Protokoll der Sitzung vom 11.09.2009

Deutschland braucht im Sinne einer sicheren, preiswerten und umweltverträglichen Energieversorgung zur Deckung der Stromnachfrage weiterhin den bewährten Mix aus fossilen und erneuerbaren Energieträgern und Kernenergie. Diese steht ohne Klimabelastung und ohne Mehrkosten zur Stromerzeugung zur Verfügung und ist somit wenigstens als Brückentechnologie für einen effizienten Klimaschutz unentbehrlich.

So nutzen in Europa neun Länder die Kernenergie ohne Ausstiegsbeschlüsse. Schweden hat kürzlich den dortigen Atomausstieg revidiert. Von weiteren fünf Ländern überprüfen derzeit Belgien und die Niederlande ihre Ausstiegsbeschlüsse. Zudem führen die Niederlande mit Großbritannien Gespräche über die gemeinschaftliche Nutzung der Kernenergie. Auch Frankreich und Großbritannien haben ein Abkommen über die Nutzung der Kernenergie beschlossen.

Offensichtlich hat auch die SPD erkannt, dass die Kernenergienutzung zur Senkung und Stabilisierung der Strompreise beiträgt. Nichts anderes besagt doch wohl die Forderung, die Wettbewerbsfähigkeit der Stadtwerke auf dem Strommarkt nicht durch Laufzeitverlängerungen zu gefährden.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Die Landesregierung unterstützt die Entwicklung der Stadtwerke, insbesondere auch im Sinne einer Belebung des Wettbewerbs auf dem Energiemarkt. Unsere Stadtwerke zeichnen sich durch ihre Nähe zum Kunden und ihre Innovationskraft aus. Besonders geeignet sind daher ganz sicher Entwicklungen zum Beispiel im Bereich der dezentralen Energieerzeugung, der Steigerung der Energieeffizienz beim Kunden oder des Verteilnetzbetriebs.

Das kann aber nicht bedeuten, dass grundlastfähige Kraftwerke keine Existenzberechtigung mehr haben sollen. Zur Sicherung des Industriestandorts werden wir noch jahrzehntelang auf eine sichere und preiswerte Grundlastversorgung mit Strom angewiesen sein.

Meine Damen und Herren, nun zu dem Antrag der Grünen:

Die zuständige Fachbehörde des Bundes, die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, hat die geologischen Untersuchungen des Salinars des Salzstocks Gorleben, die bis zum Beginn des Moratoriums am 1. Oktober 2000 im Rahmen der über- und untertägigen Erkundung durchgeführt

worden sind, in ihrer Standortbeschreibung Gorleben Teil 3 aus 2008 dargestellt und hinsichtlich ihrer langzeitsicherheitlichen Auswirkung für ein geplantes Endlager für radioaktive Abfälle bewertet. Sie kommt zu folgendem Ergebnis – Zitat –:

Trotz der noch nicht abgeschlossenen Erkundung … kann nach den bisherigen Untersuchungen festgestellt werden, dass aus geowissenschaftlicher Sicht keine Erkenntnisse aus dem Salinar gegen langzeitsicherheitliche Eignung des Salzstocks Gorleben für die Endlagerung radioaktiver Abfälle vorliegen.

Meine Damen und Herren, Deutschland macht derzeit alle Phasen der Endlagerung durch. Das Endlager Morsleben für schwach und mittelradioaktive Abfälle in Sachsen-Anhalt sowie das ehemalige Forschungsbergwerk Asse in Niedersachsen, in das ebenfalls schwach und mittelradioaktive Abfälle eingelagert wurden, müssen stillgelegt werden. Insbesondere die Asse hat, wie wir alle wissen, in den letzten Monaten viele – zumeist negative – Schlagzeilen gemacht.

Gerade deshalb gilt es klarzustellen, dass die Vorkommnisse in der Schachtanlage Asse nicht auf ein potenzielles Endlagerbergwerk im Salzstock Gorleben übertragbar sind.

Der Laugenzufluss in der Asse spricht auch nicht gegen die grundsätzliche Eignung von Salz als Wirtsgestein für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen. Im Gegensatz zur Asse ist der Salzstock Gorleben unverritzt, das heißt, es wurde zu keiner Zeit Salzbergbau betrieben. Im Salzstock wurden bislang nur speziell für die Erkundung benötigte Hohlräume aufgefahren. Aufgrund der Sicherheitskriterien für die Endlagerung werden die neu zu schaffenden Hohlräume allseits von einer ausreichend mächtigen Schicht von Steinsalz umgeben sein. Hierdurch werden von Anfang an AsseProbleme ausgeschlossen.

Alle international durchgeführten oder laufenden Verfahren für die Festlegung eines Endlagerstandorts weisen in hohem Maße nationale Besonderheiten sowie wirtssteinbedingte konzeptionelle Unterschiede auf. Ein einheitliches internationales Vorgehen lässt sich hieraus nicht ableiten.

Das deutsche Atomgesetz fordert bereits seit 1976, dass ein Endlagerstandort höchste Sicherheitsanforderungen erfüllen muss, sodass eine Gefährdung von Mensch und Umwelt sicher ausgeschlossen werden kann. Ziel ist es, einen entsprechend geeigneten Standort zu finden.

In Deutschland ist Steinsalz aufgrund seiner Gesteinseigenschaften besonders gut als Wirtsgestein für die Endlagerung geeignet. Die erforderlichen langjährigen bergbaulichen und wissenschaftlichen Erfahrungen für die Endlagerung im Steinsalz liegen in Deutschland vor. Der Salzstock Gorleben wurde 1977 mittels eines aufwendigen Auswahlverfahrens

aus über 140 Salzstöcken ermittelt und wird bereits seit 1979 übertägig und seit 1983 untertägig erkundet.

Zudem hat die BGR in den letzten Jahren für die potenziellen Wirtsgesteine Steinsalz, Tonstein und Kristallingestein alle möglichen Standortregionen in Deutschland ermittelt. Als Ergebnis wurden neben dem Salzstock Gorleben und den bereits 1995 von der BGR bewerteten Salzstöcken Tonsteinvorkommen der Unterkreide in Norddeutschland und des Jura in Nord- und Süddeutschland als untersuchungswürdige Wirtsgesteinformationen genannt.

Die Kristallinvorkommen Deutschlands, zum Beispiel Granit, sind ausgewiesen und geologisch kartiert. Aus den bisherigen Bergbauerfahrungen und geologischen Erkundungen geht hervor, dass in Deutschland homogene und ungeklüftete Bereiche im Kristallin in einer für die Errichtung eines Endlagerbergwerks notwendigen räumlichen Ausdehnung nicht zu erwarten sind.

Zusammenfassend kommt die BGR zu dem Ergebnis, dass das Wirtsgestein Steinsalz in Deutschland für die Endlagerung von hoch radioaktiven wärmeentwickelnden Abfällen zu favorisieren ist. Für Steinsalz sprechen nach Ansicht der BGR auch Vorteile aus dem Vergleich der anzuwendenden Endlagerkonzepte für die Wirtsgesteine Steinsalz, Kristallingestein und Tonstein.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Das Thema Rückholbarkeit von radioaktiven Abfällen aus dem Endlager wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Darunter wird die Möglichkeit verstanden, eingelagerte Abfälle im Bedarfsfall ohne großen technischen Aufwand aus einem Endlager zurückzuholen. Für diese Option werden vor allem ethische, ökonomische und sicherheitsbezogene Argumente genannt. Insbesondere die sicherheitsbezogenen Argumente sind umstritten.

Bei allen in Deutschland diskutierten Plänen zur Rückholbarkeit wird letztlich allerdings die Endlagerung angestrebt. Auf dem Weg dorthin werden mehrere Phasen mit fortschreitender Verfüllung von Endlagerungsbereichen, Zugangsstrecken und Schächten durchlaufen. Der Zugang zu den Abfällen wird von Phase zu Phase schwieriger. Der technische Aufwand für die Rückholung nimmt daher zu. Nach Verschluss des Endlagers ist die Rückholung nur noch mit bergmännischen Verfahren möglich. Über die genaue Ausgestaltung und Dauer der Phasen existieren keine einheitlichen Vorstellungen. Für den Zeitraum mit technisch relativ einfacher Rückholbarkeit werden international mehrere Jahrzehnte bis einige Jahrhunderte diskutiert.

Die technische Umsetzung von Rückholbarkeitskonzepten ist unter anderem vom Wirtsgestein abhängig. Die unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften der Gesteine erfordern unterschiedliche technische Lösungen und unterschiedlichen

Aufwand für die Aufrechterhaltung der Zugangsmöglichkeit an die Abfälle. Deshalb kann die Absicht der Rückholbarkeit sowohl die Entscheidung für oder gegen bestimmte Wirtsgesteine als auch die Standortauswahl beeinflussen.

Ein Argument wird von Ihnen seltsamerweise selten vorgetragen: Gegen die dauerhafte Rückholbarkeit spricht die international geforderte Proliferationssicherheit.

Die Rückholbarkeit der Abfälle ist übrigens in dem aktuellen Entwurf der „Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom Juli 2009 ausdrücklich nicht als Bestandteil des Planfeststellungsverfahrens genannt.

Meine Damen und Herren, notwendig sind nach unserer Überzeugung also die Aufhebung des Moratoriums sowie die Fortführung und der Abschluss der ergebnisoffenen Erkundung des Salzstocks Gorleben. Herr Priggen, Sie scheinen das ebenfalls so zu sehen; denn sonst hätten Sie nicht sagen können, dass Sie auch die Untersuchung anderer Stellen mit in den Blick nehmen. Nur durch die ZuEnde-Erkundung kann eine endgültige Aussage über die Eignung als Endlager getroffen werden. Bislang sprechen alle Erkundungsergebnisse dafür, dass der Salzstock Gorleben geeignet ist.

Ich darf ein Zitat anführen:

Die bisherigen Erkenntnisse über ein dichtes Gebirge und damit die Barrierefunktion des Salzes wurden positiv bestätigt. Somit stehen die bisher gewonnenen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben... nicht entgegen.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Dieses Zitat stammt aus der Anlage 4 zu der auch von Herrn Trittin abgezeichneten Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen aus dem Juni 2000.

Ich darf mit einem weiteren Zitat abschließen:

Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass ich Ihnen im Februar 2007 den Vorschlag unterbreitet habe, die bisherigen Ergebnisse zu Gorleben einer internationalen Überprüfung durch die OECD/NEA zu unterziehen. Diesen Vorschlag haben Sie leider nicht aufgegriffen. Umso mehr bin ich entschlossen, einen solchen Review-Prozess in der kommenden Legislaturperiode auf den Weg zu bringen.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Gerne bin ich bereit, dieses Verfahren bereits jetzt gemeinsam mit Ihnen zu beginnen.

Dieses Zitat stammt aus einem Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes vom 9. September 2009 an den Bundesumweltminister. – So viel zur

Glaubwürdigkeit der derzeit laufenden aktuellen Debatte.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Ministerin Thoben. – Für die SPD spricht nun Herr Kollege Stinka.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dem einen oder anderen Punkt kann man doch noch einmal Stellung nehmen. – Wir haben in unserem Entschließungsantrag noch einmal deutlich gemacht, dass es darum geht, das Vertrauen in der Bevölkerung deutlich zu stärken. Wenn man so vorgeht, wie das hier geschieht, wird kein Vertrauen entstehen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Weil uns hier erklärt wird, welche tollen Atomprojekte sich überall um uns herum entwickeln, verweise ich einmal auf die „Süddeutsche Zeitung“ vom 2. September 2009. Darin wird geschildert, dass sich Siemens und Areva um ihr finnisches Kernkraftwerk Sorgen machen, weil die Kosten massiv aus dem Ruder laufen. Die Inbetriebnahme soll statt 2009 jetzt erst 2012 stattfinden, Frau Thoben. Außerdem belaufen sich die Kosten bereits jetzt auf 3,2 Milliarden €. – So viel zur Zukunftsfähigkeit von Atomenergie.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

Sie haben das ja gerade auch alles so dargestellt. Es wurde noch einmal die gesamte Debatte für und wider Atomkraft geführt. – Das ist der Sachstand, der sich ergibt. Hier schaufeln wir Milliardengräber.

Diese Gräber sollen nach unserer Auffassung nicht entstehen. Wir haben in unserem Antrag deutlich gemacht, dass wir für einen Endlagerstandort sind. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass wir ergebnisoffen suchen müssen und dass sich alle Länder an diesem Prozess beteiligen müssen. Denn eines war doch ganz erstaunlich: Als es um die Frage der Endlagerung ging, haben die beiden Ministerpräsidenten von Bayern und BadenWürttemberg sekundenschnell in der Presse erklärt: Bei uns nicht! – Das halten wir Sozialdemokraten nicht für solidarisch.

(Beifall von der SPD)

So kann man eine Energieversorgung in Deutschland nicht aufbauen. Das ist unmöglich. So kann man auch mit den Menschen nicht umgehen. Die Menschen sind ja nicht dumm, Herr Weisbrich. Sie sagen: Aha, ihr wollt das länger laufen lassen, aber den Müll schickt ihr nach Norden, Niedersachen, früher SPD-regiert, heute seit langem – das möchte ich Herrn Brockes einmal sagen – von Herrn Wulff

regiert. Das zu Asse. Da hat sich auch die Aufsicht das eine oder andere geleistet.

(Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

Frau Thoben, Sie stellen hier nicht die Fragen. – Ich will ganz deutlich sagen: Sie können sich da nicht wegducken. Herr Wulff regiert in Niedersachsen auch schon geraume Zeit, Herr Brockes.

(Zuruf von Ministerin Christa Thoben)