Reden wir doch einmal über die Sozialsysteme! Was ist denn der soziale Zusammenhalt? Was ist denn die Grundlage unseres Gesellschaftsmodells? Das heißt doch, dass die starken Schultern mehr tragen als die schwachen, dass die Gesunden für die Kranken einstehen. Was machen Sie? Sie unterschreiben einen Koalitionsvertrag, in dem die Kopfpauschale steht.
Das machen Sie in Berlin. Das passt nicht zusammen, Herr Ministerpräsident; da kommen Sie in Erklärungsnot.
Wenn Ihr Fahrer den gleichen Beitrag in die Krankenversicherung zahlt wie Sie – ich sage das noch einmal –, dann klingt das für manche Ohren vielleicht gerecht, aber nicht, wenn man genau hinschaut. Sie propagieren eine Hinzuversicherungsmöglichkeit über die Grundlast hinaus, die nur bei privaten Krankenversicherungen möglich ist. Da frage ich: Was passiert mit den Menschen, die eine schwere Vorerkrankung oder eine chronische Erkrankung haben? Bei Ihnen wird das soziale Netz durchlässiger. Das werden wir verhindern. Deshalb werden wir am 9. Mai auch gewinnen, meine Damen und Herren. Das wird ein wesentlicher Punkt sein.
den von Peer Steinbrück über die Fliehkräfte der Gesellschaft, über das Auseinanderdriften erinnert gefühlt. Aber mir fehlen die Schlussfolgerungen, und zwar die Schlussfolgerungen, die ich Ihnen gerade dargestellt habe.
Mit Blick auf die Älteren reden Sie darüber, dass man neue Wohnformen braucht, neue Altenheime. Ich glaube, das ist alles auf einem relativ guten Weg. Aber Sie reden nicht darüber, dass wir dafür einen leistungsstarken sozialen Wohnungsbau brauchen. Sie haben diesen sozialen Wohnungsbau der politischen Entscheidung dieses Hauses entzogen. Sie haben die Zügel gar nicht mehr in der Hand, um die erforderlichen Veränderungen vorzunehmen.
Übrigens sagt das auch die Zukunftskommission; das fand ich hochinteressant. Sie fordert, verstärkt Mittel für den Mietwohnungsbau einzusetzen und weniger in die Förderung der Eigenheime in der Fläche.
Alles das gehört zur Politik des Älterwerdens unter den Stichworten Gerechtigkeit, Solidarität und Zusammenhalt aus meiner Sicht dazu.
Meine Damen und Herren, wir müssen umsteuern. Wir brauchen Strukturveränderungen. Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat. Und wir brauchen einen Staat, der in der Lage ist – darüber haben Sie heute auch nicht geredet –, der Wirtschaft Regeln zu setzen und die Einhaltung von Regeln zu überwachen. Sie regieren in Berlin seit einigen Monaten. Ich erkenne aber nicht, dass es endlich mit der Regulierung der Finanzmärkte weitergeht. Ich kann da nichts erkennen.
Wo wird denn an welcher Stelle Wort gehalten? Sie reden viel über die Beschränkung von Managergehältern und Boni, Herr Ministerpräsident. Wo sind denn die Entscheidungen? Wo sind denn die Vorschläge für den Bundesrat? Ich kann sie jedenfalls nicht entdecken.
Es geht nicht nur darum, bei den Finanzmärkten umzusteuern, sondern es geht auch darum – ich sage das jetzt einmal als Christin –, dass wir die Schöpfung bewahren müssen. Das wird eine schwierige Aufgabe. Dabei geht es um den Klimawandel, aber auch um mehr als das: Es geht auch um die Ressourcensicherung. Es geht um die Fra
gen: Wie schaffen wir es, Industrieland zu bleiben? Wie schaffen wir es, Energiestandort zu bleiben? Wie funktioniert eigentlich die zukünftige Energieversorgung? – Effizienz, Energiesparen und erneuerbare Energien.
Jetzt schauen wir uns doch einmal an, was Sie seit 2005 in diesem Land gemacht haben. Warum fallen wir denn in dem Ranking für erneuerbare Energien zurück? – Weil Sie immer noch die Windkraft bekämpfen und jetzt sogar die Solarförderung kürzen. Das passt doch nicht zusammen, Herr Ministerpräsident.
Die Entwicklung, die im Energiesektor auf uns zukommt, nämlich dass die Ressourcen der fossilen Energieträger zu Ende gehen, hat auch Rückwirkungen auf die Mobilität – aber nicht nur auf die Elektroautos. Nein, wir müssen jetzt endlich auch etwas gegen den Verkehrsinfarkt tun.
Ich fand es schon sehr witzig, dass Sie hier gesagt haben, demnächst sollten die Leute nur noch zehn Minuten an der Haltestelle stehen.
Ich weiß nicht, wie oft Sie mit Bus und Bahn fahren und wann Sie das letzte Mal damit unterwegs waren. Aber ich fürchte, Sie machen mal wieder eine Rechnung für die Kommunen auf. Die sollen das richten. Wo ist die Leistung des Landes, um endlich aus dem Verkehrsinfarkt herauszukommen? Wo ist sie denn?
Oder bleibt das auf die Verkehrslenkungsschilder begrenzt, Herr Ministerpräsident? Das wüsste ich gerne einmal.
Wenn man ein solches Ziel anvisiert, muss es auch auf die Energieproduktion sowie auf die Netze und die Netzstrukturen Rückwirkungen haben. Da liegt doch eine Chance für Nordrhein-Westfalen. Wir haben sehr frühzeitig den richtigen Hebel in die richtige Richtung gestellt, nämlich Ökologie und Ökonomie zusammenzuführen. Jetzt fallen wir wieder zurück.
Ich erwarte von Ihnen klare Botschaften. Wir haben eine. Wir sagen: Für uns ist der Klimaschutz ein Fortschrittsmotor. – Klare Botschaften zu haben heißt auch: Wir wollen ein Klimakabinett; denn wir wissen, dass das eine übergeordnete, zentrale Aufgabe für unser Land wird. Die Kohle wird noch gebraucht werden. Neue Technologien und Effizienz werden wir benötigen. Die CCS-Technologie als Option darf man nicht aus dem Auge lassen.
Ja, wir müssen die Schöpfung bewahren. Dabei muss Nordrhein-Westfalen Vorreiter sein. Das heißt für mich: Ausstieg aus der Atomenergie; denn strahlenden Müll können wir nicht gebrauchen. Da muss man nur nach Asse schauen. Und wir haben immer noch kein Endlager, meine Damen und Herren.
Wenn wir uns auf diesen Weg machen, wenn wir das Ziel anvisieren, in einer solchen Gesellschaft zu leben, müssen wir auch darüber reden, wie wir als Chemiestandort mit Ressourcen umgehen. Was bedeutet es eigentlich, dass wir heute noch unser Öl verfeuern? Dabei wissen wir doch, dass es endlich ist. Wir wissen auch, dass es die Grundlage für die chemische Industrie und die Herstellung von Kunststoffen sowie vielen anderen Produkten ist.
Ich habe Sie schon vor über einem Jahr aufgefordert, von der Wissenschaft endlich ein Ressourcenscreening vornehmen zu lassen und entsprechende Ersatzprodukte jetzt vorzubereiten; denn wenn die Preise erst einmal nach oben geklettert sind – das ist der Effekt, der eintritt, bevor die Ressourcen versiegen –, ist es zu spät. Das muss jetzt passieren. Die Strukturen müssen jetzt geschaffen werden. Aber Sie haben nicht den Mut dazu, diese Strukturen zu verändern. Das ist das Problem dieser Regierung, meine Damen und Herren.
Man muss auch den Mut haben, noch weiter zu denken, also nicht nur über CO2 zu reden. Ich frage: Wann kommen wir endlich zu Umweltbilanzen? Wann wird endlich mit einbezogen, dass wir Güter quer über den Erdball transportieren, zum Teil auf Schiffen, die man nur noch als Sondermülldeponien bezeichnen kann? Wann werden diese Umweltlasten – die gesellschaftlichen Lasten der Zukunft – in die Kalkulationen einbezogen? Was sind Ihre Vorstellungen? – Ich habe dazu nichts gehört.
Meine Damen und Herren, die Zukunft zu gestalten bedeutet technologische und wirtschaftliche Innovation mit sozialem und ökologischem Fortschritt in Einklang zu bringen. Innovation und Technologie sind kein Selbstzweck, sondern Mittel im Dienst von Menschen, Arbeit und Umwelt. Der Klimaschutz ist keine Bedrohung, sondern eine große Chance für Wirtschaft und Forschung in unserem Land.
Deshalb sind wir da ganz klar positioniert. Wir haben, im Gegensatz zu Ihnen, eine Vision für dieses Land. Wir denken nämlich ökologische und ökonomische Ziele mit sozialer Gerechtigkeit zusammen. Wir haben nicht nur die zwei Seiten einer Medaille, sondern wir haben ein Dreieck.
Wir bauen auch keine künstlichen Gegensätze auf, wie Sie es, insbesondere die FDP, gerne machen. Wir wissen, was dieses Land braucht. Wir wollen neue Aufstiegschancen schaffen und Abstiegs
ängste überwinden. Wir wollen die beste Bildung für alle. Wir wollen die Integration voranbringen und endlich auch einmal zeigen, wo Integration gelungen ist. Auch das vermisse ich nämlich im Rahmen Ihrer Politik.
Wir wollen unsere Städte, Kreise und Gemeinden stärken, damit die Menschen hier gut und sicher leben können. Wir wollen die Familien stärken, und wir wollen ein zukunfts- und leistungsfähiges Gesundheitswesen. Wir wollen gute Arbeit für alle. Wir wollen den Klimaschutz zum Fortschrittsmotor für unser Land machen. Wir wollen Sicherheit und Teilhabe für die Älteren in unserem Land erreichen. Wir werden das Ehrenamt in unserem Land fördern.
Die Grundlage ist für uns – deshalb verteidigen wir ihn – ein leistungsfähiger Staat. Das ist ganz zentral, und das steht gegen den Begriff „Privat vor Staat“, der nach wie vor Ihr Credo ist.
Kurz und gut: Wir wollen gemeinsam mit der solidarischen Mehrheit in unserem Land eine gerechte Gesellschaft schaffen. Gemeinsinn und Fairness müssen wieder Vorrang haben. Wir müssen das Wir-Gefühl stärken und die Ich-Gesellschaft – die Ellenbogen – überwinden. Wir wollen eine Gesellschaft, in der der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht der Markt. Wir wollen hier eine Gesellschaft, von der die Menschen sagen: Wir in NordrheinWestfalen halten zusammen.