Protokoll der Sitzung vom 05.11.2009

Frauen im Dienstleistungsbereich. Außerdem haben Frauen in unserer Arbeitswelt eine unterdurchschnittliche Präsenz in Führungspositionen. All diese Erkenntnisse sind nicht neu.

Deswegen kommt es sehr darauf an, dass wir uns in unserer Gesellschaft stärker bemühen, in den Bereichen, in denen in erster Linie Frauen arbeiten, ähnlich gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, wie wir sie zum Beispiel im industriellen Bereich haben. Deshalb ist es wichtig, dass eine Landesregierung dafür sorgt, dass etwa die Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen – um einmal einen Bereich zu nennen, in dem relativ viele Frauen arbeiten – in Ordnung sind, dass man sich an Tarifverträge hält und es vernünftige Entlohnungsstrukturen gibt.

Andersherum merken in der Krise aber auch viele Männer, wie unsicher die Jobs gerade in den technischen Berufen, in der Produktion, der jetzt von der Krise gebeutelt wird, sind. Manche Familien sind froh, dass einer im technischen und einer im Dienstleistungsbereich arbeitet, um eine stärkere finanzielle Absicherung der Familien zu haben.

Mein Ziel ist es, dass für unsere jungen Leute in den letzten Schuljahren der Übergang von der Schule in die Ausbildung so gestaltet wird, dass eine sehr bewusste Berufswahl stattfindet.

(Beifall von CDU und FDP)

Dass die jetzige Landesregierung in den letzten Jahren zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit und mit vielen Programmen, die durch mein Haus gefördert worden sind, in erheblichem Umfange den Übergang von der Schule in die Ausbildung verbessert hat – und zwar nicht erst mit Maßnahmen nach der Schule, sondern mit Maßnahmen in der Schule –, sollte sich doch auch bei der Opposition in diesem Landtag herumgesprochen haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Natürlich bezieht sich diese Beratung nicht nur auf Mädchen, aber auch nicht nur auf Jungs. Es geht darum, eine Klasse bewusst an die Berufsentscheidung, die Berufsvorbereitung und die Auswahl eines Ausbildungsplatzes heranzuführen. Das kann doch keine verkehrte Politik sein – sowohl für die Jungs wie für die Mädchen.

Wir haben in dieser Gesellschaft offensichtlich das Problem, die Mutter- oder die Vaterrolle mit einer anspruchsvollen Berufstätigkeit zu verbinden. Denn wie kann es sonst sein, dass gerade diejenigen, die besonders gut qualifiziert sind, die wenigsten Kinder haben? Aber dass gerade diese Landesregierung es ist, die in den letzten Jahren erhebliche Akzente bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren gesetzt hat, um die Vereinbarkeit von Mutter- oder Vaterrolle und Beruf zu verbessern, dürfte der Opposition in diesem Landtag doch auch nicht verborgen geblieben sein, denn die Zahlen haben sich

nahezu verzehnfacht. Das ist doch die Voraussetzung dafür, dass es auf Dauer möglich wird, bei einer anspruchsvollen Berufstätigkeit Vater oder Mutter zu sein.

Weil Sie dieses Problem nicht erkannt haben, hatten die Leute nur die Möglichkeit, auf Kinder zu verzichten, oder, wenn sie Kinder hatten, erheblich bei der Karriere zurückzustecken. Sie sind dafür verantwortlich, dass bei diesem Thema jahrelang nichts in diesem Land passiert ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Ein weiterer Bereich!

(Zuruf von der SPD: Bundesmittel!)

Wenn man so redet, wie Frau Steffens und Frau Kieninger es getan haben, als wenn wir diese Bereiche gar nicht im Auge hätten, muss man Sie wieder ein bisschen auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Das müssen Sie sich von mir schon mal anhören.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Es gefällt Ihnen nicht, wenn Sie mit der Wirklichkeit konfrontiert werden. Das ist wahr.

Es gibt einen weiteren Punkt, über den wir reden müssen. Natürlich haben wir auch ein großes Problem. Wir haben viele typische Frauenberufe, in denen die gewerkschaftlichen Strukturen so schwach sind, dass wir zu keinen gescheiten Tarifverträgen und Arbeitsbedingungen kommen. Die Entlohnungssituation bei Friseuren ist so, weil wir dort kaum Verhandlungsmacht bei Tarifverträgen haben. Ich kenne die Zahl – ich will sie hier nicht nennen – der eingetragenen Gewerkschaftsmitglieder, die Friseure sind, weil ich den Tarifvertrag dort für allgemeinverbindlich erklärt habe.

Es ist ein Problem, dass wir im Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen seit Jahren keinen allgemein verbindlichen Tarifvertrag mehr haben. Kein Wunder, dass die Löhne für Verkäuferinnen in den Keller gehen. Bei KiK haben wir in Nordrhein-Westfalen mittlerweile Lohnstrukturen von unter 5 €. Wenn in einer Gesellschaft eine solche Situation vorliegt, haben wir natürlich auch ein Problem mit Frauenberufen. Denn wer arbeitet im Einzelhandel? Vorwiegend Frauen. Aber dieses Problem können wir als Landesregierung nicht politisch lösen. Selbst die Einführung des Mindestlohns, wie Sie es vielleicht gerne möchten, würde das Problem nicht lösen. Dann wären wir immer noch im Niedriglohnbereich.

Es geht auch darum, diese Bereiche ähnlich wie die industriellen Bereiche gewerkschaftlich so zu organisieren, um auf die Dauer eine vernünftige Lohnpolitik durchführen zu können. Da muss man doch mit den Instrumenten dieser sozialen Marktwirtschaft ansetzen.

In diesem Zusammenhang muss man einen weiteren Punkt immer vor Augen haben. Natürlich brau

chen viele – gerade Mütter – auch den geförderten Wiedereinstieg nach einer Erziehungsphase. Denn dass Kindererziehung bei einigen Menschen mit einer Unterbrechung der Berufstätigkeit verbunden ist, ist nun einmal so. Je qualifizierter die Ausbildung ist, desto weniger wird unterbrochen. Diejenigen, die nicht so qualifiziert sind, unterbrechen am meisten.

Das ist ein Stück weit auch logisch. Wenn ich nicht so qualifiziert bin und im Niedriglohnbereich arbeite, kann ich von den Erträgen meiner Arbeit natürlich auch keine Kinderbetreuung finanzieren, sodass ich es selber zu Hause mache. Da gibt es Zusammenhänge, die ziemlich logisch sind, wenn man etwas nachdenkt.

(Zuruf von der SPD: Deshalb gibt es dem- nächst das Betreuungsgeld!)

Das Betreuungsgeld. Wenn Eltern ihre Kinder selber erziehen, ist das manchmal genauso gut, wie wenn der Staat es tut.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Es gibt auch noch Eltern, die das ganz vernünftig machen.

(Zuruf von der SPD)

Da haben wir zwei Weltbilder; das ist nun einmal so. Deshalb wählt man dort, wo ich herkomme, Ihre Partei nicht, weil die meisten das gleiche Weltbild wie ich haben.

(Beifall von der CDU)

Dieses Weltbild wird von mir vertreten; denn auch meine Wähler haben dieses Weltbild. Ich halte es für völlig in Ordnung, dass Eltern ihre Kinder selber erziehen und dafür keine staatliche Einrichtungen in Anspruch nehmen.

(Beifall von der CDU)

Andere nutzen staatliche Einrichtungen; das soll ihre Entscheidung sein. Deswegen ist ein Betreuungsgeld nicht von vornherein des Teufels.

(Zuruf von Heike Gebhard [SPD])

Wissen Sie, bei Hartz IV machen wir das doch auch, und da sind wir beide immer wieder einer Meinung, Hartz-IV-Bezieher nicht zu stigmatisieren und ihnen nicht nur Sach-, sondern auch Geldleistungen zu geben. Denn wir wissen, dass die allermeisten Hartz-IV-Bezieher mit diesem Geld für ihre Kinder sehr sorgsam und verantwortungsbewusst umgehen.

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Entschuldigung, den normalen Eltern wollen Sie nicht zugestehen, das Betreuungsgeld selber auszugeben. In anderen Bereichen reden Sie wieder so. Jetzt müssen Sie sich halt mal entscheiden.

(Beifall von der CDU)

Sie können im Landtag nicht immer nur zu dem Punkt, zu dem es Ihnen gut gefällt, so reden, sondern man muss schon die Zusammenhänge Ihrer Politik ein bisschen erkennen.

(Norbert Römer [SPD]: Herr Minister!)

Ich kann nur sagen: Wir im Arbeitsministerium geben uns sehr viel Mühe, den Wiedereinstieg von Frauen nach der Kinderphase zu fördern. Wir wissen, dass es gerade Frauen, die keinen Anspruch nach SGB II und SGB III haben, oft nicht so einfach haben, bei der Bundesagentur für Arbeit Förderung zu bekommen. Es ist eine Kann-Leistung, und es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf diese Einstiegsleistung. Man hat ein Recht, sich arbeitssuchend zu melden, aber kein Recht auf eine Berufseinstiegsförderung.

Darauf habe ich folgendermaßen reagiert – wir haben das übrigens als einziges Bundesland in ganz Deutschland eingeführt –: Selbstverständlich steht den Berufsrückkehrerinnen – natürlich beiden, Vätern und Müttern – in Nordrhein-Westfalen der Bildungsscheck für Einstiegsqualifizierungen zur Verfügung. Entschuldigung, ich habe ein Masseninstrument eingesetzt. Die Leute haben nach der Kinderphase einen Anspruch auf eine Förderung. Sie könnten zumindest mal zur Kenntnis nehmen, dass das Arbeitsministerium auf diese unbefriedigende Situation geantwortet hat.

Ich möchte noch das Thema „prekäre Beschäftigungsverhältnisse“ ansprechen. Ich glaube, es würde unsere Diskussion etwas entlasten, wenn wir uns mal darüber unterhalten würden: Was ist denn prekäre Beschäftigung?

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Haben wir im Ausschuss!)

Ja. – Es gibt Menschen, die all das, was keine sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung ist, für prekär halten. Da widerspreche ich ganz energisch. Denn es gibt sehr viele Menschen, die gerade, weil sie Eltern sind, gerne eine Teilzeitbeschäftigung ausüben möchten. Deshalb ist es nicht gut, wenn die Institute in den Statistiken über prekäre Beschäftigungsverhältnisse auch die Teilzeitbeschäftigung als prekär bezeichnen.

Im Übrigen gibt es in diesem Land einen Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn man Kinder unter zwölf Jahren hat. Wir müssen uns schon entscheiden, was wir wollen. Ich glaube, dass wir uns hier einig sind – das wäre schon mal schön –, dass die sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung von uns nicht als prekär eingestuft wird, zumindest dann, wenn sie freiwillig gewählt worden ist. Wenn man jemandem eine halbe Stelle gibt, obwohl er gerne eine ganze hätte, ist das eine andere Frage.

Herr Minister, Frau Abgeordnete Gebhard würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Ja, sofort. Ich will noch einen Gedanken zu Ende führen, dann können wir zu Zwischenfragen kommen.

Ich will doch gar nicht bestreiten, dass es bei den 400-€-Verträgen Licht und Schatten gibt. Natürlich gibt es hier und da auch Umwandlungen von sozialversicherungspflichtiger Arbeit durch Aufstückelung in 400-€-Verträge. Das ist jedem redlichen Arbeitsmarktpolitiker ein Dorn im Auge. Auf der anderen Seite müssen wir aber doch auch zugeben, dass im Landtag Nordrhein-Westfalen kein vernünftiger Mensch sitzt – vielleicht die Linken –, der sagen würde: Wir wollen die 400-€-Verträge in diesem Land wieder verbieten.

Wir wissen doch, dass wir dieses Instrument in vielen Bereichen des Arbeitsmarktes benötigen. Ich denke, sehr viele, die hier sitzen, haben zu Hause eine Haushaltshilfe, weil wir als Abgeordnete nun einmal viel zu tun haben. Ich denke, dass Sie die meisten von Ihnen über das Instrument eines 400-€-Vertrages entlohnen. Sie müssen sich auch einmal entscheiden, was Sie wollen.

Ich finde, wir müssen sehr deutlich machen, dass wir die Umwandlung nicht für richtig halten; das müssen wir auch geißeln. Aber auf der anderen Seite brauchen wir auch 400-€-Verträge. Und davon gibt es in diesem Land nun einmal 6 Millionen. Im Übrigen wird ein Drittel dieser Verträge von Menschen im Nebenjob ausgeführt, zwei Drittel davon im Vollzeitjob, wovon immer noch die Rentner und Studenten die höchsten Anteile haben. Wenn ein Student einen 400-€-Vertrag abschließt, wird doch kein vernünftiger Mensch dagegen sein.