Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Frau Sommer, Sie sollten auch mal zuhören!

Sprachförderung – Ergebnis dieser Untersuchung des VBE: viele Tests, wenig Förderung und viel zu wenig Erfolg. – Ihre Bilanz, Frau Sommer.

(Beifall von der SPD)

Die Grundschulen – gehen wir die Bildungskette mal durch! –: Aufhebung der Grundschulbezirke, verbindliche Empfehlungen, das Erfolgsmodell Grundschule haben Sie massiv beschädigt.

(Beifall von der SPD)

Und dann auch noch dieser Unsinn mit den Kopfnoten!

Aber das Allerschlimmste ist das, was Sie, Frau Sommer, mit Ihrem Turboabitur in diesem Land anrichten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie haben mit Ihrem Turboabitur den maximal möglichen Schaden angerichtet. Für den doppelten Jahrgang haben Sie – korrigieren Sie mich – bis heute keine Lösung.

(Beifall von der SPD)

Die Eltern warten auf eine Antwort, denn sie machen sich Sorgen, wenn doppelt so viele Kinder wie sonst aus der Schule entlassen werden und Ausbildungsplätze suchen. Sie haben diesem Parlament dazu auf mehrmalige Nachfrage keinerlei Lösungsvorschläge vorlegen können. Das ist Ihre Bilanz, Frau Ministerin.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wenn wir über Qualität reden, bleibe ich dabei – ich habe das hier schon einmal angemerkt –, dass Sie auch für den unglaublichen Druck verantwortlich sind, der in diesem System entstanden ist. Dieser Druck lastet auf den Schülerinnen und Schülern, auf den Lehrern, aber auch auf den Eltern. Das zieht sich – mit fatalen Folgen – bis in die Familien hinein.

Ich weiß nicht, wie viel Sie in dieser Angelegenheit unterwegs sind. Aber ich habe mir die Augen gerieben, als ich letzte Woche die Presse gelesen habe. Herr Kollege Stahl kommt jetzt nämlich mit dem Patentrezept „Lernen nur bei guter Laune“.

(Lachen bei der SPD)

Herr Kollege Stahl, sorry, aber als Li-La-Launebär sind Sie eine klassische Fehlbesetzung.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Lehrer, die Eltern und die Schüler können das, was Sie da herausgegeben haben, nur noch als Hohn empfinden. Ihre Laune wird sich erst dann bessern, wenn am 10. Mai 2010 endlich Sommerferien sind.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Diese dramatischen Fehlentscheidungen im Bildungsbereich sind schlimm. Aber schlimmer ist eigentlich, dass Sie nach wie vor nicht lernfähig sind. In das Wahlprogramm werden Sie unverdrossen das dreigliedrige Schulsystem aufnehmen, so jedenfalls der Kollege Wüst kurz nach seiner unfreiwilligen Interviewpause. Ich sehe ihn gar nicht. Ist er jetzt völlig in der Versenkung verschwunden, oder wo ist er geblieben?

(Widerspruch von der CDU – Sylvia Löhr- mann [GRÜNE]: Der ist doch vor Gericht! Der wird doch verklagt!)

Meine Damen und Herren, wenn Sie so weitermachen – ich kann Ihnen nur empfehlen: machen Sie so weiter! –, merken die Bürgerinnen und Bürger, dass die Reise mit Ihnen in eine bildungspolitische Sackgasse geht. Die Zustimmung zur Gemeinschaftsschule und zum längeren gemeinsamen Lernen wächst.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ihre Bilanz ist eine falsche Schul- und Bildungspolitik. Diese findet sich auch in einem entsprechenden Länderranking wieder. Sie sagen immer, nur wir würden das erzählen. Aber ich will Ihnen jetzt einmal eine objektive Bilanz in Daten und Fakten aus einem Länderranking zeigen. Im Bildungsmonitor der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft können Sie ablesen, dass Nordrhein-Westfalen von 2004 bis 2009 vom elften auf den 15. Platz abgestürzt ist. Minister Pinkwart hat durch das sogenannte Hochschulfreiheitsgesetz und die Studiengebühren auch seinen Beitrag dazu geleistet. Die Konsequenz sehen Sie ja bei den Bildungsprotesten auf der Straße.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie haben den Hochschulen sowie dem Wissenschaftsstandort und dem Innovationsland NRW einen denkbar schlechten Dienst erwiesen. Das bescheinigt übrigens auch der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft in seinem „Ländercheck Bologna“. NRW liegt bei diesem Bologna-Check in der Schlussgruppe.

Ich sage noch einmal ganz deutlich: Wir haben Bologna immer gewollt, und wir wollen Bologna immer noch. Aber die Frage ist, wie man das qualitativ umsetzt. Wenn man die Hochschulen in die Freiheit entlässt, ohne weiterhin die Zügel in der Hand zu halten, dann ist von vornherein klar – das haben wir Ihnen am Anfang der Legislaturperiode auch gesagt –, dass die Umsetzung so erfolgen wird, wie es jetzt vor Ort geschieht, nämlich nicht im Sinne der Studierenden in diesem Land.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Helmut Stahl [CDU]: Haben Sie das gesagt?)

Das habe ich hier am Anfang der Legislaturperiode gesagt, als es das Hochschulfreiheitsgesetz ging. Schauen Sie doch nach!

Wir haben immer die Ziele von Bologna unterstützt, die man sich noch einmal ins Gedächtnis rufen muss. Was war eigentlich der Sinn und Zweck der Umstellung der Abschlüsse? Zum einen ging es um die Reform und Entschlackung der Studiengänge, die ganz dringend erforderlich waren. Aber es ging auch darum, Vergleichbarkeit herzustellen und damit die Mobilität der Studierenden zu erhöhen. NRW ist in diesem Feld Schlusslicht bei dem BolognaCheck. Nicht einmal mehr innerhalb NordrheinWestfalens kann man die Hochschule wechseln.

Ich war bei den Protestierenden an einer Hochschule in diesem Land, an der Fachhochschule Bochum. Als sie mir berichtet haben, wie die Modularisierung dort gestaltet wird und dass noch nicht einmal der Übergang zu einer anderen Hochschule in NRW möglich ist, weil die Professorinnen und Professoren es offensichtlich nicht schaffen, die Kernmodule miteinander abzustimmen, und als die Leitung der Hochschule uns als Politik aufgefordert hat, zu Kerncurricula zurückzukehren, da ist in allem klar geworden, dass die Freiheit, die Sie den Hochschulen in diesem Land gegeben haben, ein schlechter Weg für sie und die Studierenden war.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Was sind die Lösungen des Wissenschaftsministers, wenn es einmal eng wird und es Proteste gibt? Studiengebühren! Wenn es finanziell eng wird: Studiengebühren. – Das ist ein Armutszeugnis für die Politik in diesem Land. Das ist eine Kapitulationserklärung. Die HIS-Statistik – auch sie wurde in der letzten Woche noch rechtzeitig vor diesen Beratungen veröffentlicht – zeigt Ihnen, was dann geschieht. Laut Hochschul-Informations-System sagen in einer Befragung der Studierberechtigten, also derjenigen, die jetzt hätten studieren können, 77 %, dass sie gerne studieren würden, es aber aus finanziellen Gründen nicht tun werden. 69 % geben explizit an, dass die Studiengebühren dafür verantwortlich sind. Das Schlimmste ist aber, dass es 75 % Frauen sind. Das ist Ihre Politik auf dem Rücken der Studierenden, eine Politik, die mit Chancengleichheit nichts zu tun hat.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, das sind die Daten und Fakten von neutraler Seite, die Ihnen allwöchentlich präsentiert werden. Gleich wird – darauf können wir wetten – wieder Ihr Hinweis auf die angeblich exorbitant steigenden Bildungsausgaben kommen. Ja, Frau Sommer, der Schuletat ist gestiegen. Aber die Frage ist doch, wo das Geld hingegangen ist.

Nur ein Viertel dessen, was Sie an Steigerungen haben, geht in die Qualitätsverbesserung der öffentlichen Schulen. Aber selbst da wird das Geld für die zusätzlichen Aufgaben, die Sie den Schulen gegeben haben, gebraucht. Der Rest geht für Beihilfe, für Lohn- und Gehaltssteigerungen und für Versorgungsleistungen pensionierter Lehrerinnen und Lehrer drauf. Wir haben Ihnen gesagt, Frau Ministerin: Stellen geben keinen Unterricht. Pensionäre auch nicht.

(Beifall von der SPD)

Rechnen Sie solche Ausgaben nicht hinein. Rechnen Sie dieses Feld nicht weiter schön, sondern konstatieren Sie, dass Sie eben nicht mit Siebenmeilenstiefeln haben vorangehen können.

(Beifall von der SPD)

Dazu passt der Bildungsfinanzbericht, Frau Schulministerin, der auch diese Woche kam. Sie haben sofort verkündet: NRW ist spitze. – Die Zahlen für das Jahr 2009 sehen auf den ersten Blick auch ganz gut aus.

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Ach ja?)

Das Problem ist nur: Das sind die Sollzahlen. Das sind sozusagen Wunschzahlen und Haushaltsansätze.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Wir haben im Schuletat gelernt: Sollzahlen sind oft Fantasiezahlen. Deshalb schauen wir besser auf die Zahlen aus dem Jahr 2006. Das sind nämlich Ist-Zahlen. Das sind Daten und Fakten. Bei den Bildungsausgaben pro Schülerin und Schüler ist NRW unterdurchschnittlich. Die Grundschüler sind auf dem vorletzten Platz, Frau Ministerin.

(Widerspruch von Ministerpräsident Dr. Jür- gen Rüttgers)

Das hätte zur Wahrheit Ihrer Analyse des Bildungsfinanzberichts dazugehört.

(Beifall von der SPD)

Herr Ministerpräsident, die Landesregierung ist daran gescheiter, Bildungsentscheidungen voranzubringen. Wir sind bereit, Schwerpunkte in diesem Bereich zu setzen. Das haben wir bei allen Änderungsanträgen zu den Haushalten seit 2005 gezeigt.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Sie haben früher als Opposition – Sie erinnern sich vielleicht, Herr Stahl – immer so schöne Wünschdir-was-Anträge gestellt, weil Sie wussten, dass die sowieso nicht durchkommen würden. Sie haben keinen Schwerpunkt gesetzt.

(Helmut Stahl [CDU]: Oh nein! Die waren durchgerechnet! – Lachen von der SPD)