Vor dem Hintergrund der hohen Schutzmöglichkeiten und der hohen Schutzfunktion sind verschiedene Gesetze aufgelegt worden, und zwar auch das Bundestierschutzgesetz.
Im Gegensatz zum Bundesnaturschutzgesetz ist im Bundestierschutzgesetz nicht vorgesehen, dass auf Länderebene eine Verbandsklage eingeführt werden kann. Im Gegenteil: Das wird sogar ausgeschlossen. Aus gutem Grund: Auf Bundesebene sollen nämlich einheitliche Bedingungen gelten. Außerdem sind auf Bundesebene Möglichkeiten, dem Tierschutz zur Geltung zu verhelfen, ausreichend gegeben, und zwar sowohl über das Strafrecht als auch über andere Rechtsvorschriften.
Wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass der Tierschutz in Deutschland im europäischen Vergleich Spitze ist. Weltweit haben wir die höchsten Tierschutzziele formuliert. Von daher sind keinerlei Gründe ersichtlich, weshalb es notwendig sein sollte, dem Gesetzentwurf auf ein Klagerecht für Tierschutzvereine stattzugeben.
Im Stadtstaat Bremen wurde ein mit dem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen gleichlautender Entwurf beschlossen. Zustande gekommen ist dieser Beschluss gegen entsprechende Rechtsgutachten auch der zuständigen Behörden in Bremen. Dort haben unter anderem die Universität Bremen und auch der Wissenschaftliche Dienst der Bürgerschaft klar gesagt, dass eine Landeszuständigkeit zur Regelung dieses Sachverhalts verneint werden muss.
Wenn es zu einer Klage kommt und die Klage angefochten wird, ist es nur eine Frage der Zeit, dass sich die Gerichte auf das beziehen, was der Bund auch wollte, nämlich dass die Gesetze, die dort beschlossen worden sind, für nichtig erklärt werden. Daran sehen wir auch, was der Bundestag will.
Der Bundesrat hat das geltende Tierschutzgesetz diskutiert und seinerzeit innerhalb dieser Diskussion die Bemühungen von Schleswig-Holstein – damals unter Rot-Grün –, ein Verbandsklagerecht einzuführen, abgelehnt, und zwar in einer Zeit, in der Rot-Grün die Mehrheit im Bundestag hatte.
Sollte Rot-Grün ernsthaft das Bestreben haben, bundesweit ein Klagerecht für Tierschutzvereine einzuführen, dann hätte man ja bisher diese Anträge stellen können. Das ist ausgeblieben.
Auch eine Bundesratsinitiative zu ergreifen, was in Bremen mit der beschlossen worden ist, ist bisher nicht umgesetzt. Die Bremer Bürgerschaft hat es seinerzeit beschlossen, aber die Regierung von Rot-Grün in Bremen hat es zwischenzeitlich noch nicht realisiert. Das zeigt, dass man sich hier auf einem sehr unsicheren Boden befindet und die Chancen, im Bundestag dazu eine Mehrheit zu bekommen, nicht erkannt werden. Deswegen kommt es auch nicht zustande.
Wir haben jetzt eine neue Situation, weil es Bündnis 90/Die Grünen im Saarland bei den dortigen Koalitionsverhandlungen gelungen ist, in den Koalitionsvertrag eine Absichtserklärung aufzunehmen, das Verbandsklagerecht einzuführen, eine Absichtserklärung, die allerdings, was unseren Standpunkt in Nordrhein-Westfalen angeht, an unserem bisherigen Meinungsbild nichts ändert, weil die rechtlichen Grundlagen fehlen. Ein rechtliches Ungleichgewicht zwischen Tiernutzern und Tierschützern ist auch von uns nirgendwo erkennbar.
Sie, Herr Kollege Remmel, haben in der ersten Lesung gesagt – das war eigentlich die Begründung für Ihren Antrag –, dass Tiere missachtet werden. Das ist das doch kein Grund, ein Tierschutzrecht einzuführen. Herr Remmel, wenn ich meinen Hund mit Schokolade füttere, was Gift für einen Hund ist, dann strahlt der mich an, aber ich tue ihm nichts Gutes, sondern etwas Schlechtes. Sich auf eine solche biedere Argumentation einzulassen halte ich für zu kurz gesprungen.
Die Tierschutzvereine – das müssen wir auch sehen – haben heute erhebliche Einflussmöglichkeiten. Ihnen ist die Möglichkeit eingeräumt, bei Anhörungsverfahren des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bei der Vorbereitung von Verordnungen und Gesetzen im Bereich des Tierschutzes mitzuwirken. Dort können sie ihre Positionen klar einbringen.
Bezüglich Tierversuchen wird auch immer wieder diskutiert, dass man noch weitere Restriktionen haben will. Wir sind uns darüber einig, dass man Tierversuche da, wo sie notwendig sind, auf das Allernötigste beschränken soll. Das ist keine Erkenntnis aus jüngster Zeit, sondern ich glaube, darüber sind wir uns hier im Hause seit Langem im Klaren.
Aber Tierversuche sind nicht in allen Bereichen entbehrlich. Deswegen gibt es auf der Bundesebene eine Kommission nach § 15 Tierschutzgesetz, von der die behördlichen Genehmigungen für Tierversuche erteilt werden. In dieser Kommission wie auch in den Tierschutzkommissionen der Länder sind die Tierschutzverbände und -vereine vertreten, sodass die Einflussmöglichkeiten, die es für die Tierschutzvereine gibt, sehr weit gefasst und ausreichend sind, um die Rechte der Tiere zu schützen, ohne eine zusätzliche Klagemöglichkeit gegen Behörden zu eröffnen.
Schließlich können wir feststellen, dass wir auch auf der europäischen Ebene weitergekommen sind, vor allen Dingen was die Diskussion um die Versuche mit Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken angeht. Hier hat das Europäische Parlament im vergangenen Jahr in erster Lesung eine entsprechende Richtlinie behandelt. Sie wird demnächst zum Abschluss kommen.
Es ist wichtig, dass wir europaweit gleiche Bedingungen haben; das liegt im Interesse der Tiere und nicht im Interesse der Halter. Es kann ja nicht sein, dass es wegen unterschiedlicher Gesetzeslagen zu Verzerrungen kommt und Tiere von dort, wo sie geschützt werden – vor allen Dingen wenn es um Nutztiere geht –, exportiert werden oder die Produktion in andere Länder verlegt wird, wo der Tierschutz nicht gewährleistet ist. Deswegen ist es wichtig, dass sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene gleiche Bedingungen herrschen.
Aus diesen Gründen und weil es seit der ersten Lesung keine Veränderungen gegeben hat, weil die Argumente im zuständigen Ausschuss ausgetauscht worden sind, weil uns die Erkenntnisse aus der seinerzeitigen Anhörung nicht weitergeholfen und wir die Zuständigkeit im Lande für eine derartige Gesetzesinitiative nicht haben, lehnen wir den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen ab. Das war nicht anders zu erwarten; das war so angekündigt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Pick, Herr Ellerbrock – wo ist er? –,
zu der alle Parteien eingeladen waren, ihre Statements zu diesem Thema öffentlich abzugeben. Schade, dass Sie nicht da waren.
Ich freue mich, dass Sie von der CDU in großer Zahl anwesend waren; denn zu dem Zeitpunkt hat unsere Vorsitzende Frau Kraft hier im Plenum gesprochen. Vielen Dank, dass Sie so interessiert waren.
Dennoch sind wir uns sicherlich fraktionsübergreifend in einem Punkt einig: Tierschutz bedeutet die Vermeidung von Tierquälerei sowie die Vermeidung von grundlosem Zufügen von Schmerzen, Leiden und Schäden. Doch darum geht es heute nicht.
Heute wird entschieden, ob beim Tierschutz dessen rechtspolitische Bedeutung einen entscheidenden Schritt vorankommen soll oder nicht.
Selbstverständlich ist darauf hinzuweisen, dass in Deutschland seit 1871 eine beachtliche Entwicklung des gesetzlichen Tierschutzes stattgefunden hat. Ebenso gibt es heute internationale Regelungen und europäisches Recht. Im nationalen Recht war das Tierschutzgesetz von 1972 ein Meilenstein. Im Bürgerlichen Gesetzbuch gilt seit 1990, dass Tiere keine Sachen sind.
1994 wurde in Nordrhein-Westfalen ein Beirat für Tierschutz gebildet. Aber es ist und bleibt lediglich ein Gremium des Informationsaustausches und nicht der Mitentscheidung des anerkannten Tierschutzes.
Seit 2002 ist der Tierschutz ein Staatsziel, ein Rechtsgut mit Verfassungsrang. Die Gewaltenteilung muss diese Deklaration in ihrer weiteren Gesetzgebung mit den damit verbundenen Erlassen und Verordnungen, der verwaltungsseitigen Ausführung und in der Rechtsprechung ausbauen und vertiefen.
Die CDU-Fraktion hat schlicht unrecht, wenn sie behauptet, dass ein Bundesland nicht die Kompetenz habe, ein Verbandsklagerecht einzuführen.
Ich empfehle Ihnen die Lektüre „Die öffentliche Verwaltung“ von Herrn Professor Dr. Johannes Caspar aus Februar 2008, der Ihre These klar und eindeutig widerlegt.
Die Bundesgesetzgebung sieht keinen Ausschluss der Kompetenz zum Tierschutzverbandsklagerecht durch die Landesgesetzgebung vor.
In diesem Sinne will die SPD-Landtagsfraktion im nordrhein-westfälischen Recht den wirkungsvollen Schutz für Tiere sinnstiftend ausbauen und vertie
fen. Die Einführung eines Verbandsklagerechts für Tierschutzvereine ist für uns eine konsequente Schlussfolgerung aus der Staatszielbestimmung unserer Verfassung. Es ist nun an der Zeit, es auch einzuführen.
Stets wurden bei der Diskussion zur Einführung von Verbandsklagen gebetsmühlenhaft von Teilen der Industrie, der Forschung und der Rechtsprechung, ihren Lobbyisten sowie den ihnen nahestehenden politischen Kreisen fadenscheinige Argumente ins Feld geführt:
Verbandsklagen führten zu Rechtsmissbrauch und Prozesshanselei. Die Gerichte würden noch mehr belastet, angeblich noch mehr bürokratischer Aufwand und eine neue Flut von Gutachten und Prozessen. All dies sei außerdem ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit und ein Gefahrenrisiko für das Leben und die Gesundheit des Menschen auf den Gebieten der Medizin, der Chemie, der Kosmetik und der Toxikologie. Ohnehin sei das Ganze ein eklatanter Wettbewerbsnachteil für unseren Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort. Alles würde nur zu teuer, weil sich Planung und Genehmigung verzögerten oder gleich zunichte gemacht würden. Eine Minderheit von Sektierern, Querulanten und Politikveganern sowie die mit ihnen verbündete Ökoanwaltschaft bekämen eine neue Spielwiese für ihre unnützen und aussichtslosen Klagen, wo sich Hinz und Kunz austoben könnten.
Aber, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, solche und ähnliche Fiktionen in Sachen Verbandsklagerecht sind von interessierter Seite immer wieder künstlich aufgebaut worden. Diese Szenarien konnten jedoch weder der Realität in der Rechtsprechung noch im Verwaltungshandeln standhalten. Ein Verbandsklagerecht gibt es bei uns im Naturschutz, nach dem Behindertengleichstellungsgesetz und im Zivilrecht beim Verbraucherschutz. In keinem dieser Bereiche, insbesondere bei den sogenannten 29erVerbänden der anerkannten Natur- und Umweltschutzvereinigungen, ist eine der oben genannten Befürchtungen, zum Beispiel eine riesige Klageflut, eingetreten.
Auch für den Tierschutz sehen wir dies als widerlegt an. Denn klagen dürfen nur anerkannte rechtsfähige Vereine, für die der vorliegende Gesetzentwurf hohe Hürden gesetzt hat. Klagen können nach dem Gesetzentwurf nur anerkannte rechtsfähige Tierschutzvereine, welche mindestens fünf Jahre bestehen – mit strengen Kriterien hinsichtlich der Anerkennung, ihrer Satzungsregelung und mit einem Sitz in Nordrhein-Westfalen. Solche Organisationen werden ohne Aussicht auf Erfolg keine Klageverfahren anstrengen, die für sie zeit- und vor allem kostenaufwendig sind. Vielmehr werden sich die anerkannten Tierschutzvereine auf wenige ausgewählte und besonders beispielhafte Fälle beschränken.
Warum soll das, was bei der Erhaltung von freilebenden Tieren sowie deren Lebensmöglichkeiten bewährte Praxis ist, ausgerechnet bei den Bestrebungen zum Schutz des Lebens und zur angemessenen Behandlung von landwirtschaftlichen Nutztieren sowie Haus- und Labortieren nicht funktionieren? Warum sollen Tiere in Käfigen weiterhin weniger Rechte haben als die wildlebenden in freier Natur?
CDU und FDP hier im Hohen Haus stellen mit ihrem unbegründeten Misstrauen die vielen engagierten Ehrenamtlichen und die wenigen Hauptamtlichen, die sich aus innerer Überzeugung für den Tierschutz einsetzen, unter den ungeheuerlichen Generalverdacht, dass sie weder effektiv noch verantwortungsvoll mit dem Rechtsmittel einer Verbandsklage umgehen könnten.
Dann verweigern Sie auch noch feige die offene Diskussion mit den Demonstranten heute hier vor dem Landtag,
die sich für die Einführung einer Tierschutzverbandsklage einsetzen und in der Kälte ausgeharrt haben.
Einige von ihnen sind nun oben auf der Tribüne, und ich möchte Sie im Namen unserer SPDFraktion herzlich hier im Haus begrüßen.