Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

(Frank Sichau [SPD]: Doch!)

Sie müssen erklären: Sie wollen diesen Fall reparieren und Sie wollen das Kraftwerk an der Stelle.

Ich sage Ihnen: Ihre beiden Kollegen, die in Oberhausen gegen den Austritt aus der Kernenergie gestimmt haben, Meyer und Niggemeier, Ihr Gewerkschaftsvorsitzender und Ihr Pressesprecher, aber Sie können auch Heinrich Gutermuth oder Berger oder wen auch immer nehmen...

(Frank Sichau [SPD]: Heinrich Gutermuth war zu früh!)

Mein lieber Kollege, ich weiß, dass Heinrich Gutermuth einer meiner Vorgänger als CDUOrtsverbandsvorsitzender war, bevor er in die SPD gegangen ist. Den kenne ich schon relativ lange.

(Frank Sichau [SPD]: Der ist schon ein biss- chen älter als Sie!)

Der würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen würde, was heute Gewerkschaftler mit Kohlepolitik machen, nach dem Motto „Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing’“. Sie waren jahrelang Pressesprecher der IG BCE und haben eine völlig andere Meinung vertreten. Heute tun Sie so, als kämen Sie aus dem ländlichen Raum, aus Soest, sind aber natürlich Castrop-Rauxeler.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Das Kraftwerk ist bei Ihnen vor der Tür, mit einer großen Akzeptanz in der Bevölkerung. Sie aber haben nicht den Finger gekrümmt, um diesen Standort zu sichern. Sie erlauben es sich sogar, dass der TÜV Gefälligkeitsgutachten gemacht hätte – eine Einrichtung, die der Kohle mittlerweile sehr nahe steht und die eine hohe Akzeptanz hat. Da sprechen Sie von interessegeleiteten Gutachten. Das haben Sie wörtlich gesagt, Herr Römer. Das müssen Sie sich auf der Zunge zergehen lassen, was das für die Reputation eines solchen Unternehmens heißt.

Ich weiß wirklich nicht mehr, wo Sie hinwollen. Sie können nicht sagen, da hat die Landesregierung aber planerisch versagt.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Nein, nein, Sie müssen sagen, ob Sie das Kraftwerk wollen und ob Sie bereit sind, Hilfe zu leisten, ob Sie bereit sind, mit den Sozialdemokraten auch im Rat der Stadt Datteln für Rechtssicherheit zu sorgen. Die sind natürlich verunsichert und wenden sich an die Landesregierung und sagen: Helft uns! Wir haben einmal ein Kohlekraftwerk genehmigt. Das macht ein Beamter nur einmal im Leben, und wahrscheinlich verabschiedet ein Rat auch nur einmal im Leben ein Kraftwerk. Die haben das nicht in der Schublade liegen. Einer solchen Gemeinde muss man helfen.

Aber dazu sind Sie nicht bereit, weil Sie einen kleinen Preis haben wollen. Wenn jetzt Kollege Jäger hier wäre, würde ich sagen: Sie wollen die Landesregierung grillen. Das wird Ihnen aber nicht gelingen. Das wird auch den Grünen nicht gelingen, die rund ums Kraftwerk einen niedrigen Stimmenanteil bekommen haben.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Der SPD in Datteln, Waltrop, Castrop-Rauxel wird dies auch nicht gelingen. Denn die Bevölkerung akzeptiert dieses Kraftwerk, und Sie machen aus kleinkarierten, durchsichtigen, parteipolitischen,

taktischen Spielchen eine solche Kraftwerkspolitik, dass ich nur sagen kann: Wo ist die SPD gelandet?

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Ich könnte es mir einfach machen und sagen „Die sind bei 19 %, da habe ich Spaß.“

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Ich komme sofort zum Ende, Frau Präsidentin. – Ich habe keinen Spaß, wenn die großen Volksparteien so den Bach runtergehen. Das ist ein Problem für diesen Staat. Da werden wir uns sicherlich wieder sprechen. Ich lache nicht darüber, dass Sie bei 19 % sind. Ganz und gar nicht. Aber wenn Sie wirklich etwas für die Menschen in diesem Lande tun wollen, dann geben Sie sich einen Ruck und lassen Sie das modernste Kraftwerk der Welt endlich ans Netz gehen!

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hegemann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Römer das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem Ausflug des Kollegen Hegemann in irgendein Nirwana will ich mich der Sache zuwenden, der von Ihnen beabsichtigten Streichung des § 26 aus dem Landesentwicklungsprogramm. Denn damit, Herr Kollege Hegemann, leisten Sie Ihren Offenbarungseid.

(Beifall von Frank Sichau [SPD])

Sie führen Nordrhein-Westfalen mit der kompletten und ersatzlosen Streichung klimapolitisch und energiepolitisch ins Abseits. Deshalb verbreitet sich deutschlandweit schieres Entsetzen über diese Vorgehensweise aus.

(Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

Nicht nur die Umweltverbände – die auch – sind aufgebracht. Viele Tausend Menschen haben sich in den letzten Tagen vor allen Dingen protestierend gegen Ihre Absicht gewandt. Bis in wesentliche Teile der Energiewirtschaft hinein, Herr Kollege Hegemann, gibt es Kopfschütteln und Unverständnis, weil die darüber entsetzt sind, dass Sie nach dem Regierungsmurks, den Sie veranstalten und den Sie zu verantworten haben und für den vor allen Dingen Frau Thoben verantwortlich ist und der dafür gesorgt hat, dass es jetzt dieses Desaster in Datteln gibt, dass dort eine Industrieruine droht, jetzt weiteren Regierungsmurks obendrauf legen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Svenja Schulze [SPD]: Genau!)

Denn die ersatzlose Streichung von § 26 ist Murks, hilft dem E.ON-Kraftwerk in Datteln überhaupt nicht,

aber schadet der gesamten Energiewirtschaft in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus.

Die Ministerin hat gestern ihre Unkenntnis offenbart. Sie haben gestern gesagt:

Ich weiß nicht, was das mit einem Klimaschutzparagrafen zu tun haben soll. Das ist ein reiner Kampfbegriff.

Frau Thoben, würden Sie sich § 26 angucken, kämen Sie zu demselben Ergebnis wie ich, dass die Kraft-Wärme-Kopplung,

(Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

dass die erneuerbaren Energien gefördert werden sollen, dass vor allen Dingen auch Energieeffizienz gefördert werden soll. All das, Frau Thoben, hat direkt und unmittelbar mit Klimaschutz zu tun. Es ist also entgegen Ihren Äußerungen ein Klimaschutzparagraf.

Ich will auf einen weiteren Punkt hinweisen, der eine Rolle spielt, vor allen Dingen in Zusammenhang mit dem, was Sie immer uns und der Öffentlichkeit vorzugaukeln versuchen. Sie sagen, wenn wir § 26 streichen, ist das gar nicht so schlimm, das packen wir ja in den LEP, den Landesentwicklungsplan, mit hinein und reparieren das damit.

(Ministerin Christa Thoben: Das reparieren wir nicht, das steht da drin!)

Frau Thoben, ich habe Ihnen gestern gesagt – Sie haben dem nicht widersprochen –, dass vor allem Ihre Behauptung „Nichts von dem, was wir machen, bedeutet eine Abkehr von ehrgeizigen Klimaschutzzielen, erneuerbaren Energien oder KWK“, nicht stimmt. Sie hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Richtig!)

Denn der Entwurf zum LEP aus Ihrem Hause enthält Weichenstellungen, die genau das Gegenteil bewirken. Ich habe Sie das gestern gefragt. Ich frage Sie das noch einmal. Im aktuellen Entwurf zum LEP steht zur Kraft-Wärme-Kopplung: So weit Nachfragepotenzial und Infrastruktur vorhanden sind oder mit vertretbarem Aufwand geschaffen werden können, kann der Wirkungsgrad der primär auf die Stromerzeugung ausgelegten Kraftwerke durch die Auskopplung von Wärmeenergie erhöht werden.

Nennen Sie das „Förderung von KWK“? Ich nenne das Behinderung von KWK. Das vor allem steht in Ihrem Entwurf zum LEP.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich nehme einen weiteren Punkt. Sie schreiben in dem Entwurf, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren vorangetrieben werden soll.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Natürlich, wie denn sonst?)

„Wirtschaftlich vertretbar“ heißt doch gerade im Sprachgebrauch der FDP nichts anderes als „kommt überhaupt nicht infrage“. Das ist doch keine Förderung.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Holger El- lerbrock [FDP]: Das ist doch Quatsch!)

Und dann schreiben Sie in Ihrem Entschließungsantrag, Herr Hegemann – das setzt dem Ganzen die Krone auf –: „Die Errichtung von Kernkraftwerken wird weiterhin ausgeschlossen.“ Der LEP-Entwurf sagt etwas völlig anderes. Er ermöglicht die Nutzung von Standorten durch Kernkraftwerke, die nicht überwiegend der allgemeinen Energieerzeugung dienen. Das ist das Einfallstor dafür, dass selbstverständlich auch neue Kernkraftwerke gebaut werden können. Ich habe Ihnen das gestern vorgehalten.

Damit wird klar: Sie tricksen, Sie täuschen, Sie tun Nordrhein-Westfalen überhaupt keinen Gefallen. Sie sorgen dafür, dass wir energiepolitisch und klimapolitisch ins Abseits geraten.

(Widerspruch von der CDU – Thomas Eiskirch [SPD]: Natürlich ist es das!)

Lassen Sie das sein! Lassen Sie das Landesentwicklungsprogrammgesetz so, wie es ist. Lassen Sie die Streichung des § 26 LEPro. Damit würden Sie ein gutes Werk tun.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)