Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90 der Abgeordnete Remmel das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade die Beiträge der Regierungsfraktionen, von Herrn Ellerbrock und Frau Westerhorstmann, und die Rede des Ministers haben gezeigt: Ihnen fehlt es an grundsätzlicher Orientierung für die Entwicklung des ländlichen Raums.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie haben keine klare Analyse. Deshalb können sie auch keine klare politische Richtung einschlagen.

Frau Westerhorstmann spricht davon, dass wir eine Industriegesellschaft sind und deshalb den grünen ländlichen Raum brauchen. Sie, Herr Minister, sprechen davon, dass wir auf dem Übergang zur Wissens- und Informationsgesellschaft sind. Was denn nun? Was sind die Entwicklungen? Sie müssen doch einmal Stellung dazu nehmen, dass wir im ländlichen Raum statistisch über 50 % Arbeitsplätze im industriellen Bereich haben. Wir sind nicht im

Übergang zur Wissensgesellschaft. Nein, wir sind eine wissensbasierte Industriegesellschaft, und zwar auch im ländlichen Raum. Dafür haben Sie keine Perspektive. Um diese Perspektive streiten wir.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wenn der Bundespräsident sagt, wir brauchen eine grüne industrielle Revolution, ist das eine Riesenchance für das Handwerk und die Industrie, und zwar gerade im ländlichen Raum. Aber Sie vertun diese Chance im Moment, weil Sie keine Konzepte haben für dezentrale Möglichkeiten, industriepolitische Konzeptionen gerade für kleine und mittlere Industriebetriebe. Die Konzeption kann nur grün sein und in der Umweltwirtschaft liegen. Hier versagen Sie völlig. Ihnen fehlt die Orientierung. Deshalb brauchen wir eine andere Politik.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Stichwort „demografischer Wandel“: Es reicht doch nicht, das zu beklagen. In der Analyse sind wir uns möglicherweise einig. Aber von einer Regierung erwartet man doch, dass sie Konzepte vorzuweisen hat. Wie gehen wir denn mit einer älter werdenden Gesellschaft gerade im ländlichen Raum um?

Wenn ich im Antrag lese „Es gilt, einerseits die Infrastrukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge den zukünftigen Herausforderungen anzupassen“, ist das eine Drohung. Würde man das nur solitär betrachten, wäre das ein richtiger Satz. Nur stellt sich die Frage: In welche Richtung wird das gehen? Gerade von Herrn Ellerbrock und dieser Koalition, die „Privat vor Staat“ als Leitmotto hat, ist das eine Drohung. Es ist eine Drohung, gerade die Infrastrukturen im ländlichen Raum weiter der Privatisierung anheimzustellen.

Im Wasser- und Abwasserbereich haben wir es erlebt. Das ist Ihre Zielrichtung, und die wird dem demografischen Wandel nicht gerecht. Ich bin mir sicher: Wir brauchen mehr öffentlichen Raum, mehr öffentliche Versorgung, sonst werden wir diese Entwicklung gerade im ländlichen Raum nicht aufhalten können.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

An der Stelle gibt es in der Tat einen Grundwiderspruch, ob es um die Frage der ärztlichen Versorgung geht, die Infrastruktur – gerade im ländlichen Raum –, den gerade erwähnten Bereich Wasser und Abwasser, aber auch den ÖPNV. Sie dünnen den ÖPNV im ländlichen Raum aus.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie haben keine Konzepte dafür, wie bei einer abnehmenden Bevölkerung auch noch eine Versorgung mit öffentlichem Verkehr – und das auch noch

umweltfreundlich – gewährleistet wird. Hier gibt es also in der Tat fundamentale Unterschiede.

Herr Minister, es reicht einfach nicht, dreimal den Diener gegenüber den Regierungsfraktionen zu machen.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Mehrmals!)

Mehr sogar noch. Mittlerweile ist das bei Ihnen ein Danksagungsritual. Sie haben keine inhaltlichen Konzepte. Das reicht nicht aus.

Wenn Sie dann noch Dinge falsch darstellen, wird es wirklich grotesk. Ich muss auf den Nationalpark Senne zu sprechen kommen: Sie haben die Entscheidung gegen eine ganze Region getroffen. Die Region wollte diesen Nationalpark.

(Widerspruch von der CDU)

Alle Umfragen, die dazu gelaufen sind, zeigten: Bis zu zwei Drittel der Menschen in der Region wollten diesen Nationalpark.

(Widerspruch von der CDU)

Gibt es diese Umfragen oder gibt es diese Umfragen nicht? Die Bevölkerung will den Nationalpark.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und Sie, die CDU-Strategen vor Ort mit den Vertretern des Bauernverbandes, haben entschieden, dass es diesen Nationalpark nicht gibt. Das ist eine Entscheidung an der Bevölkerung vorbei, statt auf die Bevölkerung einzugehen.

(Rainer Deppe [CDU]: Was sagen Sie zum Bürgerentscheid in Bad Honnef?)

Wo stehen wir an dieser Stelle heute? – Die mögliche neue britische Regierung kündigt an, im Falle der Regierungsübernahme die Truppen abzuziehen. Wir haben kein Konzept, Herr Minister. Sie sind nicht vorbereitet. Sie haben die Planungen gestoppt. Deshalb ist das eben keine Politik für den ländlichen Raum gerade in dieser Region. Es wäre eine Perspektive gewesen. Aber Sie haben die Vorbereitungen dafür nicht getroffen.

Unter dem Strich offenbart diese Aktuelle Stunde dankenswerterweise die völlige Konzeptionslosigkeit der Regierung und der Regierungsfraktionen an dieser Stelle. Das ist sicherlich für uns eine gute Hilfestellung und Argumentationshilfe für die kommenden Auseinandersetzungen. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Uhlenberg das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Abgeordneter Wißen! Das Wichtige bei der Forstreform war, dass der Förster in der Fläche bleibt.

(Zuruf von Bodo Wißen [SPD])

Natürlich mussten wir im Rahmen der Forstreform Entscheidungen treffen. Wir haben Forstämter in Nordrhein-Westfalen geschlossen, aber wir haben ein dichtes Netz von 300 Revieren im ganzen Land, und es gibt eine intensive Betreuung der Waldbesitzer, der Waldbauern in Nordrhein-Westfalen durch den Förster in der Fläche.

Wenn wir diese Reform nicht durchgeführt hätten, dann hätte das für den Kreis Kleve bedeutet, dass es diese intensive Betreuung vor Ort nicht mehr gegeben hätte. Deswegen können Reformen auch zu einer Stabilisierung beitragen. Reform bedeutet nicht Rückzug aus der Fläche, sondern in diesem Fall hat das eine Stabilisierung der Fläche, insbesondere auch im Rahmen der Forstverwaltung, zur Folge. Es war eine schwierige Zeit der Umstellung. Inzwischen ist dort Ruhe eingekehrt. Ich bin froh, dass wir die 300 Reviere besetzt haben und es eine intensive Betreuung vor Ort gibt.

Zum Thema Senne, Herr Abgeordneter Remmel. Ich freue mich, dass die Engländer da sind. Wenn Sie in die Region Paderborn fahren und mit den Kommunalpolitikern, mit den Menschen vor Ort sprechen, so dürfen Sie nicht vergessen, dass es nicht nur um die Engländer vor Ort geht, sondern dass es um viele Tausend Arbeitsplätze geht, die dort durch die Engländer gesichert werden.

Ich freue mich, wenn die Engländer möglichst lange in der Senne bleiben. Denn damit sind zwei Dinge gewährleistet: auf der einen Seite die Sicherung von tausenden von Arbeitsplätzen – darüber gehen Sie locker hinweg – und auf der anderen Seite, dass die Bewahrung der Schöpfung, das Naturerbe in der Senne erhalten bleibt. Es ist ja das Interessante an der Senne, dass dort heute Maßnahmen im Bereich des Naturschutzes viel intensiver durchgeführt werden, weil die Senne nicht so intensiv genutzt wird.

Wenn es dann eines Tages eine veränderte Situation geben würde, dann ist die Landesregierung natürlich auch in der Lage, sich auf eine andere Entwicklung einzustellen, weil sie permanent im Gespräch mit allen Beteiligten ist. Aber gerade in dieser Region ist es wichtig, dass die Engländer möglichst lange dort bleiben.

Frau Watermann-Krass, wir brauchen im Bereich der Landwirtschaft natürlich beide Säulen. Die erste Säule ist für die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe. Gerade Sie haben sich in den vergangenen Jahren doch immer wieder hier hingestellt und haben sich, wenn die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft schlecht waren, fürchterlich darüber aufgeregt. Ich habe immer gesagt, die Möglichkeiten des Einflusses der Politik sind – Gott sei

Dank – begrenzt. Aber gerade, um unsere bäuerliche Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen zu erhalten, brauchen wir diese erste Säule, um sie erstens wettbewerbsfähig zu machen, und zweitens, um Maßnahmen des Tierschutzes und der Artenvielfalt durch Maßnahmen der ersten Säule finanziell zu unterstützen. – Das gilt natürlich auch für die zweite Säule.

Da Sie das Thema Biolandwirtschaft angesprochen haben, dann darf ich nur noch einmal sagen, dass die Zuwachsrate bei den Biobetrieben innerhalb der Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen weit über dem Bundesdurchschnitt liegt.

(Zuruf von Annette Watermann-Krass [SPD])

Das ist eine interessante Entwicklung. Das hängt damit zusammen, dass dieser Umwelt- und Landwirtschaftsminister eine ausgewogene Landwirtschaftspolitik in den vergangenen vier Jahren gemacht hat. Wir haben nicht die Biobauern und die konventionellen Bauern gegeneinander aufgehetzt, sondern wir haben beide vernünftig gefördert. Im Dialog mit beiden Gruppen ist das wichtig, und es hat eben dazu beigetragen, dass der Agrarstandort Nordrhein-Westfalen, die landwirtschaftlichen Betriebe, die Ernährungswirtschaft mit über 400.000 Arbeitsplätzen gestärkt worden sind.

Meine Damen und Herren, im Bereich der Landwirtschaft und im Bereich der Ernährungswirtschaft arbeiten in Nordrhein-Westfalen inzwischen mehr Menschen als bei Kohle und Stahl. Von daher ist das natürlich unter ökologischen Gesichtspunkten, aber auch gerade unter ökonomischen Gesichtspunkten sehr wichtig, damit unsere Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen eine Zukunftsperspektive hat. Deswegen unser Programm „Landwirtschaft 2020“, das wir mit allen beteiligten Organisationen erarbeitet haben.

Ich freue mich, dass wir mit der Regionale einen Weg beschritten haben, bei dem wir die Politik vor Ort mitnehmen. Die Regionale in den einzelnen Regionen unseres Landes ist ein großer Erfolg geworden.

Ich darf noch einmal unterstreichen: Wenn es nach dem Willen der alten rot-grünen Landesregierung gegangen wäre, dann gäbe es keine Landesgartenschau mehr in Nordrhein-Westfalen

(Annette Watermann-Krass [SPD]: Das stimmt nicht, Herr Minister!)

Sie sollten sich endlich mal davon verabschieden, dass die Aussage, dass Landesgartenschauen nicht mehr stattfinden, eine falsche Entscheidung war. Die Grünen liegen immer noch auf der Linie. Bei der SPD weiß man in der Frage nicht so richtig, wo man dran ist.

Es geht in dieser Zeit darum, meine Damen und Herren, natürlich auch den Verbraucherschutz in der Fläche weiter zu verbessern. Wir sind das einzi