Protokoll der Sitzung vom 04.11.2009

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit will ich es sehr kurz machen.

Frau Hendricks, Ihren Lokalpatriotismus kann ich verstehen.

(Renate Hendricks [SPD]: Das hat mit Lokal- patriotismus nichts zu tun!)

In der Sache aber laufen Ihre Vorwürfe samt und sonders ins Leere. Bei Ihrer Kritik vermengen Sie verfassungsrechtliche Argumente mit der Unabhängigkeit der Geldpolitik. Sie vermengen die Zusammenführung von rechtlichen Kompetenzen mit Standortfragen. Kompetenzen haben mit Standortfragen überhaupt nichts zu tun. Im Koalitionsvertrag steht unmissverständlich: „Die Standorte der bisherigen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht stellen wir nicht infrage.“

Deshalb aus meiner Sicht ein klarer Befund: Sie betreiben hier wieder einmal ganz bewusst Panikmache und handeln damit einmal mehr bewusst politisch verantwortungslos.

Wir haben in unserem Entschließungsantrag deutlich gemacht, warum wir eine generelle Zusammenführung der Bankenaufsicht wollen und warum diese Zusammenführung unter dem Dach der Bundesbank erfolgen soll. Das sind im Wesentlichen die gleichen Gründe, aus denen auch der ehemalige Bundesbankpräsident Ernst Welteke, der bekanntlich Mitglied Ihrer Partei war, bereits im Jahr 2000 eine Zusammenführung der Bankenaufsicht bei der Bundesbank gefordert hat. Seine damalige Auffassung, dass alle wesentlichen Entscheidungen zentral getroffen werden müssen, hat sich gerade jetzt in der Krise bestätigt.

(Gisela Walsken [SPD]: Eben nicht! Ganz im Gegenteil!)

Meine Damen und Herren, es gibt noch einen weiteren wesentlichen Gesichtspunkt zu beachten: Die Struktur der Bankenaufsicht muss der bereits weit fortgeschrittenen Europäisierung der Bankenwirtschaft Rechnung tragen, und eventuelle Aufsichtslücken bei grenzüberschreitenden Geschäften müssen geschlossen werden.

Herr Kollege, es gibt eine Zwischenfrage von Frau Walsken. – Frau Walsken.

Herr Kollege Weisbrich, habe ich das jetzt richtig verstanden, dass Sie einer Zusammenlegung von Bundesbank und BaFin deshalb das Wort reden, weil Sie der Meinung sind, die BaFin habe in der Krise versagt?

Entschuldigung, ich habe den Schluss akustisch nicht verstanden. Bitte noch einmal!

Gerne noch einmal: Sind Sie der Auffassung, dass eine Zusammenlegung von Bundesbank und BaFin erforderlich ist, weil die BaFin in der Krise versagt hat?

Nein, das habe ich nicht gesagt. Es gibt eine ganze Reihe von Gesichtspunkten, die ich nicht im Einzelnen ausführen will und zu Protokoll geben werde. Weder die Bundesbank noch die BaFin haben die Krise so vorausgesehen, wie sie gekommen ist. Aber es gibt sehr gewichtige Gründe, die für dieses Vorhaben sprechen. Auch Ihr Parteikollege, der ehemalige Bundesbankpräsident Welteke hat seinerzeit gesagt, dass alle wesentlichen Entscheidungen zentral getroffen werden müssen.

Das ist unsere Auffassung. Wir sind, wie gesagt, weiterhin der Auffassung, dass die Struktur der Bankenaufsicht europäischen Gesichtspunkten Rechnung tragen muss, damit eventuelle Aufsichtslücken bei grenzüberschreitenden Geschäften geschlossen werden. Auch das geht mit einer Zentralisation sehr viel besser.

In diesem Sinne stärkt die Eingliederung der nationalen Bankenaufsicht in die Deutsche Bundesbank als Bestandteil des europäischen Systems der Zentralbanken auch eine EU-Finanzmarktaufsicht.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Die, Frau Kollegin Walsken – da werden Sie mir recht geben – haben wir nach den jüngsten Erfahrungen bitter nötig.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Sie werden verstehen, dass wir an Ihrem Antrag keinen Spaß haben. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Herr Kollege Dr. Orth, Sie sind als nächster Redner an der Reihe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht wundern, dass auch ich nicht für den Antrag der Sozialdemokraten votieren möchte. Ich finde es auch etwas erstaunlich, dass die Kollegin Hendricks hier sagt, wir hätten die Verlegung der BaFin nach Frankfurt im Koalitionsvertrag beschlossen. Das steht da nicht, Frau Kollegin Hendricks.

(Gisela Walsken [SPD]: Das Gegenteil aber auch nicht!)

Sie können da doch nichts hineininterpretieren. Sie haben vielleicht früher immer versucht, etwas in Ihre Koalitionsverträge hineinzuinterpretieren. Aber bitte machen Sie das nicht bei uns.

Sie haben hier gesagt, es habe früher offenkundig der Wille zur Kontrolle gefehlt. Sie sagen auch, die BaFin, die 2002 eingerichtet wurde, sei in Ordnung. Die wollen Sie bestehen lassen. Ich frage Sie: Haben Sie nicht die Traute, einmal zuzugeben, dass die rot-grüne Konstruktion der BaFin von 2002 die Krise jedenfalls nichts verhindert hat, meine Damen und Herren? Das muss man hier doch einmal eindeutig festhalten. Ihre Behörde jedenfalls hat hier nichts bewirken können.

Wenn man Ihnen so zuhört, dann, meine ich, sind Sie anscheinend die eigentlichen Konservativen. Sie haben die Zeichen der Zeit wirklich in jeder Beziehung verpasst, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Wir glauben, dass es wichtig ist, zukünftig die Aufsichtslücken zu schließen. Es ist doch ein Wahnsinn, wenn parallel Dinge erhoben werden, das Ganze aber nicht vernetzt ist, wenn auch unterschiedliche Dinge erhoben werden. Ich selbst war bis vor wenigen Monaten an einem BaFin-regulierten Finanzdienstleistungsinstitut beteiligt. Was man da erlebt: Auf der Bundesbankseite, auf der BaFinSeite, da werden Dinge ausgefüllt noch und nöcher,

(Gisela Walsken [SPD]: Gut so!)

da wird nach Lebensläufen von Geschäftsführern gefragt, nach Relationen von Verwaltungskosten zu Umsatz, Gewinn und sonst etwas; da werden unglaubliche Kräfte in den einzelnen Häusern gebunden. Und was ist das Ergebnis? – Man hat nichts gemerkt bei den Kreditinsituten, meine Damen und Herren.

Wollen Sie allen Ernstes diesen Zustand fortführen? – Wir jedenfalls nicht.

(Beifall von der FDP)

Wir wollen bündeln, wir wollen, dass alle Dinge in einer Behörde sind. Ob Sie sie bei der BaFin oder bei der Bundesbank aufhängen, ist letztendlich eine Frage des Geschmacks.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Nein, keine Ge- schmacksfrage! Das ist eine fachliche Frage!)

Man hat sich in Berlin für die eine Variante entschieden. Aber dass die Bündelung kommen muss, ist aus meiner Sicht unumgänglich.

Zu den Standorten. In Zeiten von E-Mail und Computern, von Telefonen und Videokonferenzen ist es doch schon sehr erstaunlich, dass Sie meinen, immer dann, wenn man etwas unter einem Dach zusammenfassen will, es auch räumlich tun zu müssen, meine Damen und Herren. Dann erklären Sie mir einmal, wie das eigentlich zwischen Berlin und Bonn mit den Behörden, mit den Ministerien und mit den Beschäftigten funktioniert. Da gibt es doch auch Möglichkeiten. Da gibt es durchaus immer noch Leute, die in Bonn arbeiten, auf der anderen Seite werden Dinge in Berlin entschieden. Warum soll das bei der BaFin und bei der Bundesbank nicht möglich sein, meine Damen und Herren? Das ist doch Mumpitz. Sie wollen die Leute verunsichern, Sie wollen ihnen Sorgen bereiten, die unbegründet sind.

(Beifall von FDP und CDU – Gisela Walsken [SPD]: So dumm sind die Leute nicht!)

Herr Dr. Orth, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Hendricks?

Nein, gestatte ich nicht, Herr Präsident.

Ich möchte bald zum Schluss kommen. Ich möchte noch darauf hinweisen: Wer zwischen Bonn und Frankfurt mit dem Zug fährt, braucht rund 35 Minuten, wer mit der Straßenbahn von Düsseldorf-Benrath nach Düsseldorf City fährt, ebenfalls. Von Düsseldorf-Benrath bis in die City zu fahren, ist den Menschen offenbar zuzumuten. Ich sage, es ist den Menschen hier und da auch zuzumuten, mit dem Zug von Bonn nach Frankfurt zu fahren. In dem Sinne werden wir den Antrag ablehnen und dem Entschließungsantrag zustimmen. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Orth. – Nächster Redner ist Herr Groth von der Fraktion der Grünen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Herr Kollege Orth, das ist keine Geschmacksfrage. Es ist eine ausgesprochen fachliche Frage, ob man bei der BaFin zusammenlegt oder bei der Bundesbank. Das will ich Ihnen im Folgenden auch erklären.

Ich bin auch darüber etwas irritiert, dass die Arbeitsplatzfrage in den Vordergrund geschoben wird. Sie ist eine wichtige Frage, insbesondere für die Betroffenen – ganz klar – und auch für Wahlkreisabgeordnete. Das verstehe ich sehr gut. Aber zielführend ist sie nicht angesichts der notwendigen Entscheidung, wo und wie wir die Reform durchführen müssen.

(Zustimmung von Christian Weisbrich [CDU])

Herr Weisbrich, warten Sie noch einen Augenblick. Denn wir folgen Ihnen nicht in der Beurteilung, ob der Koalitionsvertrag so richtig ausgehandelt ist oder ob das falsch ist. Eindeutig ist die Entscheidung dafür, die Finanzaufsicht bei der Bundesbank zusammenzuführen, fachlich falsch. Das werde ich Ihnen auch begründen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Unruhe von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, nicht aufregen, man kann auch mal etwas in einen Koalitionsvertrag geschrieben haben und am Ende, nach einem Augenblick des Nachdenkens – den gönnen Sie sich doch einmal –, feststellen: Ja, das war vielleicht ein guter Gedanke, aber am Ende trotzdem falsch. Wir machen das noch einmal neu und anders. – Darum geht es doch jetzt. Es geht nicht so sehr um die Frage, ob die Arbeitsplätze in Bonn oder in Frankfurt sind. Aber auch das mag natürlich eine Rolle spielen.

Was haben wir? – Im Moment haben wir einen Dualismus. Das hat uns nicht davor bewahrt, in diese tiefe Krise zu kommen. Deshalb wollen wir eine Reform.

Die aufsichtsrechtlichen Funktionen für Sanktionen, also die hoheitliche Aufsicht, liegen zurzeit bei der BaFin. Die Bundesbank dagegen hat den operativen Teil der Bankenaufsicht, das heißt, sie wertet die regelmäßigen Berichte der Banken aus, prüft die Eigenkapitalausstattung, prüft die vorgenommene Risikosteuerung. Soweit die Aufteilung jetzt.

Dass man das zusammenführen muss, ist, meine ich, sonnenklar, weil diejenigen, die diese Prüfung machen, die über die Informationen verfügen, am Ende doch die aufsichtsrechtlichen Sanktionen durchführen können müssen. Das heißt, das muss in eine Hand. Soweit, so gut. Darüber sollte das Hohe Haus jedenfalls keinen Zwist und keinen Streit haben.

Jetzt haben wir eine Initiative der Bundesbank, die von Ihrer Koalition verlangt hat, das so zu tun. Am