Protokoll der Sitzung vom 05.11.2009

Meine Damen und Herren, ich denke, es ist uns letztendlich allen klar, dass wir mehr Anstrengungen zur Bekämpfung von Armut und Hunger machen müssen. Das ist nötiger denn je. Wir wissen, dass sowohl die Klima- als auch die Finanzkrise die armen Länder in der Welt besonders dramatisch trifft. Wir wissen, dass unser westlicher Lebensstil, unser maßloser Ressourcenverbrauch, unsere Art des Wirtschaftens unmittelbar verbunden ist mit dem Hunger und der Armut in den Ländern des Südens.

Übrigens wird dieser Zusammenhang zwischen unserer Art zu leben und Ressourcen zu verbrauchen und den Auswirkungen auf die armen Länder im Antrag vollkommen ausgeblendet. Das steht vollkommen beziehungslos nebeneinander.

Wir wissen, dass wir, obwohl wir uns im Landtag in einem gemeinsamen Antrag verpflichtet haben, die Millenniumsziele zu erreichen, weiter denn je von der Erreichung dieser Ziele entfernt sind. Denn gerade in dem einen großen Ziel, die Anzahl der Hungernden in der Welt zu halbieren, haben wir im Moment nicht Fortschritte, sondern wir haben Rückschritte. Wir wissen – das zeigt die Hungerkatastrophe, die im politischen Raum leider viel zu wenig diskutiert wird, weil andere Dinge offenbar immer wichtiger sind –: Die Anzahl der hungernden Menschen in der Welt hat jetzt die Eine-Milliarde-Grenze überschritten. Meine Damen und Herren, das ist ein Armutszeugnis für uns alle. Das ist ein Armutszeugnis auch für unsere bisherigen Anstrengungen, den Hunger wirksam zu bekämpfen. Das muss einfach einmal so deutlich gesagt werden. Insoweit ist es gut, dass wir das Thema heute debattieren.

Sie beschreiben in dem Antrag sehr vieles, was richtig ist. Sie beschreiben die Verantwortung, die alle Ebenen – von der obersten staatlichen Ebene bis zur kommunalen Ebene – in diesem Feld zu übernehmen haben, dass wir auf allen Ebenen gefordert sind, einen Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit zu leisten. Sie zitieren für die Landesebene das gemeinsame Papier, das die Ministerpräsidenten sozusagen als Manifest für die landespolitischen Aufgaben in der Entwicklungszusammenarbeit formuliert haben.

Aber auch da verschweigen Sie einen wichtigen Punkt. Unter Punkt 8 dieses Papiers wird nämlich als wichtigste landespolitische Aufgabe beschrieben: Es ist die wichtige Aufgabe der Länder, die entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit zu fördern. – Das hat gemeinsam mit den anderen Ministerpräsidenten auch unser Ministerpräsident Rüttgers unterschrieben. Und warum unterschlagen Sie das in Ihrem Antrag? Das ist

ziemlich deutlich: weil nämlich all diese schönen Forderungen, die Sie hier aufzählen, die kommunalpolitische Verantwortung und auch die landespolitische Verantwortung für die Bildungs- und Informationsarbeit, mit keinem Cent an Haushaltsmitteln unterlegt sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das wird in dem Antrag am Ende ganz lapidar angemerkt: Die finanziellen Plafonds sollen nicht überschritten werden. – Das ist eine sehr kryptische Formulierung. Sie schreiben, die Vorgaben des Einzelplans 15 seien einzuhalten. Das bedeutet: Ihre Kürzungen, die Sie 2006, ein Jahr nach Regierungsantritt, vorgenommen haben – 400.000 € herausgestrichen aus der Promotorinnenarbeit, aus der Arbeit der Koordinatorinnen, aus der Eine-Welt-Arbeit, der ehrenamtlichen Arbeit, die Sie sonst an jeder Stelle für so wichtig erachten –, werden nicht zurückgenommen. Auch die Kürzung von 900.000 €, die noch unter Rot-Grün für die kommunale Entwicklungszusammenarbeit vorgesehen waren, wird nicht zurückgenommen.

Das bedeutet letztendlich, meine Damen und Herren: All die schönen Worte, all die schönen Zielbeschreibungen, die wir vorher lesen konnten, sind Schall und Rauch, sind Makulatur, weil Sie nicht bereit sind, das mit finanziellen Mitteln zu unterlegen. – Und das ist das Grundfazit zu Ihrem Antrag.

(Beifall von den GRÜNEN)

Hinter diesem Thema mache ich einen Punkt.

Ich will jetzt gerne die Gelegenheit wahrnehmen – in diesen Tagen gibt es ja viel Abschied –, lieber Christian Lindner, mich von Ihnen an dieser Stelle zu verabschieden. Es ist die letzte Debatte, die wir hier gemeinsam plenar bestreiten.

Ich bedauere es sehr, dass Sie nicht mehr in diesem Landtag vertreten sein werden. Denn trotz allen Streits und trotz aller Auseinandersetzungen – wir haben oftmals diametral entgegengesetzte Position; das haben wir eben wieder gemerkt – ist es immer wieder gelungen, mit Ihnen auf einem sehr hohen Niveau zu diskutieren. Das schätze ich sehr. Das intellektuelle Niveau dieses Landtags wird ein Stück sinken, wenn Sie nicht mehr da sind. Ich habe auch die Debattenkultur, die wir gepflegt haben, sehr geschätzt.

Ich habe Sie in Anlehnung an eine Zuschreibung, die Sie noch von Möllemann hatten, einmal KampfBambi genannt. Aber auch nach großen Auseinandersetzungen konnte man mit Ihnen noch einen Kaffee trinken. Das ist politische Kultur, und das würde ich mir an anderer Stelle auch wünschen.

Alles Gute im Bundestag, Herr Lindner! Ich hoffe, dass wir uns an der einen oder anderen Stelle einmal wiedersehen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Jetzt erhält Herr Minister Laschet das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag unterstützen die Fraktionen von CDU und FDP den entwicklungspolitischen Ansatz, der seit der Verabschiedung der entwicklungspolitischen Leitlinien 2007 von der Landesregierung praktiziert wird, und sie geben wichtige Impulse für die Ausrichtung der Entwicklungspolitik des Landes sowie Rückendeckung.

Gute Regierungsführung ist eine Grundvoraussetzung unserer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Wir praktizieren dieses Prinzip in der Partnerschaft mit der Provinz Mpumalanga in Südafrika, und bei der Auswahl des Partnerlandes Ghana hat genau dies eine Rolle gespielt. Ghana ist eine Musterdemokratie in Afrika. Es ist ein Land mit einer Regierungsführung, die sozialmarktwirtschaftliche Strukturen pflegt und Entwicklung für die Menschen ermöglicht. Ein Regierungswechsel bei einem Abstimmungsergebnis von 49,5 % zu 50,5 %, bei dem der Präsident die Macht friedlich übergibt, ist eine wirkliche Ausnahmesituation in Afrika; insofern ist Ghana ein richtiger Partner.

Wenn wir Christian Lindners Forderung folgen und nur noch mit Demokratien und Staaten, die die Menschenrechte achten, Entwicklungszusammenarbeit machen, dann wird das Feld des neuen Bundesministers sehr schnell sehr beschränkt sein. Er kann sich ja nicht nur auf die Europäische Union beschränken, sondern braucht auch noch ein paar Partner außerhalb Europas. Deshalb muss Entwicklungszusammenarbeit ein Mittel sein, um da, wo es Diktaturen und keine sozialmarktwirtschaftlichen Strukturen gibt, Veränderungen von unten zu bewirken.

Damit das gelingt, braucht man ein eigenständiges BMZ. Denn Entwicklungszusammenarbeit ist nicht Teil der Außenpolitik. Ein Außenminister muss mit jedem – abgesehen vielleicht von Nordkorea – reden. Aber ein Entwicklungsminister kann auch Projekte in Nordkorea fördern. Das BMZ fördert Projekte der Kirchen, die in Nordkorea die Opposition gegen ein totalitäres Regime unterstützen. Es unterstützt Nichtregierungsorganisationen und viele andere, die genau den angesprochenen Wandel möglich machen. Es wäre das Ende der Entwicklungszusammenarbeit gewesen, wenn man sie unter die Ägide der Diplomatie gesetzt hätte. Insofern ist die Koalition aus CDU und FDP gut beraten, es so zu machen, wie man es jetzt macht.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Ich befürchte gar nichts. Ich bin mir sicher, dass der Kollege Niebel das Profil des Hauses in diesem

Feld stärken und der – wie das heute schon gewichtet wurde – großen Tradition von Walter Scheel folgen wird.

Nebenaußenpolitik soll es nicht sein; da hat Christian Lindner recht. Aber das BMZ kann ein eigenständiges Politikfeld mit einer ganz eigenen Rolle besetzen. Ich würde mir nebenbei wünschen, dass das Ganze noch etwas kohärenter in der Bundesregierung abgestimmt würde. Inzwischen macht ja jedes Ressort eigene Entwicklungszusammenarbeit. Der Umweltminister hat eigene Entwicklungsprogramme, der Justizminister macht eigene Demokratieprogramme, und jeder betreibt aus seinem eigenen Ressort heraus Entwicklungspolitik. Das ist schlimmer, als wenn jemand Nebenaußenpolitik macht.

Das Mpumalanga-Abkommen, Frau Kollegin Hendricks, ist bis zum Jahr 2013 abgeschlossen. Wir machen keine Abkommen mit Blick auf Fußballgroßereignisse. Vielmehr hat die Landesregierung dieses Abkommen für fünf Jahre geschlossen. Danach muss man sehen, ob es neue Schwerpunkte gibt und ob wir es verlängern. Jedenfalls ist glasklar, dass dieses Abkommen bis 2013 bestehen bleibt.

Vor wenigen Wochen hatten wir die Bonner Konferenz für Entwicklungszusammenarbeit, die auch subnationale Träger hatte. Dazu gehören die Länder – deshalb ist dieser Antrag sehr wichtig –, dazu gehören aber auch die Kommunen. Die Stadt Bonn hat eine Partnerschaft mit Cape Coast geschlossen. Ich war am letzten Wochenende im Kreis Euskirchen, in dem sich alle Städte auf die Millenniumsziele verpflichtet haben. Mir wurde geschildert, welche Aktivitäten von Pfarrgemeinden, von Nichtregierungsorganisationen oder von Städten des Kreises Euskirchen es gibt. Ich würde mir wünschen, dass auch andere Kreise in Nordrhein-Westfalen das Thema in dieser Weise bis hinein in die Kommunalpolitik definieren, denn es gibt in der Tat vor Ort sehr viele Menschen, die dieses Thema interessiert. Insofern glaube ich, dass dieser Antrag neue Impulse gibt.

Mit der Außenwirtschaft ist ein weiteres wichtiges Thema angesprochen worden. Es muss in der Tat eine enge Verknüpfung unserer außenwirtschaftlichen Aktivitäten mit der Entwicklungszusammenarbeit geben. Wir wollen verstärkt Public-PrivatePartnership-Projekte durchführen, die zu dem jeweiligen Land passen müssen. Auch diese Anregung aus dem Antrag greifen wir sehr gerne auf.

Ein Bericht im Ausschuss – vielleicht nicht jährlich, aber alle zwei Jahre –, in dem man einmal Bilanz über den Stand der Entwicklungszusammenarbeit zieht, könnte sinnvoll sein. Ich wünsche mir, dass wir bei der Ausschussberatung vielleicht noch einige Details vertiefen können. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laschet.

Ich schließe die Beratung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/10015 an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration; die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Ist jemand dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Dann haben wir dies einstimmig so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu:

7 Stand und Perspektive der Windenergie in NRW

Große Anfrage 31 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/8994

Antwort der Landesregierung Drucksache 14/9514

Ich eröffne die Beratung über die Beantwortung der Großen Anfrage und erteile für die Grünen-Fraktion Herrn Abgeordneten Priggen das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich blickte mich gerade suchend um, weil die spannende Frage war, wer von der Landesregierung zu diesem interessanten Thema reden wird. Der Hinweis, ich sollte einfach anfangen, es würde sich schon jemand finden, hilft mir weiter.

(Beifall von Marc Jan Eumann [SPD])

Ich wollte mich als Erstes – das war der Anlass – bei der Ministerin und beim Ministerium für die Antwort bedanken. Mit ihr haben sich die Kollegen viel Arbeit gemacht. Man kann mit der Antwort gut arbeiten;

(Beifall von Ewald Groth [GRÜNE])

sie ist eine schöne Datengrundlage. Daher gehört es sich auch, den Kollegen und Kolleginnen ganz herzlich dafür zu danken.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] – Zu- ruf)

Da habe ich keine Sorge, mit dem Kollegen Laschet bin ich mir, was die Städteregion Aachen und die Ausbauperspektive der Windkraft angeht, sehr einig; da hat das Missionswerk Wind funktioniert. Da brauchen wir keine Nachhilfe mehr.

(Beifall von den GRÜNEN)

Also: Ich wollte mich bedanken. Danach möchte ich in der Sache – Spaß beiseite – auf die Situation der

Windkraft in Nordrhein-Westfalen eingehen, auch vor dem Hintergrund der Koalition in Berlin.

Bei sorgfältiger Durchsicht der Zahlen ist die Bilanz für die Windkraft, was die letzten fünf Jahre der CDU/FDP-Regierung angeht, relativ dünn. Man kann aber sagen: Aus Sicht des Koalitionsvertrags, den die beiden Fraktionen vorgelegt haben, war sie erfolgreich. Denn im Koalitionsvertrag stand, sie wollen es, so gut es geht, abwürgen.

Ich erinnere an das damalige Zitat von Herrn Minister Wittke in dem legendären „Zeit“-Artikel: Ich kann auch mit Doofen. Darin hat er gesagt: Windkraft ist das Erste, was wir kaputtmachen werden. Kollege Papke hat hier immer von Windindustriemonstern gesprochen. Herr Ellerbrock hat von additiven Energien geredet.

Wenn man diese Zielsetzung, die auch im Koalitionsvertrag steht, vertritt, war die Bilanz erfolgreich. Aus meiner Sicht ist aber das, was da geschehen ist, für Arbeitsplätze und Zukunftsenergien in Nordrhein-Westfalen eine Katastrophe.

(Beifall von den GRÜNEN)