Protokoll der Sitzung vom 05.11.2009

Ich finde, wir müssen sehr deutlich machen, dass wir die Umwandlung nicht für richtig halten; das müssen wir auch geißeln. Aber auf der anderen Seite brauchen wir auch 400-€-Verträge. Und davon gibt es in diesem Land nun einmal 6 Millionen. Im Übrigen wird ein Drittel dieser Verträge von Menschen im Nebenjob ausgeführt, zwei Drittel davon im Vollzeitjob, wovon immer noch die Rentner und Studenten die höchsten Anteile haben. Wenn ein Student einen 400-€-Vertrag abschließt, wird doch kein vernünftiger Mensch dagegen sein.

Deswegen muss man die Frage der 400-€-Verträge in diesem Arbeitsmarkt viel differenzierter betrachten. Dort, wo ich lebe, kenne ich viele Menschen, die froh sind, dass sie in einer Zeit, in der sie mehr Geld benötigen, die Möglichkeit haben, über den 400-€-Job auch mehr Geld für die Familie zu verdienen, weil sie keine Karriere oder Überstunden machen können. Und wenn eine Mutter mit kleinen Kindern einen 400-€-Job machen und

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

damit den Lebensstandard für sich und ihre Familie erhöhen kann, finde ich das nicht schlecht.

Die Freunde der Landesregierung sind auf jeden Fall die Menschen, die nicht zum Staat laufen, sondern die, die das Geld für ihre Familie über diese Möglichkeit verdienen.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Minister, ich darf Sie darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit bereits großzügig überschritten ist.

Gut. Ich bin auch am Ende meiner Rede. Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Herzlichen Dank. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Kollegin Meurer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie sprachen gerade von „normalen“ Eltern. Welches sind denn die anderen Eltern im Zusammenhang mit der 150€-Herdprämie? Sind das, wenn sie SGB II beziehen, „unnormale“ Eltern? Oder wie ist das?

(Minister Karl-Josef Laumann: Das habe ich doch nicht gesagt!)

Sie haben von „normalen“ Eltern gesprochen; das hat mich doch etwas irritiert.

Vieles hat meine Kollegin Gerda Kieninger bereits gesagt. Sie hat Ihnen aber auch noch einige Hausaufgaben aufgegeben, die Sie weder mit Ihrer Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion noch mit Ihrer mündlichen Einlassung eben – geschweige denn mit dem Koalitionsvertrag in Berlin, an dem Sie, Herr Minister, schließlich mitgewirkt haben – gegeben haben.

Bereits gestern hatten wir in der Debatte zu der Aktuellen Stunde, aber auch zum Tagesordnungspunkt 2 Ihren Lobgesang auf den Koalitionsvertrag, der mehr Fragen offen lässt, als er beantwortet, vernommen. Sie sprechen von Entrümpeln der Arbeitsmarktinstrumente und von einer Verbesserung der Hinzuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IVEmpfängerinnen und -empfänger. Damit werden Sie letztlich noch mehr Verdrängung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen erreichen und überwiegend Frauen weiter ins Abseits stellen. Sie werden die heute schon weit verbreiteten Mini- und Midijobs ausweiten und Arbeitgebern die Möglichkeit geben, billige Arbeitskräfte – billig fürs Unternehmen – einzustellen, weil eine Kofinanzierung dieser Jobs durch die staatlichen Instrumente der Förderung geleistet wird.

Sie erreichen so nur noch mehr Kombilöhne und schaffen keine Arbeitsplätze, von denen ein Mensch – hier sage ich ganz bewusst: ein Mensch; denn es ist egal, ob Frauen oder Männer – durch seiner Hände Arbeit trotz Vollzeit nicht mehr eigenständig leben und dadurch auch keine ausreichende Vorsorge für sein Alter treffen kann. So können sie den Rest ihres Lebens unbegrenzt neben der Rente hinzuverdienen,

wenn es nach der FDP geht. Das heißt, nach Kombilohn kommt die Kombirente.

Ich will auch die Steuersenkungsabsichten nicht verschweigen, die diese Menschen nicht erreichen, weil sie keine Steuern mehr bezahlen. Sie dürfen nur das Mehr an Steuern auf kommunale Abgaben wie Abwasser und Müll in Höhe von 19 % übernehmen. Das heißt: Sie werden zusätzlich be- und nicht entlastet.

In Ihrer Antwort auf die Große Anfrage schreiben Sie, dass 69 % der Frauen zwölf Monate vor der Geburt ihres ersten Kindes berufstätig waren. Was haben die anderen 31 % vorher gemacht? Wo waren sie? Waren sie in Berufsvorbereitungsjahren oder zu Hause oder noch in der Schule? Waren sie arbeitslos gemeldet? Darauf kommt keine Antwort von Ihnen.

Vom RWI schon, und zwar ganz aktuell mit Zahlen aus 2009. Befragungsteilnehmerinnen, die im Jahr vor der Geburt keine Erwerbstätigkeit ausübten, waren knapp zur Hälfte Hausfrauen – 48 % –, die nicht parallel in Elternzeit oder arbeitslos waren. Weitere 27 % waren Frauen in Elternzeit. 7 % waren arbeitslose Frauen und 5 % Studentinnen und Schülerinnen. 12 % machten keine Angaben zu ihrem Status. Und da versuchen Sie uns weiszumachen, Sie hätten keine Zahlen.

Das RWI hat die Zahlen. Und die hätten Sie auch verwenden können.

Aber auch in der von Ihnen genannten „Befragung Junge Familien 2008 I“ wird gesagt: Jene Frauen, die an der „Befragung Junge Familie I“ teilgenommen haben und angeben, im Jahr vor der Geburt nicht erwerbstätig gewesen zu sein, setzten sich zu 15 % aus Studentinnen und Schülerinnen, zu 19 % aus arbeitslosen Frauen und zu 63 % aus Hausfrauen zusammen. Die restlichen 3 % der nicht erwerbstätigen Frauen machen keine konkreten Angaben zu ihrem Status. Unter den nicht erwerbstätigen Hausfrauen machen Mütter, die sich in Elternzeit für vorherige Kinder befinden, einen erheblichen Anteil aus, nämlich 44 %.

Wirklich schlimm sieht es bei der Rückkehr in den Beruf nach der Geburt von Kindern aus. Da haben sie ja ganze Arbeit geleistet, indem sie die Regionalstellen Frau und Beruf gestrichen haben. Frauen gehen hier überproportional, wenn überhaupt, als Teilzeitkräfte in den Beruf zurück.

Ihr Ministerium listet nach der Seite 29 auf, was Ihrer Ansicht nach ursächlich dafür ist: die modernisierte Form der Versorgerehe – Vollzeit und Teilzeit – und der Wunsch der Frauen nach Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung. Es fehlte nur noch, dass es frauengewollt ist, das Ganze für 23 % weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen zu machen.

Um es noch einmal herauszustellen: Berufsrückkehrerinnen wird der Weg schwer gemacht, auch durch

die Entgeltungleichheit in allen Berufszweigen und Hierarchien; bei Frauen in Führungspositionen sind es sogar 33 %.

Lösungsansätze bieten Sie erst gar nicht an. Die im Koalitionsvertrag stehende Herdprämie bis drei Jahre nach der Geburt kann nur als weiterer Hilfsmotor für Ihr „Zurück in die Zukunft“, „Back to the Roots“, von Küche, Kirche, Kinder verstanden werden.

Die angedrohte Ausweitung der Minijobs ist ebenso kontraproduktiv.

Frau Kollegin.

Was um Himmels willen haben Sie sich dabei gedacht, wenn Sie unter Punkt 3 davon sprechen, dass U3-Betreuung und Ganztag den Frauen bei der gewünschten Vereinbarkeit hilft?

Frau Kollegin, ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit großzügig überschritten ist.

Ja, ich komme gleich zum Schluss.

Für mich ist es noch immer Aufgabe beider Partner, und das auch gleichberechtigt.

Wenn ich mir noch einmal die beiden Befragungen ansehe, die von Ihnen genannt werden, stelle ich fest:

Erstens. Sie haben wahllos Tabellen aus den Studien gegriffen – Seite 21 der Beantwortung der Großen Anfrage –, einmal aus der „Befragung Junge Familien NRW“ und aus der „Befragung Junge Familien aus dem Bundesgebiet“. Wo sind die Zahlen zum Erwerbsumfang von Frauen im Bundesgebiet, damit sich wenigstens eine gewisse Vergleichbarkeit ergibt?

Frau Kollegin, bitte.

Ich komme gleich zum Schluss. Der Minister hat doch auch überzogen.

Der Minister hat um 1:48 Minuten überzogen, und Sie haben jetzt schon 2:45 Minuten überzogen.

Ich komme gleich zum Schluss.

Sie scheinen das Buch „Wie lügt man mit Statistik?“ bei Ihrer Auslegung zugrunde gelegt zu haben.

Damit bin ich am Ende meiner Ausführungen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Meurer. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der CDU Frau Kollegin Westerhorstmann das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das MGFFI hat im Jahr 2007 die Studie „Frauen zwischen Beruf und Familie. Entwicklungen in Nordrhein-Westfalen 1997 bis 2005“ vorgestellt, in dieser Form übrigens bundesweit einmalig.

Wenn ich auf die vorausgegangenen Reden eingehen darf und insbesondere darauf, dass wir immer noch zu wenige Mädchen in den Bereichen haben, wo wir sie eigentlich hinhaben wollen, sprich: mehr in die MINT-Fächer, mehr in den anderen Berufen, nicht nur in diese besagten zehn Berufe, dann muss man sehen, dass sich die gesellschaftlichen Strukturen nicht von heute auf morgen umswitchen lassen.

Ich mache das immer wieder an dem deutlich, was wir manches Mal erleben, wenn wir den „Girls’ Day“ veranstalten, wo sich die jungen Frauen treffen, welche Stände eine besondere Nachfrage haben.

Wer diese Studie kennt, den werden die Antworten zu der Großen Anfrage, um die es heute geht, wenig überraschen. Denn obwohl die Daten dieser umfangreichen Studie nur bis zum Jahr 2005 reichen, ist ihre Aktualität bis dato ungebrochen. Die Untersuchung enthält weniger Momentaufnahmen als Aussagen zu längerfristigen Entwicklungstendenzen. Es wird die gesamte Entwicklung von 1997 bis 2005 angeschaut.

Meine Damen und Herren, sowohl die Ergebnisse der Studie als auch die der Großen Anfrage zeigen, dass Führungsfrauen in nahezu allen Arbeitsmarktbereichen unterrepräsentiert sind; parallel dazu sind sie jedoch bei prekärer Beschäftigung überrepräsentiert. Soweit, Frau Kieninger, sind wir uns einig. Wenn Sie allerdings von Floskeln im Koalitionsvertrag sprechen, dann muss ich sagen, es ist gut, dass es überhaupt einmal im Koalitionsvertrag steht. Wir haben es bis dato nämlich schmerzlich vermisst, dass so etwas in Koalitionsverträgen, auch zu Ihrer Regierungszeit, vermerkt war.

(Beifall von der CDU)

Dieses Ergebnis aus der Studie ist also nicht neu, sondern ist Teil der Anfrage.

Was zählt, ist die Tatsache, dass die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht zufriedenstellend ist und weitere Verbesserungen erforderlich sind.