufgeben und eine neue Konzeption finden. – Aber wir sollten nicht jetzt schon so tun, als stünde eine Kernschmelze da unmittelbar bevor.

Ich meine, die Argumente, die Sie in Ihrem Antrag vorbringen, reichen keinesfalls aus, um mitten im Strom die Pferde zu wechseln und die Erkundung

von Gorleben zugunsten unbekannter Alternativen – wir haben ja noch keine – abzubrechen. Das bedeutete wieder nur Verzögerung – in dem Sinne, was ich zu Herrn Trittin und Herrn Gabriel gesagt habe – um eine nicht absehbare Zeitspanne. Wie viele Jahre soll das denn noch dauern? Eine solche Verzögerung wollen wir auf keinen Fall. Deshalb lehnen wir den Antrag so, wie er gestellt ist, ab.

Da niemand mit Sicherheit weiß, ob die Prüfung von Gorleben zu einem positiven Ergebnis führt, würde ich persönlich es allerdings für vernünftig halten, bereits jetzt Vorsorge zu treffen für den Fall eines Falles. Also: Gorleben muss zu Ende geprüft werden. Wenn es ein positives Ergebnis gibt, dann ist das in Ordnung, dann ist Gorleben das Endlager. Aber man sollte nicht bis zur letzten Sekunde warten, um sich Alternativen zu überlegen.

Man muss jetzt aber auch nicht unbedingt politisch zündeln, Feuer legen, indem man sagt: Die BadenWürttemberger oder die Bayern mit ihren Granitformationen sollen herangezogen werden. – Ob da etwas machbar ist, weiß man nicht; aber man zündelt schon einmal kräftig, wiegelt die Bevölkerung auf, um die Ablehnungsfront noch weiter zu stärken.

Aber man könnte beispielsweise Gespräche mit der Schweiz