Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

Jetzt, Herr Minister, liebe CDU, wäre die Gelegenheit, den Worten auch Taten folgen zu lassen und tatsächlich ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie haben sich in der ersten Lesung unseres Gesetzesantrags darauf berufen, dass der Tierschutz bereits als Staatsziel in der Verfassung verankert ist. Aber es geht darum, dieses Ziel nicht nur anzuerkennen, sondern auch mit Verpflichtungen zu erfüllen. Das Staatsziel allein ist letztlich zahn- und wirkungslos. Ohne Ihre Zustimmung wird dieses Staatsziel, wird der Text des Grundgesetzes Verfassungslyrik bleiben, wie der Präsident des Tierschutzbundes, Wolfgang Apel, ausdrückte. Ohne Ihre Zustimmung können Tierrechte nicht stellvertretend geltend gemacht werden. Wer das nicht will, der braucht eigentlich auch kein Tierschutzgesetz zu verabschieden. Mit Blick auf den Verfassungsrang ist es notwendig, bestimmten anerkannten Tierschutzvereinen Mitwirkungs- und Vertretungsrechte zu geben – eng umgrenzt, so wie es in unserem Gesetzentwurf dargelegt ist, so wie wir es im Übrigen im Naturschutz bereits haben.

Es ist doch ein schizophrener Widerspruch, der endlich beseitigt werden muss, dass Tiere in Freiheit vertreten werden dürfen und Tiere, die genutzt und benutzt werden, nicht. Diesen Widerspruch gilt es aufzuheben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Derzeit haben Vereine keine Mitwirkungsrechte, da eine Klagebefugnis in relevanten Verfahren nicht gegeben ist und grundsätzlich nur geklagt werden kann, wenn der Kläger in seinen eigenen Rechten verletzt ist. Deshalb müssen Menschen dafür Verantwortung übernehmen, sie müssen der Natur zu ihrem Recht verhelfen und es vor Unrecht schützen.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Richtig!)

Warum wollen Sie dies unseren Mitgeschöpfen verweigern? Warum wollen Sie es Menschen verweigern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Rechte der Tiere zu bewahren? Es geht nicht darum, wie von der FDP behauptet, Wirtschaft oder Wissenschaft zu blockieren oder Forschung nicht stattfinden zu lassen, sondern es geht um die konsequente Umsetzung des Staatsziels Tierschutz.

In Anbetracht der engen Auswahlkriterien für die Anerkennung mitwirkungs- und klagebefugter Vereine ist auch nicht die Gefahr einer Prozessflut zu erwarten, wie die Kollegin schon dargelegt hat. Das ist bei der Ausübung und Praxis des Verbandsklagerechts für Naturschutzverbände deutlich geworden. Im Gegenteil, wir hätten die Chance, endlich

den Sachverstand dieser Vereine in die Verwaltungsverfahren und Rechtsprechung einfließen zu lassen.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Tun wir doch ohne- hin!)

Der eigentliche Gewinn, Herr Ellerbrock, liegt nicht darin, dieses Recht auch vor Gericht einklagen zu können, sondern er liegt dadurch, dass die Vereine dann bei bestimmten Verfahren beteiligt werden müssen, im Bereich der Prävention. Gerade das Verbandsklagerecht im Naturschutzbereich zeigt, dass so viele Streitereien im Vorfeld beseitigt werden können, was einen deutlichen Gewinn in der Sache darstellt.

Tierschutzfragen werden derzeit weitgehend vernachlässigt. Deshalb besteht ein Interesse an der entsprechenden Einbeziehung qualifizierter Beraterinnen und Berater. Sprechen Sie doch mal mit den Amtstierärztinnen und -ärzten vor Ort.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Machen wir!)

Nordrhein-Westfalen würde mit einem solchen Verbandsklagerecht knapp hinter Bremen und dem Saarland als eines der größten Bundesländer vorangehen. Wir machen deutlich, dass dies keine Institution ist, die von einer Farbenlehre abhängt – in Bremen gibt es Rot-Grün, im Saarland ist Grün an einer anderen Regierung beteiligt –, auch wenn Grün immer dabei ist. Deshalb noch einmal die Aufforderung an Sie, unserem Gesetz doch noch beizutreten.

Es liegt in Ihrer Verantwortung, ob NordrheinWestfalen ein Land wird, in dem das Staatsziel tatsächlich geachtet und mit Leben gefüllt wird. Es liegt in unserer Verantwortung, ob NordrheinWestfalen ein Land des Tierschutzes wird und unsere Mitgeschöpfe vor Misshandlung und unartgerechter Haltung geschützt werden. Es liegt also an diesem Parlament.

(Zuruf von Holger Ellerbrock [FDP])

Daran wurden Sie heute Vormittag von vielen Tierschützerinnen, Verbänden und Vereinen vor dem Landtag erinnert.

Nehmen wir also unsere Verantwortung ernst. Stimmen Sie mit uns für das Gesetz. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Uhlenberg das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der von der Fraktion Bündnis 90/Die

Grünen eingebrachte Gesetzentwurf für ein Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine betrifft ein Thema – die Kollegen haben eben schon darauf hingewiesen –, mit dem sich der Landtag in ähnlicher Form bereits im Jahr 2007 befasst hat.

In der Sache geht es darum, anerkannten Tierschutzorganisationen über das bisher geltende Bundesrecht und auch Landesrecht hinaus weitergehende Mitwirkungs-, Verfahrens- und Prozessrechte einzuräumen.

Die Regierungsfraktionen haben in den Ausschussberatungen diesbezüglich ihren Standpunkt erneut deutlich gemacht. Auch der Standpunkt der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ist klar und eindeutig: Wir lehnen den Gesetzentwurf ab.

Da das Thema nach meiner Einschätzung ausdebattiert ist, hier nur noch einmal kurz die maßgeblichen Argumente für die Ablehnung dieses Gesetzentwurfes: Ein Landesgesetz zur Formalisierung von Mitwirkungs-, Verfahrens- und sogar Prozessrechten für anzuerkennende Tierschutzorganisationen ist nicht erforderlich. Das angeführte Problem eines Ungleichgewichtes der Kräfte im Verhältnis zwischen Tiernutzern und Tieren besteht so nicht.

Bereits nach geltendem Recht werden Tierschutzaspekte im Rahmen von bau- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für Tierhaltungsanlagen frühzeitig berücksichtigt. Regelmäßig erhalten Tierschutzbehörden als Träger öffentlicher Belange, aber auch Tierschutzorganisationen natürlich die Gelegenheit, ihre Positionen in die Verfahren einzubringen.

Nach meiner Wahrnehmung greifen die Genehmigungs- und Vollzugsbehörden die Anregungen der Tierschutzorganisationen gerne auf, um im Rahmen des geltenden Rechts das Beste für den Tierschutz herauszuholen.

Des Weiteren möchte ich auf die Zusammenarbeit meines Ministeriums mit dem Tierschutzbeirat hinweisen. Bei der Vorbereitung von neuen Tierschutzstandards, von tierschutzrelevanten Rechtsvorschriften oder Erlassen oder bei der Erörterung tierschutzrechtlicher Themen und Sachverhalte tauschen wir auf der Grundlage einer vertrauensvollen Zusammenarbeit Informationen und Fachwissen aus.

Durch die enge Zusammenarbeit wirken bereits auf dieser frühen Ebene Vertreter der Tierschutzorganisationen bei einer Vielzahl von Entscheidungen ganz konkret mit. Letztlich werden die Tierschutzorganisationen bei der Genehmigung von Tierversuchen sowie bei dem Erlass von Verordnungen und Verwaltungsvorschriften bereits nach dem geltenden Tierschutzgesetz frühzeitig eingebunden.

Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, welchen Mehrwert die im Gesetzent

wurf vorgesehenen Regelungen für die zu schützenden Tiere haben sollen, kann ich soweit nicht erkennen.

(Beifall von CDU und FDP)

Der Gesetzentwurf enthält vielmehr überwiegend Regelungen, die zunächst zu einem neuen Aufwand für die Verwaltung führen. So sieht § 3 Abs. 2 des Gesetzentwurfes vor, dass jeder Tierschutzverein, der das Verbandsklagerecht nutzen möchte, anerkannt werden muss. Damit wird ein neues, bürokratisch ausgestaltetes, aufwendiges Anerkennungsverfahren geschaffen. Dies wiederum bedeutet die Schaffung einer neuen kostenträchtigen und entbehrlichen Bürokratie. Erklärtes Ziel der Landesregierung ist aber der Abbau von Bürokratie. Durch die neugeschaffene Möglichkeit einer Feststellungsklage würde auch auf die Verwaltungsgerichte eine zusätzliche Belastung zukommen. Ich finde, das ist nicht begründbar.

Deshalb möchte ich auch die in der Begründung zum Gesetzentwurf enthaltene Prognose über die finanziellen Auswirkungen auf den Landeshaushalt infrage stellen. Nach der Auffassung meines Hauses sind sehr wohl Kosten für den Landeshaushalt in Form von Personalkosten zu erwarten.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, statt neue, abstrakte verfahrensrechtliche Positionen für Tierschutzorganisationen zu schaffen, durch die Verwaltungsgerichte und Behörden ohne erkennbaren Vorteil für den Tierschutz zu Mehrarbeit gezwungen werden, ist es nach meinem Verständnis wichtiger, den Tierschutz mit konkreten Maßnahmen und Aktivitäten zu fördern.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat deshalb im vergangenen Jahr, also im Jahr 2009, beispielsweise wieder den NRW-Tierschutz-Preis ausgeschrieben. Mit diesem Preis ehrt das Land Personen und Institutionen, die sich durch großes ehrenamtliches Engagement oder durch besondere innovative Tierschutzprojekte verdient gemacht haben. Der Preis ist mit 10.000 € dotiert. Solche Vorhaben fördern den Tierschutz in der Gesellschaft und schaffen eine Kultur des Bewusstseins für tierschutzrechtliche Belange in der Öffentlichkeit.

Sollte man ein Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen dennoch für erforderlich halten, so bin ich der Meinung, dass eine solche Regelung nur auf Bundesebene erlassen werden könnte, denn der Bund hat mit dem Tierschutzgesetz seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz mit Sperrwirkung für den Landesgesetzgeber in Anspruch genommen. Entsprechende Initiativen hatten in der Vergangenheit aus gutem Grund allerdings keinen Erfolg.

Auch der gern angestellte Vergleich – und der ist auch eben vorgenommen worden – mit dem Land

Bremen kann mich nicht überzeugen. Seit dem Jahre 2007 ist in Bremen ein dem hier vorliegenden Gesetzentwurf entsprechendes Gesetz in Kraft. Im Vorfeld dieser Plenardebatte haben sich Mitarbeiter meines Hauses mit den zuständigen Kollegen der Bremer Senatsverwaltung für Gesundheit noch einmal ausgetauscht. In Bremen liegen bisher keinerlei belastbare Erfahrungswerte in Bezug auf das Verbandsklagerecht der Tierschutzvereine vor.

Es kann also nicht auf positive Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. Messbare Verbesserungen des Tierschutzes durch die Schaffung von Mitwirkungs-, Verfahrens- oder sogar Prozessrechten für anzuerkennende Tierschutzorganisationen können nicht bestätigt werden. Wozu brauchen wir dann also noch ein weiteres Gesetz?

(Holger Ellerbrock [FDP]: Richtig!)

Es bleibt anzumerken, dass selbst, wenn Bremen erste Erkenntnisse hätte liefern können, die Übertragung der Erfahrungen eines Stadtstaates auf einen großen Flächenstaat wie Nordrhein-Westfalen ohnehin nur eingeschränkt möglich ist.

Verehrter Herr Abgeordneter Remmel, Sie haben eben hier ein Bild gezeigt und auch einige Bilder im Raum verteilt. Ich möchte gerade vor dem Hintergrund, dass auch Zuschauer hier sind, darauf hinweisen, dass wir natürlich heute schon die Möglichkeit haben, ohne dass dieses Verbandsklagerecht eingeführt wird, solchen Missständen nachzugehen, und dass solche Missstände auch beendet werden.

(Beifall von der CDU)

Dafür haben wir in Nordrhein-Westfalen heute schon die entsprechende Rechtsgrundlage. Ich darf in diesem Zusammenhang nicht nur an die Arbeit unseres LANUV erinnern, sondern auch an die Arbeit der Kreisordnungsbehörden, die hier täglich im Einsatz sind. Solchen Missständen wird bereits jetzt nachgegangen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Weil Sie hier noch einmal das Thema Massentierhaltung angesprochen haben, möchte ich darauf verweisen, dass die Zahl allein gar nichts aussagt. Wenn ein Landwirt heute 100 Kühe in einem Boxenlaufstall hat, sprechen Sie von Massentierhaltung. Diese Tiere können sich den ganzen Tag frei bewegen. Früher hatte man im Durchschnitt 12 Kühe auf dem Hof. Sie standen den ganzen Winter an der Kette und konnten sich nicht bewegen. Damals sprach man nicht von Massentierhaltung. Daher meine ich, dass diese Schlagwörter zwar schick sind, aber überhaupt nicht die reelle Situation in Nordrhein-Westfalen treffen und auch nicht zur Lösung dieses Problems beitragen.

Letztlich ist es für mich wichtig, die Belange des Tierschutzes mit den Anforderungen eines starken Landes Nordrhein-Westfalen auch als Forschungs- und Wirtschaftsstandort zu einem vernünftigen,

zukunftsorientierten Ausgleich zu bringen. Dies ist durch die bestehende Gesetzeslage gewährleistet.