Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

Landesplanung und Raumordnung sind eine Königsdisziplin. Sie dienen dazu, große Konfliktpotenziale durch sorgfältige Planung zu bewältigen. Was machen Sie aber? Alles, was Sie jetzt tun, hat den einzigen Zweck, eine Baustelle zu heilen, bei der das Oberverwaltungsgericht einen Bebauungsplan für nichtig erklärt hat. Das ist genau das Gegenteil von gründlicher, sorgfältiger Planungsarbeit.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Kollege Ellerbrock, Sie haben gesagt: nicht das Gewurstel. Was Sie machen, ist doch genau dieses Gewurstel. Nichts anderes ist Ihr Vorgehen an dieser Stelle in einer solchen Geschwindigkeit. Sie können natürlich sagen, das Zusammenlegen von LEPro und LEP sei eine wirklich titanische Leistung. Wir haben es nicht geschafft. Sie haben es in den fünf Jahren auch nicht geschafft. Ich würde Ihnen das auch gar nicht groß vorwerfen. Das ist ein anstrengender, schwieriger Prozess, bei dem man bestimmte grundsätzliche Ziele neu justieren muss. Wenn Sie es sich für Anfang der nächsten Legislaturperiode vornehmen, ist das in Ordnung. Jetzt picken Sie sich aber eine Stelle heraus, um die Baustelle Datteln zu heilen, und packen dann mit einer solchen Geschwindigkeit auch noch den LEP an.

Was der Kollege Römer zitiert hat, ist in der Tat richtig. In dem Entwurf, den Sie zurzeit verdeckt betreiben, steht nichts anderes – das stellt man bei genauem Lesen fest –, als dass Sie zumindest Forschungsreaktoren für Atomkraft wollen. Die Formulierung „nicht überwiegend“ ist doch ganz eindeutig. Das kaschieren Sie auch nicht durch den zweiten Zusatz, den Sie vorgelesen haben, Herr Wittke. Sie halten es sich an dieser Stelle offen.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Die Katze ist aus dem Sack!)

Man muss sich auch vor Augen führen, dass wir das Ganze bei sorgfältigem und sauberem Arbeiten – und Energie ist ein umfassendes Thema, das wir vernünftig bewältigen wollen – gar nicht anders als auch vor dem Hintergrund sehen können, dass wir gleichzeitig in Kopenhagen in der entscheidenden Phase der Klimaverhandlungen sind. Sie findet genau jetzt statt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Nordrhein-Westfalen als – darauf sind Sie immer stolz – die siebtgrößte Wirtschaftsnation der EU und die siebzehntgrößte Wirtschaftsnation der Welt geht an dieser Stelle nicht nach vorne, sondern fällt der Bundesregierung in den Rücken.

(Zurufe von CDU und FDP)

Während in Kopenhagen die entscheidenden Verhandlungen stattfinden, streichen Sie aus dem entsprechenden Landesgesetz die Zielsetzungen für die Erneuerbaren, die Kraft-Wärme-Kopplung und den Klimaschutz.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dass Sie das in Nordrhein-Westfalen tun, während die Verhandlungen in Kopenhagen sich zuspitzen, wirft doch ein Schlaglicht auf Ihr Vorgehen.

Herr Wittke, ich habe Ihren Entschließungsantrag sorgfältig gelesen. Im Übrigen war es auch völliger Quatsch, was Sie eben vom französischen Atom

strom erzählt haben. Diesen Vorwurf kenne ich seit vor dem Krieg.

(Heiterkeit von der SPD)

Mittlerweile sind wir ein Stromexportland. Früher hatten wir einen ausgeglichenen Saldo. Seit mehreren Jahren sind wir zunehmend exportierend – mittlerweile in der Größenordnung von vier großen Kraftwerken. Der Export nimmt auch weiter zu.

Wenn man Ihren Entschließungsantrag ernst nimmt, heißt das – genau diese Auffassung haben Sie in der Anhörung auch vertreten –, dass Sie jedes Kohlekraftwerk haben wollen, das in Nordrhein-Westfalen gebaut werden kann, weil dafür möglicherweise irgendwo anders in Europa dann etwas stillgelegt werden muss. Das ist für Sie die Rettung. Ihr Ziel einer Reduktion von 30 Millionen t, das schon nicht glaubwürdig war, haben Sie völlig aufgegeben.

Wie wollen Sie jemandem aus China, der auf Emissionen verzichten soll, erklären, dass wir hier nicht reduzieren, sondern zusätzliche Kraftwerke bauen, sodass die Emissionen in Nordrhein-Westfalen deutlich erhöht werden? Nichts anderes machen Sie. Während Ihrer Regierungszeit haben sich die Emissionen schon erhöht. Mit Ihrer Kraftwerksstrategie erhöhen Sie sie noch weiter; denn Sie schalten keine Altanlagen ab, sondern erhöhen den Saldo. Das wird dann mit einer europäischen Regelung begründet. Einen größeren Offenbarungseid kann man doch gar nicht leisten.

(Beifall von Svenja Schulze und Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD] – Zuruf von der CDU)

Ja, sicher. Das steht alles in den Anträgen. Sie schreiben es selber in Ihrem Entschließungsantrag. Das ist Ihr Offenbarungseid par excellence.

Auf Deutsch gesagt heißt das: Alle Reduktionsziele, von denen Sie uns bisher erzählt haben, sind für Sie Makulatur. Sie wollen jedes Kraftwerk haben, das gebaut werden kann. Schließlich haben Sie in Ihrem Entschließungsantrag neue Kraftwerke als einen Standortvorteil im europäischen Wettbewerb bezeichnet. Das hat nichts mehr mit verantwortungsvoller Klimapolitik zu tun. Sie zeigen nicht einmal mehr das Bemühen, die Emissionen zu reduzieren, sondern wollen tatsächlich zusätzliche Anlagen bauen. Was Sie an dieser Stelle machen, kann ich überhaupt nicht mehr verstehen.

In Kopenhagen geht es um eine Überlebensfrage der Menschheit – und die siebtgrößte Wirtschaftsnation Europas ist so unanständig, sich von den Klimazielen zu verabschieden.

Das kann man nicht billigen. Deswegen beantragen wir für morgen eine dritte Lesung. Gehen Sie noch einmal in sich. Ich habe zwar wenig Hoffnung; wir können aber nichts anderes tun, als das zu versuchen. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Priggen. – Jetzt erhält für die Landesregierung Frau Ministerin Thoben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will noch einmal versuchen, zu den Sachverhalten zurückzukehren. Hierzu hat eine kurze Anhörung stattgefunden.

Zu der Frage, was die Streichung des § 26 LEPro bewirkt, heißt es: Die Zukunftsperspektive für die Realisierung eines Kohlekraftwerks ist nicht von der Streichung des § 26 LEPro abhängig. Da auch nach der Streichung nach wie vor die Ziele und Grundsätze des jetzigen LEP gelten, werden immer noch vergleichbare raumordnungsrechtliche Anforderungen an einen Bebauungsplan für ein Kohlekraftwerk gestellt.

Weiter wird ausgeführt: Da, wie bereits dargelegt, vergleichbare raumordnungsrechtliche Anforderungen wie bisher weiterhin in den zuvor genannten Festlegungen des LEP enthalten sind, ändert sich an den Chancen und Risiken für die Realisierung von Kraftwerksprojekten aus raumordnungsrechtlicher Sicht wenig. Eine wesentliche Änderung könnte nur ergänzend durch andere oder neue Zielsetzungen in einem neuen LEP erreicht werden.

Das ist der Sachverhalt. Ich weiß nicht, was das mit einem Klimaschutzparagrafen zu tun haben soll. Das ist ein reiner Kampfbegriff.

Das Oberverwaltungsgericht hat für die Beurteilung nicht das herangezogen, was in § 26 LEPro in Bezug auf KWK, erneuerbare Energien oder Effizienz steht, sondern nur den Begriff „vorrangig heimische Energieträger“. Es hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Weil das Kraftwerk mit Importsteinkohle betrieben werden soll, haben wir einen Grund, es abzulehnen.

Das konnten wir uns – Sie sich wahrscheinlich auch nicht – in den letzten 30 Jahren nicht vorstellen. Denn seit 2001 ist der Anteil der importierten Steinkohle an der verstromten Kohle von 50 % auf inzwischen 70 % angestiegen.

Wenn Sie eine Änderung wie von uns vorgeschlagen nicht mitmachen wollen, müssen Sie eigentlich eingestehen, dass Sie wie die Grünen kein einziges modernes Steinkohlekraftwerk mehr wollen. Herr Römer, dann sagen Sie das den Menschen. Dass Sie es so sehen, kann man zumindest den Worten von Ulrich Kelber entnehmen, der erklärt hat – ich zitiere –: „… denn Deutschland wird mit neuen Kohledreckschleudern international völlig unglaubwürdig.“ So äußert er sich in Bezug auf die Streichung von § 26 LEPro.

(Norbert Römer [SPD]: Sie wissen, dass das ein falsches Zitat ist!)

Entschuldigung, der Mann ist bei Ihnen. Dann klären Sie ihn auf.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist doch eine drollige Parallele, Herr Römer.

(Norbert Römer [SPD]: Sie wissen, dass das falsch ist!)

Die Gesetzesänderung verfolgt erkennbar das Ziel,

(Norbert Römer [SPD]: Frau Thoben, Sie wissen, dass das Zitat falsch ist!)

dass der Energiekonzern E.ON in Datteln weiter den größten Kraftwerksblock Europas bauen kann. „Der Weg für weitere Klimakiller wie zum Beispiel in Krefeld und Marl wird damit frei gemacht.“

So der Geschäftsführer des BUND-NRW

Das ist der Grund. Wir machen nicht eine „Lex E.ON“, sondern wir wissen, welche Konsequenzen es hat, wenn wir nicht handeln. Wenn Sie das nicht beschäftigt, sagen Sie es den Menschen.

(Beifall von CDU und FDP)

Immer wenn man es den Menschen im Detail erklärt, sagen sie: Das hat uns niemand gesagt. Man hat uns nur gesagt: Wir müssen uns beschweren.

Nichts von dem, was wir machen, bedeutet eine Abkehr von ehrgeizigen Klimaschutzzielen, erneuerbaren Energien oder KWK. Das alles stimmt nicht. Man hat mir mitgeteilt – deshalb muss ich mich daran halten –, ich dürfte nicht sagen, dass Sie lügen. Leider ist das im Parlament nicht erlaubt. Aber Sie tun es vorsätzlich.

(Beifall von CDU und FDP – Norbert Römer [SPD]: Sie sind ganz schön nervös!)

Ich bin nervös, Herr Römer? Das wüsste ich aber. Man kann solche Debatten so führen, wie Sie es machen. Herrn Priggen nehme ich noch ab, dass er es eigentlich besser weiß, aber sagt: Wir stehen am Beginn des Wahlkampfs. Herr Römer, Ihnen nehme ich nicht mehr ab, dass Sie überhaupt noch wissen, was Arbeitnehmer in unserem Land wollen.

(Beifall von CDU und FDP – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Warum antworten Sie dann auf den Kollegen Römer und seine Fra- gen?)

Das beunruhigt mich. Sie bekommen im Zuge des weiteren Verfahrens zum Energiekapitel im LEP ausreichend Möglichkeit, an der Beratung teilzunehmen. Das Beteiligungsverfahren ist für alle offen.

(Heike Gebhard [SPD]: Wie viele Minuten haben wir noch?)

Diese Streichung müssen wir vornehmen! Erstens. Es ist eine juristische Doppelregelung. Zweitens. Über die weitere Formulierung der Ziele der Ener