Ich habe – das werde ich auch wiederholen – selbstverständlich nach Vorlage dieses Gutachtens ein Interesse daran gehabt – das habe ich auch ausgedrückt –, dass wir aus diesem Gutachten schnell Konsequenzen ziehen. Aber „schnell“ heißt „nicht überhastet“. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Das, was Sie sowohl im Gesetzentwurf als auch im Entschließungsantrag der SPD veranstalten, zeigt mir, dass Sie beide das Burgi-Gutachten nicht gelesen haben können. Das geht überhaupt nicht. Sie schreiben so viel dummes Zeug zusammen, dass es mich erschreckt.
Ich wollte gerne an einer Ecke helfen, wo ich sage: Da gibt es Erfahrungen, aufgrund derer man überlegen muss, ob man beim Abwägen heute schlauer ist als damals. Ich möchte Ihnen einmal die Überschrift des Gutachtens vortragen: „Sektorenspezifische Modernisierung des kommunalen Wirtschaftsrechts in Nordrhein-Westfalen: Ein neuer Ordnungsrahmen für die energiewirtschaftliche Betätigung“.
Die erste Frage lautet – bei den Grünen kann man das noch halbwegs lesen, bei der SPD überhaupt nicht –: Kann ich für den Energieversorgungsbereich eine andere Lösung rechtlich sicher hinbekommen als für die anderen Elemente der Daseinsvorsorge? – Die SPD schmeißt im Grunde genommen alles in einen Abfallhaufen. Null Ahnung!
Frau Ministerin, entschuldigen Sie die Unterbrechung. Der Abgeordnete Jäger möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Wollen Sie die zulassen?
Für die energiewirtschaftliche Betätigung soll auch nach Meinung von Herrn Burgi weiterhin eine Relation gelten, dass nicht eine kleine Kommune weltweit verrückt spielen kann. Von Ihnen dazu keine einzige Zeile!
Außerdem gehen weder SPD noch Grüne auf die massiven Hinweise von Herrn Burgi ein, dass, wenn man sich dort etwas überlegt, alle Privilegien, die die Stadtwerke derzeit haben, wegfallen müssen. Diese stehen hier; ich kann sie Ihnen vortragen. Null davon!
Das heißt, es sind eine ganze Menge Dinge zu überlegen, bevor man sagen kann, dass man an der Ecke – das unterstreiche ich – eine Lockerung haben möchte, aber eine rechtssichere, weil mir die jetzigen Verfahren beim geltenden Recht … Was das Ergebnis angeht, haben wir noch für jeden Fall eine Lösung gefunden, aber es dauert ein halbes bis Dreivierteljahr. Das ist der Hintergrund. Hinter dem, was da zu verändern ist, bleibt das, was Sie aufschreiben, meilenweit zurück.
Wir bleiben bei der hart umkämpften Debatte zum § 107 der Gemeindeordnung bei unserer Meinung. Wir wollen nicht, dass sich Stadtwerke in den Handwerksbereich hinein ausdehnen können. Das war ein wesentlicher Gegenstand der Debatte. Aber wir haben die Beobachtung gemacht, dass das Örtlichkeitsprinzip in der Energieversorgung von anderen Bundesländern anders gehandhabt wird. So gibt es zum Beispiel im Kreis Euskirchen inzwischen 150 Anbieter, und darunter sind über zehn Stadtwerke aus ganz Deutschland. Jetzt muss man gucken, ob man, so wie Burgi das vorschlägt, eine Verabredung treffen kann. Das ist aber eine kompliziert zu beantwortende Frage. Ich bin deshalb dafür, das Gutachten ernst zu nehmen und in Ruhe an einer Lösung zu arbeiten. Ihr Gerede wird der Sache nicht gerecht.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Körfges das Wort.
Frau Thoben, Sie sind hinter Ihren eigenen Ankündigungen, die Sie in allen Zeitungen in NordrheinWestfalen beginnend mit dem 9. Januar abgegeben haben, schnell eine Lösung der Probleme mit dem Örtlichkeitsprinzip zur Steigerung des Wettbewerbs herbeizuführen, zurückgeblieben, nachdem Herr Wolf, der heute hier leider nicht anwesend sein kann, ganz offensichtlich auf die Bremse getreten ist. Wir haben nachgefragt, ob wir in dem von Ihnen angesprochenen Punkt – deshalb stimmen wir auch dem Gesetzentwurf der Grünen zu – mit Ihnen nicht gemeinsam die von Ihnen angekündigten und für notwendig befundenen Dinge zeitnah umsetzen können. Dieses Angebot nehmen Sie heute nicht zur Kenntnis, weil Sie es nicht dürfen, weil Ihr ideologisch verblendeter Koalitionspartner ganz offensichtlich mit beiden Füßen auf der Bremse steht.
Da beißt die Maus keinen Faden ab. Denn das, was die Kollegen Wittke, Brockes und Engel hier eben gesagt haben, liegt so weit auseinander, dass ich das für Meinungen aus einer Regierungskoalition für kaum nachvollziehbar halte. Das, was bleibt, ist: Sie sind nicht mehr regierungsfähig. Sie sind keine regierungsfähige Koalition mehr. Sie sind in Fragen des kommunalen Wirtschaftsrechtes nicht mehr und nicht weniger als eine schlagende Verbindung mit dem Erfolg, dass die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, die Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit und die Leistungsfähigkeit unserer Kommunen leiden müssen. Ich kann nur sagen: Es wird Zeit, dass hier neue Maßstäbe gesetzt werden.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Körfges. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Becker das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Becker.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Thoben, nachdem Sie sich nun doch bereit gefunden haben, hier etwas dazu zu sagen, würde ich gerne noch – ich könnte mehrere dieser Artikel zitieren – einen Artikel aus der „WAZ“ vom 9. Januar 2010 anführen. Darin heißt es: NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben kündigte noch für diese Legislaturperiode eine Lockerung der Gemeindeordnung an.
Dieses Zitat haben Sie bis heute nicht korrigiert. Daher gehe ich davon aus, dass Sie wussten, was Sie sagen.
Nach meiner Einschätzung haben Sie das auch vor dem Hintergrund getan, dass Sie die erkannte Not der Stadtwerke wenigstens in diesem Punkt lindern wollen. Wir haben uns auch ausdrücklich auf diesen Punkt beschränkt – nicht weil wir Ihnen da hundertprozentig recht geben, sondern weil wir Ihnen eine Brücke bauen wollten. Sie wollen das also noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen.
Ich erinnere mich noch daran, dass der Kollege Priggen und ich an dem Freitagmittag Ihrer Pressekonferenz zusammengesessen haben. Wir sind dann angerufen worden und haben ausdrücklich gesagt: Wenn das so gemeint ist, fänden wir es gut. Dann wäre das ein erster Schritt, Falsches zu korrigieren. Wir haben aber Zweifel daran, dass Frau Thoben das mit diesem Koalitionspartner umsetzt.
Wenn man die heutige Debatte verfolgt hat, konnte man auch nachvollziehen, dass diese Zweifel berechtigt waren; denn Herr Brockes hat für die FDP drei Mal erklärt – ich habe es mir extra notiert –, es bleibe bei dem Grundsatz „Privat vor Staat“;
aus Sicht der FDP werde an diesem Paragrafen nichts geändert. Da war nicht von Prüfung die Rede – überhaupt nicht. Kollege Engel hat das in seiner 45-Sekunden-Rede noch einmal wiederholt. Im Übrigen hat Kollege Papke in der Presse vom Schnellschuss der Ministerin gesprochen.
Ich habe in meiner Rede überhaupt nicht den 9. Mai erwähnt, Herr Lux. Das haben Sie vielleicht falsch verstanden. Ich sage Ihnen aber: Wenn wir heute schon über den 9. Mai reden, dann müssen wir auch darüber reden, was für ein Schauspiel Sie hier leider abziehen. Denn Frau Ministerin MüllerPiepenkötter, die ja geradezu entwürdigend als Vertreterin für Herrn Wolf auftritt – der als Kommunalminister nicht nur abwesend, sondern obendrein ein Versager ist –,
hat eben ausgeführt, man lehne diesen Gesetzentwurf ab. Auch dort ist kein Wort von Prüfung gefallen.
Ihnen geht es um etwas anderes, und das hat etwas mit dem 9. Mai zu tun. Sie wollen nämlich Ihre Basis und den Verband kommunaler Unternehmen, der diesen Gesetzentwurf unserer Fraktion gut findet und ihn ausdrücklich lobt, mit dauernden Hinweisen auf eine Prüfung beruhigen.
Herr Wittke, Sie wissen ganz genau, dass es hier nicht mehr um Prüfung geht. Die Prüfung ist dem Grunde nach erfolgt – auch über das Gutachten von Burgi.
Wenn Sie unserem Gesetzentwurf jetzt im weiteren Verfahren zustimmen würden, hätten Sie wenigstens für diesen Teilaspekt eine Lösung geschaffen. Ich verhehle übrigens nicht, dass ich für den Entschließungsantrag der SPD in der Sache große Sympathie habe. Wenn Sie das meinen, was Sie sagen – nämlich die Oligopole in der Energiewirtschaft auflösen und die Stadtwerke in NordrheinWestfalen in die Situation bringen wollen, nicht hinter anderen Stadtwerken aus anderen Bundesländern zurückzubleiben und am Markt als Konkurrenz für die Monopole auftreten zu können –, dann müssen Sie diesen Weg gehen.
Wenn Sie den anderen Weg gehen, haben Sie wieder nur öffentlich etwas angekündigt, was an den gelben Blockierern gescheitert ist. Das zeigt erneut, dass Nordrhein-Westfalen nicht vorankommt, wenn es so bleibt. Wenigstens diese FDP muss aus der Regierung, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Becker. – Für die Landesregierung erhält jetzt noch einmal Frau Ministerin Thoben das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin.
Ich weiß, dass Sie von den Grünen das nicht gerne hören; ich möchte hier aber einmal das zentrale Defizit vortragen, das bei Ihrem Schnellschuss auftaucht. Das Burgi-Gutachten bindet das, was es vorschlägt – natürlich ohne einen Gesetzentwurf vorzulegen –, an folgende Bedingungen:
Ausschluss öffentlich-rechtlicher Organisationsformen – Eigenbetrieb, Anstalt des öffentlichen Rechts –, die letztlich auf eine Gewährträgerhaftung der Gemeinde hinauslaufen
keine Kapitaleinlagen in unrentable Unternehmen, insbesondere Ausschluss der Kreditbeschaffung zu kommunalen Vorzugskonditionen; also Kommunalkredite
Vergaberechtspflicht für gemeindliche Beschaffungsvorgänge bei kommunalen Energieunternehmen auch dann, wenn diese an sich ohne Ausschreibung möglich wären (Inhouse-Ge- schäfte)
Diese wesentlichen Bestandteile des BurgiGutachtens werden bei Ihrem Vorschlag mit keinem Wort erwähnt. Schon deshalb kann man so einen Quatsch nicht machen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – Beim Blick in die Runde bleibt das auch so.
Damit sind wir am Schluss der Beratungen und kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/10585 an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform – federführend – sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie. Darf ich fragen, ob es Gegenstimmen gegen diese Überweisungsempfehlung gibt? – Enthaltungen? – Dann stelle ich fest, dass diese Überweisungsempfehlung mit Zustimmung aller Fraktionen angenommen ist. Der Entschließungsantrag der SPD Drucksache 14/10633 folgt in die Ausschussberatungen.