Protokoll der Sitzung vom 05.11.2009

Die Konsequenz, die Sie daraus ziehen, ist genau die falsche. Anstatt diesen Kindern einen besseren Schulabschluss für eine bessere Chance in ihrem Leben zu besorgen, fangen Sie an, dem System Hauptschule noch ein bisschen in der Hoffnung obendrauf zu packen, daran würde sich etwas ändern.

(Fortgesetzt Zurufe – Glocke)

Sie haben die Realität nicht verstanden. Die Realität wird Sie aber einholen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen zur Aktuellen Stunde vor. Es ist auch nicht möglich, weitere Wortmeldungen abzugeben, weil die Redezeitkontingente erschöpft sind. Damit schließe ich die Aktuelle Stunde.

Ich rufe auf:

2 Koalition der Zumutungen schlägt zu – Bürger und Kommunen bluten für die Wahlversprechen von CDU und FDP

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10021

Zu diesem Antrag eröffne ich die Beratung und erteile für die antragstellende SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Körfges das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Oppositionsfraktionen in diesem Haus haben mehrfach versucht, die schwierige und teilweise dramatische Situation der

Kommunen in unserem Land zu thematisieren und zu problematisieren.

Wir sind nicht nur, meine Damen und Herren von der Landesregierung und von den sie tragenden Fraktionen, bei Ihnen auf taube Ohren gestoßen, im Gegenteil: Sie haben ganz erheblich und nachhaltig dazu beigetragen, die finanzielle Situation unserer Kommunen vor Ort zu verschlechtern.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Angefangen beim Wegfall der Grunderwerbsteuer, über die fortwährende Verletzung des Konnexitätsprinzips, über die Übervorteilung der Kommunen beim Solidarpakt, bis zur dramatischen Kürzung bei Landesmitteln hat diese Landesregierung, meine Damen und Herren, unseren Kommunen nachhaltig geschadet.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist noch freundlich formuliert! Sie sind sehr charmant!)

Eine gewisse Hoffnung durfte man anlässlich der Presseerklärung des Ministerpräsidenten zu den laufenden Koalitionsverhandlungen vom 15.10.2009 haben. Dort wird unter „3. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen müssen entlastet werden“ unter anderem aufgeführt: „die bedarfsgerechte Beteiligung des Bundes bei den Kosten für Unterkunft“ oder „Der Bund übernimmt bzw. beteiligt sich an den ansteigenden Kosten der Eingliederungshilfe“ oder „Die Kommunen haben sich seit nunmehr zwei Jahrzehnten an der Finanzierung der Programme zum Aufbau Ost beteiligt. Für die noch verbleibende Dauer des Aufbaus Ost übernimmt der Bund die Finanzierungsanteile der Kommunen.“

Ich darf, meine Damen und Herren – an dieser Stelle leider zum wiederholten Mal – zu diesem Ministerpräsidenten feststellen: Er ist verbal als Königstiger gestartet und tatsächlich als Bettvorleger bei Schwarz-Gelb in Berlin gelandet.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, im Gegensatz zu dem, was der Ministerpräsident vor Abschluss des Koalitionsvertrages verkündet hat, kommen weitere erhebliche Belastungen durch Schwarz-Gelb in Berlin auf unsere Kommunen zu. Das sieht nicht nur die Opposition in diesem Haus so, sondern das sehen viele kommunalpolitische Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sowie Hauptverwaltungsbeamte in unserem Land genauso.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Nennen Sie mal welche!)

Ich zitiere eine Überschrift aus der „Westfalenpost“ vom 28.10.2009: „Städte, Gemeinden und Kreise nehmen die Steuersenkungspläne der neuen Bundesregierung mit Entsetzen auf“.

Das wurde von Kämmerern und Hauptverwaltungsbeamten aus Südwestfalen gesagt. Dort ist leider

die SPD noch nicht die dominierende politische Kraft, meine Damen und Herren.

(Bodo Wißen [SPD]: Das dauert nicht mehr lange! – Zuruf von Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD] – Rainer Lux [CDU]: Das werden Sie auch nie!)

Ach, wenn Sie so weitermachen, bin ich ganz zuversichtlich für die Zukunft.

Die Kreise und Kommunen fürchten, die Steuerentlastungspläne der neuen Regierung ausbaden zu müssen. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes hält die Situation unserer Städte und Gemeinden für so dramatisch, dass er im Zusammenhang mit den Steuerentlastungsplänen – ich zitiere wörtlich – vom Abwürgen der Selbstverwaltung in unseren Städten und Gemeinden spricht, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Was machen Sie im Einzelnen Segensreiches? Sie stellen zum Beispiel die Gewerbesteuer als wichtige kommunale Einnahmequelle im Koalitionsvertrag komplett infrage. Der Finanzminister dieses Landes stößt nach einer mir vorliegenden Pressemitteilung vom 28.10.2009 ins gleiche Horn. Und, meine Damen und Herren, perfide genug: Sie sagen den Kommunen an dieser Stelle nicht, wie Sie ausfallende Gewerbesteuereinnahmen ersetzen wollen.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in diesem Haus werden gemeinsam mit der kommunalen Familie weiter für den Erhalt und den Ausbau der Gewerbesteuer kämpfen. Eine Diskussion über die Entlastung der Unternehmen ist angesichts der dramatischen Zustände in den öffentlichen Haushalten nachgerade absurd.

Das kommunale Recht, Zuschläge zur Einkommensteuer bestimmen zu können – davon war gestern schon an anderer Stelle die Rede –, verstärkt die Ungleichheit der Lebensbedingungen in unserem Land. Das führt zu einem ruinösen Wettbewerb der Kommunen untereinander und verschlechtert die Situation der ohnehin strukturschwachen Kommunen in unserem Land.

Wenn Sie in Erwägung ziehen, den Kommunen einen höheren Anteil der Mehrwertsteuer zur Verfügung zu stellen, kann ich nur sagen: Das ist Politik nach dem System Känguru – mit leerem Beutel große Sprünge machen, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Denn von dieser Mehrwertsteuer wollen Sie ausweislich der von Ihnen formulierten Inhalte wer weiß wen profitieren lassen. Darüber hinaus sagen Sie nicht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Sie Mehrwertsteuererhöhungen vornehmen wollen. Ich würde davon abraten.

Mein Fazit, meine Damen und Herren, lautet: Wer die Gewerbesteuer infrage stellt, schwächt weiter

die finanzielle Situation und die Struktur unserer Kommunen

(Rainer Lux [CDU]: Quatsch! – Weitere Zuru- fe von der CDU)

sowie damit letztlich die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, die auf kommunale Infrastruktur angewiesen sind.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich komme zu meinem nächsten Punkt. Die Pläne zur Senkung der Einkommensteuer machen Einnahmeausfälle von ca. 4 Milliarden € bundesweit aus, die zusätzlich auf unsere Kommunen zukommen. Ich habe eben die Ausführungen des Ministerpräsidenten zitiert.

Es gibt weitere Zumutungen wie Änderungen im SGB II. Angekündigt wurde eine Entlastung der Kommunen. Aus dem Koalitionsvertrag ist jedoch eine weitere Belastung der Kommunen herausgekommen. Die Pauschalierung der Wohnkosten und die Reduzierung der Arbeitsmarktprogramme belasten die Menschen vor Ort und unsere Kommunen auch und gerade in Nordrhein-Westfalen.

Geradezu als Drohung empfinden wir die Ankündigung der Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung und -finanzierung für Langzeitarbeitslose. SchwarzGelb im Bund will die getrennte Aufgabenwahrnehmung offensichtlich wieder zum Standard machen. Statt über eine Verfassungsänderung die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung abzusichern und funktionierende Kooperationen in Jobcentern zu stärken, machen Sie das genaue Gegenteil. Sie gefährden nicht nur faktisch, sondern auch juristisch die bestehenden Konstruktionen. Schade, dass Herr Laumann nicht da ist; erkundigen Sie sich einmal bei ihm. Das bezieht sich nicht nur auf Argen, sondern auch auf Optionskommunen, meine Damen und Herren.

Zusätzlich wird im Koalitionsvertrag heftig der Ideologie „Privat vor Staat“ gefrönt. Was verbirgt sich denn hinter der Ankündigung der Wettbewerbsgleichheit zwischen kommunalen und privaten Anbietern bei der Umsatzsteuer? Wir in NordrheinWestfalen kennen das. Anlässlich der Debatten um den § 107 der Gemeindeordnung rechnen wir damit, dass künftig kommunale Unternehmen im Bereich der Abfall- und Wasserentsorgung den vollen Mehrwertsteuersatz werden zahlen müssen. Die Zeche zahlen wieder die Bürgerinnen und Bürger vor Ort in unserem Lande.

Wir haben die tollen Ankündigungen des Ministerpräsidenten auch bezogen auf die Solidarbeiträge gehört. Was dabei herausgekommen ist, ist weniger als nichts. Im Gegenteil: Diese Landesregierung schuldet unseren Städten und Gemeinden nach wie vor die Rückzahlung der überzahlten Solidarbeiträge. Nicht nur, dass da nichts kommt, sondern jetzt zerplatzen auch noch die Ankündigungen des Mi

nisterpräsidenten wie Seifenblasen, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: So ist es!)

Wir fordern mit unserem Antrag, dass endlich reale Schritte zur Stärkung insbesondere unserer finanzschwachen Kommunen in Nordrhein-Westfalen erfolgen. Sie sollten die Mittel aus dem Solidarpakt tatsächlich zügig zurückzahlen. Sie sollten darüber hinaus mit uns gemeinsam dafür kämpfen, dass es nicht bei der Orientierung von Solidarität nach Himmelsrichtung bleibt, sondern dass strukturschwache Kommunen sowohl im Osten als auch im Westen gleichbehandelt werden. Das ist des Schweißes der Edlen wert. Aber was Sie tun, ist: Ankündigen, aber nachher nichts machen!

Wir fordern Sie auf:

Helfen Sie den Städten und Gemeinden bei der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise!

Erteilen Sie den aberwitzigen Steuerplänen dieser neuen Bundesregierung eine Absage!

Kämpfen Sie gemeinsam mit uns für den Erhalt der Gewerbesteuer vor Ort!

Lassen Sie den Kommunen – gerade auch in Nordrhein-Westfalen – die notwendige Luft zum Leben!