Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

Einige von ihnen sind nun oben auf der Tribüne, und ich möchte Sie im Namen unserer SPDFraktion herzlich hier im Haus begrüßen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die aus unserer Sicht notwendige Einführung des Verbandsklagerechts im zweitgrößten Flächenland, welches zugleich auch das bevölkerungsreichste Land der Bundesrepublik ist, würde bundesweit entscheidende Maßstäbe setzen.

Um unsere Position als SPD-Fraktion hier im Haus auf den Punkt zu bringen: Das Verbandsklagerecht bedeutet eine deutliche Verbesserung der Rechtsstellung der Tiere als unsere Mitgeschöpfe. Sie stärkt die Position der anerkannten Tierschutzorganisationen bei den entscheidenden Gesichtspunkten wie dem Klage-, Mitwirkungs- und Informationsrecht bei der Gestaltung der Rechtsvorschriften. Mit dem Verbandsklagerecht sind mehr Aufklärung, Prävention, Rechtssicherheit und Transparenz bei Genehmigungsverfahren verbunden. Auch der Verbraucherschutz würde davon profitieren.

Zum Abschluss möchte ich einen bedeutenden Leitsatz von Willy Brandt hervorheben, der „Mehr Demokratie wagen“ hieß. Auch das ist ein entscheidender Unterschied zwischen uns und Ihnen mit Ihrem Ministerpräsidenten Herrn Dr. Rüttgers und seinen Redenschreibern. Sie zitieren, wie heute Morgen, gerne Willy Brandt und auch Johannes Rau. Aber hinter den Schaufensterreden wird dann doch konservativ und neoliberal gehandelt. Mit Ih

nen wird in Nordrhein-Westfalen eben nicht mehr Demokratie gewagt.

Meine Damen und Herren, die Zeit ist gekommen, ein Klage-, Mitwirkungs- und Informationsrecht für anerkannte Tierschutzvereine bei uns in NordrheinWestfalen einzuführen und damit den entscheidenden Schritt nach vorne zu tun. Bremen war das erste Bundesland mit einem Tierschutzklagerecht. Bei der Jamaika-Koalition im Saarland steht die Verbandsklage mittlerweile im Koalitionsvertrag. Diesen Prozess können CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen zwar bremsen, aber nicht aufhalten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Deswegen stimmen wir selbstverständlich dem Gesetzentwurf zu und lehnen folglich die Beschlussempfehlung des Ausschusses ab. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Wiegand. – Als nächster Redner ist Herr Ellerbrock für die FDP-Fraktion bereits am Pult angekommen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Wiegand, Sie haben eben gesagt, ich würde feige die Diskussion mit den Tierschützern verweigern.

(Svenja Schulze [SPD]: Ja!)

Also das hat mir in den letzten zehn Jahren noch niemand gesagt.

(Zuruf von der SPD]: Oh!)

Wenn ich daran denke, dass Ihr ehemaliger markanter Ministerpräsident Steinbrück, der in diesem Hause die Industriepolitik des Landes mit Verve vorangetrieben hat – was ich unterstützt habe –, in dem Augenblick, wo sich in seinem eigenen Wahlkreis in Bezug auf die CO-Pipeline der Wind drehte und man dagegen war, sämtliche Positionen aufgegeben hat, die er vorher als Amtsträger vertreten hat, sage ich: Vorsicht an der Bahnsteigkante, Frau Kollegin!

(Svenja Schulze [SPD]: Was hat das mit dem Tierschutz zu tun?)

Ich weiß, dass es diese Veranstaltung gab. Ich fahnde nach der Einladung. Die ist mir nicht präsent. Im Übrigen hatten wir aber – das ist ja für Sie in weiter Entfernung, daran beteiligt zu werden – in diesem Raume eine Regierungserklärung, bei der wir eine gewisse Präsenzpflicht haben. Das ist anders als bei Ihnen von der Opposition.

(Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, hier muss man ganz klar sagen: Der Gesetzentwurf ist ein Recyclingentwurf. Recycling bedeutet ja eine stoffliche Wiederaufar

beitung. Da weiß man nicht, ob das ein Upgrading oder ein Downcycling ist. Er ist sicherlich nicht besser geworden gegenüber dem Entwurf aus dem Jahr 2006. Was soll er bewirken?

Meiner Überzeugung nach muss man vom Grundsatz ausgehen und sagen: Verbandsklagen sind generell systemfremd. Ich weiß, wir haben das mit den 29er-Verbänden, und teile die Auffassung der Kollegin Wiegand, die gesagt hat, das sei bislang mit Augenmaß behandelt worden. Gleichwohl bleibt es systemfremd.

Wir müssen immer fragen, wer, wann, wie und wo klageberechtigt ist. Wir haben das System der Betroffenheit, um die Klageberechtigung zu erwirken. Das ist im deutschen Rechtssystem sehr gut verankert und sicherlich richtig.

In Bremen – darauf hat Kollege Pick hingewiesen – will man das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine einführen; es ist ja noch nicht umgesetzt. Ich gebe zu, Kollege Remmel – darauf werden Sie gleich sicherlich eingehen –, wir haben im Saarland in einer potenziellen Koalition mit Ihnen

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Nicht poten- ziell! Das ist schon eine richtige!)

ja, okay – einen Koalitionsvertrag, in dem sogar steht, dass das Verbandsklagerecht eingeführt werden soll. Aber Sie wissen das ja aus Ihrer Erfahrung mit der SPD: Koalition ist eine Zusammenarbeit auf Zeit, da muss der eine oder andere Kröten auch gegen seine eigene Überzeugung schlucken. Das ist dort so. Wir werden dem hier nicht folgen, weil wir mit den Kollegen von der CDU-Fraktion wie auch in vielen anderen Sachen inhaltlich deckungsgleich sind.

Wir haben – den Begriff Staatsziel hat der Kollege Pick schon erläutert – hervorgehoben, dass dem Tierschutz eine besondere Bedeutung zukommt und dass das im Großen und Ganzen klappt. Das ist richtig und gut. Im Übrigen sieht auch das Bundesnaturschutzgesetz das nach langer Diskussion nicht vor. Man hätte das unter rot-grünen Zeiten, wenn man es denn wirklich gewollt hätte und nicht nur populistisch Schaufensterreden halten würde, selbst machen können. Man hat es aber bewusst nicht gemacht, sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch im Bund nicht.

Allerdings – auch damit hat die Kollegin Wiegand sachlich recht – ist es im Bundesnaturschutzgesetz auch nicht hundertprozentig ausgeschlossen worden. Nur: Wer es will, der hätte es machen können. Er hat es aber nicht gemacht. Heute sagen diejenigen, die es hätten machen können: Wir waren schon immer dafür, haben es aber nicht gemacht. – Das ist Populismus pur. Daran wollen wir uns nicht beteiligen.

Eine andere, sehr wichtige Stellungnahme ist im Bundesrat vorgetragen worden. Ich möchte sie

vorlesen, weil sie bei manchen vielleicht ins Hintertreffen geraten ist – ich darf zitieren –:

Durch mögliche verbandsklagebedingte Verzögerungen wird für die Medikamentenentwicklung in Deutschland ein zusätzlicher Risikofaktor geschaffen, der Firmen unter Umständen dazu zwingt, entscheidende Medikamentenentwicklungen nicht mehr in Deutschland durchzuführen. Mit der vorgeschlagenen Regelung würden zudem zukünftige Investitionen in innovative und forschungsintensive Projekte verhindert. Aus den vorgenannten Gründen kann ein Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine nicht unterstützt werden. Den Tierschutzvereinen – auch das darf man nicht vergessen – stehen zudem ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung, um die Rechte der Tiere zu befördern. Der Schutz von Tieren spielt in der Öffentlichkeit schon eine wesentliche Rolle, sodass weitere Rechte für Tierschutzvereine für die Durchsetzung der Rechte der Tiere nicht notwendig sind.

Meine Damen und Herren, die Aussage ist doch mehr als eindeutig.

Unbeschadet dessen ist völlig klar, dass wir ethisch in besonderem Maße verpflichtet sind, die Tiere artgerecht zu behandeln. Ich sehe auch nach Nachfrage – von einzelnen kriminellen Handlungen abgesehen – auf dem breiten Feld keine Probleme in dem Sektor, die eine solche Aufstufung zur Verbandsklage rechtfertigen würden. Aus meiner tiefen Überzeugung ist der Antrag inhaltlich zum einen wegen des Aufgreifens als Staatsziel und zum anderen deswegen überflüssig, weil es auf den unterschiedlichen Ebenen – auch darauf hast du, Clemens, schon hingewiesen – dieses Bundeskontrollgremium in der Medikamentenforschung gibt, das sich damit befasst und sicherstellt, dass Tierversuche nur auf das wirklich notwendige Maß beschränkt werden.

Es ist – nach ausführlicher Diskussion – im Bundesnaturschutzgesetz nicht vorgesehen; es ist nicht ausgeschlossen, aber es ist nicht vorgesehen. Diejenigen, die das heute lautstark fordern, hätten es gestern umsetzen sollen. Das ist Populismus pur. Das ist letztendlich – das muss ich sagen – eine Beleidigung für die Tierschützer, dass man ihnen vorgaukelt, man wolle ihnen etwas bieten und entgegenkommen. Man hätte es jahrelang tun können, hat es aber nicht getan. Populismus pur! Wir lehnen das grundsätzlich ab, und natürlich lehnen wir, wie schon im Ausschuss, den Gesetzentwurf ab. – Schönen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Fraktion der Grünen spricht nun Herr Kollege Remmel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Schutz unserer Mitgeschöpfe liegt in unserer Verantwortung, denn Tiere können sich nicht wehren. Sie können ihre Interessen nicht artikulieren, sie können sie eben nicht einklagen; deshalb brauchen sie uns. Sie sind auf Menschen, Institutionen und Verbände angewiesen, die ihnen mit Respekt und Achtung begegnen und nötigenfalls auch ihre Rechte durchsetzen.

Manchmal sagen Bilder mehr als Worte. Ich will Ihnen die Anblicke nicht ersparen.

(Der Redner hält ein Plakat hoch.)

Bilder aus dem Dunkeln zu zerren, um die klinisch saubere Fassade einer oft beklemmenden Wirklichkeit zu zeigen, ist notwendig, um Hinweise auf mehr Respekt, mehr Achtung und mehr Rechte zu geben. Diese Bilder klagen an, dass es an Respekt und Achtung fehlt.

Halb verhungerte Milchkühe auf einem heruntergekommenen Hof in Westfalen, völlig verwahrloste Ponys auf einer abgelegenen Weide oder ein Hundezüchter aus Westfalen, der kranke, verhaltensgestörte Welpen verkauft, weil sie viel zu früh von ihrer Mutter getrennt werden – all das sind Meldungen, die uns tagtäglich erreichen.

(Der Redner hält ein weiteres Plakat hoch.)

Dazu kommt noch – täglich grüßt das Murmeltier – die himmelschreiende Quälerei der Massentierhaltung. Heute können Sie und wir im Landtag einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass der Umgang mit Tieren in ethisch vertretbare, tiergerechte Bahnen geleitet wird.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Heute können wir unserer Verantwortung gerecht werden und das Staatsziel Tierschutz stützen. Ein Aufnehmen in die Verfassung als Staatsziel ist doch ein Auftrag für den Gesetzgeber, dieses Staatsziel auch mit Leben zu erfüllen. Bisher ist es mit zu wenig Leben erfüllt; deshalb bedarf es dieser Initiative.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Heute können Sie zeigen , liebe Kolleginnen und Kollegen gerade der CDU, wie ernst Sie Ihre Absichtserklärungen und Äußerungen meinen, den Schutz der Tiere ernst zu nehmen und als Bestandteil einer christlich-ethisch-moralischen Überzeugung tatsächlich umzusetzen.

Herr Minister, ich habe sehr wohl zur Kenntnis genommen, wie empört Sie selbst über die grausamen Bilder der polnischen Gänse, die bei lebendigem Leib gerupft werden, in der letzten Sitzung des vorigen Jahres waren. Ich habe auch Ihre Antwort auf unsere Berichtsanfrage im Umweltausschuss, wie mit Tierversuchen von Primaten umzugehen ist, gut in Erinnerung, Herr Minister, und wie Sie deutlich machten, dass Sie ein großes Interesse an der

Vermeidung solcher Tierversuche haben und einen respektvollen Umgang anstreben.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Jetzt, Herr Minister, liebe CDU, wäre die Gelegenheit, den Worten auch Taten folgen zu lassen und tatsächlich ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen.