Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

(Beifall von den GRÜNEN – Johannes Rem- mel [GRÜNE]: Genau so ist es!)

Zunächst einmal ist die Frage zu beantworten, was eigentlich alles Bildungsinvestitionen sind, über die wir heute reden. Möglicherweise – so wollen es uns einige ganz besonders schlaue Rechner weismachen – geben wir jetzt schon viel mehr Geld für die Bildung in unserem Land aus. Nur haben wir es bisher noch gar nicht gemerkt. Schließlich kosten auch Pensionszahlungen an ehemalige Lehrerinnen und Professorinnen Geld, und zwar auch dann noch, wenn diese schon lange keine Schüler und Studierenden mehr unterrichten.

Ich zitiere:

Nach dieser Logik

schreibt die „TAZ“ süffisant –

verbessert jeder Pädagoge, der im Garten seines Eigenheims Kürbisse züchtet, das deutsche Bildungssystem.

Wer so rechnet, liebe Kolleginnen und Kollegen, und uns weismachen will, dass es bei den Bil

dungsausgaben kein real existierendes Defizit, sondern nur ein Defizit bei der Berechnung gibt, der glaubt wahrscheinlich auch, dass die Erde eine Scheibe ist.

(Beifall von Karl Schultheis [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf diese Weise schrumpft der jährliche Geldbedarf, um das 10 %Ziel im Jahr 2015 zu erreichen, auf nur noch 13 bis 16 Milliarden €. Es ist ein Taschenspielertrick mit Immobilien, Pensionszahlungen, Kita-Gebühren und Schulgeld auf dem Rücken der Betroffenen an unseren Schulen, in den Kindergärten und an den Hochschulen. Dabei hatten die Bildungspolitiker die Differenz ohne Rechentricks auf mindestens 28 Milliarden € beziffert.

Aber trotzdem: Es solle ja einiges passieren. Zum Beispiel soll das BAföG erhöht werden. Außerdem soll ein „Qualitätspakt Bologna“ für die Hochschulen auf den Weg gebracht werden, quasi als Gegenleistung zu den geplanten Steuerentlastungen, und zwar nach dem Motto: Ihr, Länder, sagt Ja zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Wir, Bund, entlasten euch dafür bei den Bildungsausgaben.

Mit derartigen Versprechungen hat die Kanzlerin heute ihre Länderchefs geködert, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Diejenigen, die sich mit Bildung beschäftigen – dazu gehört ja auch Minister Pinkwart –, wissen doch genau, dass das Tauschgeschäft nicht allzu lukrativ ist. Denn den Steuerentlastungen von jährlich bis zu 8,5 Milliarden € für Familien, Unternehmen und Hoteliers stehen bisher lediglich 3 Milliarden € angekündigte Mehrausgaben gegenüber. Das ist die Differenz. Das ist alleine schon der Mehrbedarf, der durch die Umstellung auf die neuen Studiengänge entsteht, wenn wir den 15 %-igen Aufschlag auf die Lehrkapazität, den die HRK uns vorschlägt, wirklich ernst nehmen würden. Die Umsetzung des gemeinsamen Bildungspaketes scheitert aber nicht nur am fehlenden Geld. Ein ganz großes Hindernis, das heute schon von Frau Löhrmann benannt worden ist, bleibt vielmehr das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern.

Es ist in der Tat eine späte Erleuchtung der Bildungsministerin Frau Schavan, wenn sie jetzt zugibt – ich zitiere –, das Kooperationsverbot sei ein Fehler gewesen, den heute nur noch eine Handvoll Politiker wiederholen würden.

Liebe Kolleginnen von Schwarz-Gelb im Bund, dazu kann man wohl nur sagen: Wenn Ihr schon die Erkenntnis habt, dann macht auch Nägel mit Köpfen und hebt das Kooperationsverbot schleunigst wieder auf.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn Ziel muss eine nachhaltige Erhöhung der Bildungsausgaben sein, um das 10 %-Ziel tatsäch

lich zu erreichen, und zwar ohne Rechen- und Taschenspielertricks.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie wirklich etwas für die Bildungspolitik in den Ländern tun wollen, dann verhindern Sie die unsinnigen Steuergeschenke an Besserverdienende und die einzelnen Klientelgruppen, um die es hier geht.

Abschließend noch ein Wort an die Kollegen in der SPD-Fraktion: Ich glaube nicht, dass es eine wirklich gute oder neue Idee ist, einen Bologna-TÜV zu fordern. Denn den haben wir schließlich schon. Das sind die umstrittenen Akkreditierungsagenturen. Vor allem ist das der Akkreditierungsrat, der als solcher bezeichnet wird. Fordern Sie keinen neuen TÜV, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion, sondern stellen Sie lieber den alten auf den Prüfstand! – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Seidl. – Zum Schluss der Debatte hat jetzt Herr Minister Dr. Pinkwart das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst zum Antrag selbst Stellung nehmen und dann kurz zu den Ausführungen von Frau Seidl etwas anmerken.

Zunächst zum Antrag selbst: Dort gibt es offenbar ein gewisses Missverhältnis zwischen der Überschrift, dem Vorspann und den Forderungen. Denn zum Bologna-TÜV soll der Landtag selbst nichts mehr beschließen. Das kann man auch so verstehen wollen, dass die SPD-Fraktion anerkennt, dass wir seitens der Landesregierung schon alles Notwendige unternommen haben, um das auf einen besseren Weg zu bringen, wie wir das vorhin haben diskutieren können. Sollte das so zu verstehen sein, bedanke ich mich bei der SPD-Fraktion dafür.

Somit kann ich zu den konkreten Forderungen, die Sie aufstellen, Stellung nehmen. Das sind zum Teil Forderungen, die wir seitens der Landesregierung längst erhoben haben, wie etwa das 10 %-Ziel bis zum Jahr 2015 zu erreichen. In dieser Angelegenheit vertritt der Ministerpräsident das Land gerade beim Bildungsgipfel, auf dem man sich darum bemüht, ein Einvernehmen zu erzielen.

Sie fordern, dass, wenn es Mittelzusagen des Bundes geben sollte, damit keine Haushaltslöcher an anderen Stellen gestopft werden sollen. Das ist eine Forderung, die ich schon in den letzten Tagen wiederholt aufgestellt habe. Die ist insbesondere in Richtung all der Länder gerichtet, die meinen, hier möglicherweise etwas vermengen zu können. Auf

Nordrhein-Westfalen können Sie es jedenfalls nicht beziehen, soweit Sie diese Landesregierung meinen könnten. Sollten Sie die Vorgängerregierung meinen, dann können Sie kritisieren, dass Sie Studiengebühren eingeführt haben, um damit das Loch des Landeshaushalts zu stopfen. Da hätte es noch gepasst. Denn Sie haben die Gebühren beim Finanzminister abgeliefert und nicht bei den Hochschulen. Auf uns trifft das nicht zu.

Dann fordern Sie, dass mehr Personalstellen geschaffen werden. Das ist richtig. Ich habe Ihnen eben das Memorandum der Hochschulrektoren vorgelesen. Wir haben den Hochschulen mehr Geld gegeben, und die Hochschulen haben sich ihrerseits verpflichtet, dass sie daraus mehr Stellen schaffen. Insofern ist diese Forderung von uns längst umgesetzt worden.

Auch die Forderung, dass auch der Bund noch etwas tun könnte, was die Betreuungsrelationen anbetrifft, habe ich längst gestellt. Wir sind gespannt, inwieweit sie umgesetzt wird.

Was die gute Lehre anbetrifft, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Als wir die Regierungsverantwortung übernommen haben, gab es eine leistungsorientierte Mittelverteilung, die Ihre Regierung mit den Hochschulen vereinbart hatte. Leistungskriterium zu Ihren Zeiten war unter anderem die Anzahl der Studierenden. Die leistungsorientierte Mittelverteilung zu Gunsten der Fachhochschulen wurde zu 85 % darauf zurückgeführt, wie viele Studierende eine Hochschule hat, an den Universitäten waren es 50 %. Jetzt frage ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren: Worin liegt der Anreiz für gute Lehre, wenn Sie damals bei Ihrer leistungsorientierten Mittelverteilung nur die Angabe haben wollten, wie viele Studierende eine Hochschule hat? – Sie haben nicht gefragt, wie lange sie schon studieren, in welchem Semester sie sind. Also war auch jemand, der im 20., im 25. oder in einem höheren Semester studiert hatte, für Sie noch Ausdruck von Leistung einer Hochschule und wurde von Ihnen mit einer Leistungsprämie anerkannt. Das haben wir uns erlaubt abzuschaffen, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir knüpfen eine leistungsorientierte Mittelverteilung nicht an die Tatsache, dass es Studierende gibt – denn dafür kriegen die Hochschulen eine Grundfinanzierung –, sondern wir haben gesagt: Ein Leistungsmerkmal könnte doch nur sein, dass die jungen Menschen zu einem Abschluss geführt werden. Wir haben uns erlaubt, jene Abschlüsse, die in der Regelstudienzeit erreicht werden, doppelt zu gewichten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der Unterschied.

(Beifall von der FDP)

Wir geben den Hochschulen einen konkreten Anreiz, dass nicht nur Studenten da sind, sondern

dass die eine Lehre bekommen, die es ermöglicht, in der Regelstudienzeit zu einem Abschluss zu kommen. Das ist das, was wir auf dem Gebiet von Lehre und Studium dringend erreichen müssen.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie fordern in Ihrem Antrag eine Initiative für gute Lehre. Wir haben erreicht, dass bei der jetzt in Aussicht genommenen zweiten Exzellenzinitiative, die die Landesregierung in den Gremien mit dem Bund hat verabreden können, dem Thema Lehre auch in exzellenten Hochschulen ein besonderes Gewicht beigemessen wird. Bei der ersten Exzellenzinitiative, die meine Amtsvorgängerin für das Land Nordrhein-Westfalen verhandelt hatte, spielte die Lehre im Rahmen der Exzellenzinitiative überhaupt keine Rolle. Wir haben dafür gesorgt, dass das in die Exzellenzinitiative hineinkommt, weil wir nach dem Humboldt`schen Prinzip sagen: Es gibt nur exzellente Forschung, wo auch exzellente Lehre vorhanden ist. – Deswegen setzen wir das auch um.

Herr Minister, kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede.

Ich komme zu meinem letzten Gedanken, wenn Sie gestatten, Herr Präsident.

Wir haben darüber hinaus in der KMK, im Übrigen unterstützt vom Stifterverband der Deutschen Wissenschaft, eine Initiative für gute Lehre erreicht. Aus dieser Initiative bekommen die Hochschulen, die gute Lehrkonzepte haben, zusätzliches Geld. Der Wettbewerb ist durchgeführt worden. Ich darf dem Hohen Haus berichten: Es haben viele Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen, aber auch deutschlandweit teilgenommen. Sie wissen, dass wir hier etwa jeden vierten Studenten aus Deutschland ausbilden. Es gab zehn Preisträger. Drei Preisträger aus Nordrhein-Westfalen, zwei von sechs Universitäten und eine von vier Fachhochschulen, haben bei dem bundesweiten Wettbewerb gewonnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Also so schlecht kann die Lehre bei uns nicht sein. Wir kümmern uns darum und machen auch etwas daraus. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie bei einem Eilantrag üblich, wird direkt abgestimmt. Die SPD-Fraktion hat dies auch erbeten.

Wir stimmen ab über den Eilantrag Drucksache 14/10421. Wer stimmt dem Antrag zu? – Das ist die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grü

nen. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Enthält sich jemand? – Der Abgeordnete Sagel. Damit ist der Eilantrag mit der Mehrheit der Stimmen der Koalitionsfraktionen von CDU und FDP bei Enthaltung von Herrn Sagel abgelehnt.

Ich rufe jetzt auf …

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Der Entschlie- ßungsantrag!)

Ich bitte um Entschuldigung. Das ist mein Versehen. Jetzt ist ja schon eine Reihe von CDUAbgeordneten raus, dann stimmen wir jetzt auch noch über den Entschließungsantrag ab.

(Heiterkeit bei SPD und GRÜNEN)

Vielleicht wollen sie noch zurückkommen, aber sie haben schon fluchtartig den Raum verlassen. Jetzt stimmen wir über den Entschließungsantrag ab. Das ist ein Entschließungsantrag von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/10437. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Grünen und die SPD-Fraktion. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Enthält sich jemand? – Das ist Herr Sagel. Damit ist dieser Entschließungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung von Herrn Sagel abgelehnt.