Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Das ist wohl wahr!)

Die Zweckbindung, meine Herren, zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus – vielleicht haben Sie das gar nicht mitgekriegt, was Sie da verabschiedet haben – ist verloren, und damit besteht die Gefahr, dass das Vermögen stark vermindert oder sogar vollständig aufgebraucht wird. Denn die NRW.BANK kann ab jetzt deutlich mehr und größere Geschäfte auf dem Kapitalmarkt eingehen. Damit steigt das Risiko möglicher Verluste.

Außerdem, meine Damen und Herren, haftet die Bank als Mutter der Westdeutschen Landesbank anteilig auch für deren Verluste. Die sind ja – oft diskutiert in diesem Haus – bekanntlich milliardenschwer.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer Sachverhalt wiegt noch viel schwerer. Das Parlament, dieses Haus, und damit die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Vertreter haben keine Möglichkeit mehr, auf den sozialen Wohnungsbau in unserem Land Einfluss zu nehmen oder gar die Verwendung der Mittel zu kontrollieren und zu überwachen. Über die Verwendung von 18,5 Milliarden € entscheidet zunächst allein und ausschließlich der Vorstand der NRW.BANK. Die Beteiligung des Parlaments ist nicht mehr vorgesehen, ebenso wenig die wohnungspolitische Fachkompetenz.

Meine Damen und Herren, die Intransparenz wird noch größer, weil auch der Landesrechnungshof, wichtigstes Kontrollorgan im Land NordrheinWestfalen, keinerlei Kontrolle über dieses Vermögen hat. Weder die wirtschaftliche Verwaltung noch die Verwendung der Fördergelder sind durch den Hof noch überprüfbar. Das ist aus unserer Sicht ein Fehler, der korrigiert werden muss. Denn wie andere Landesrechnungshöfe muss auch der in Nordrhein-Westfalen künftig über den Gesamtumfang des Bilanzvolumens und der Kapitalmarktgeschäfte unterrichtet werden und die wirtschaftliche Verwal

tung und Verwendung aller Fördermittel – das muss eigentlich selbstverständlich sein – prüfen können.

Meine Damen und Herren, die NRW.BANK ist die Förderbank unseres Landes. Daher muss ein Höchstmaß an Transparenz und Kontrolle gewährleistet sein. Fördergelder sind Steuergelder. Das Parlament ist die gewählte Vertretung der Steuerbürgerinnen und -bürger in diesem Land. Die undurchsichtigen Geschäfte der Westdeutschen Landesbank sollten uns ein warnendes Beispiel sein. Ohne Wissen des Parlaments wurden vor Jahren Zinswetten auf Aktiengeschäfte getätigt und haben schon deutlich vor der Finanzkrise Millionenverluste verursacht.

(Zuruf von Bernhard Schemmer [CDU])

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag muss über den Interessen einzelner Fraktionen und Parteien stehen. Deshalb gehe ich davon aus – das sage ich deutlich an die Kolleginnen und Kollegen Richtung FDP und CDU –, dass wir ihn im Interesse der Steuerbürgerinnen und Steuerbürger des Landes heute gemeinsam verabschieden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Walsken. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun der Kollege Becker.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist durchaus an der Zeit und wichtig, noch einmal festzuhalten, was Sie mit der Veränderung beim Wohnungsbauvermögen erreichen bzw. welchen Schaden Sie anrichten. Ich will da anschließen, wo die Kollegin Walsken eben aufgehört hat, nämlich bei dem Punkt, dass Sie mindestens auf zwei Ebenen Schaden anrichten: zum einen beim Wohnungsbauvermögen, zum anderen bei der Frage der Transparenz des Wohnungsbauvermögens und seiner Verwendung im Rahmen der NRW.BANK. Zu beiden Punkten will ich kurz etwas ausführen.

Erstens. Wenn das gesamte Wohnungsbauvermögen mit rund 18 Milliarden € in Zukunft nicht nur voll haftend, sondern auch voll integriert in der NRW.BANK gesteuert wird, dann bedeutet das, dass der Vorstand der NRW.BANK steuert. Das wiederum hat zur Folge, dass es von den Aufsichtsgremien der NRW.BANK gesteuert wird. Beide, aber insbesondere der Vorstand, haben sich vor allen Dingen an Bestimmungen des Kreditwesengesetzes zu halten. Das ist etwas anderes als die Förderung der Wohnungswirtschaft.

Zum anderen ist der Wohnungsbauzweck nur einer von vielen Förderzwecken im Rahmen der NRW.BANK und insofern immer in Konkurrenz zu anderen Förderzielen, also beispielsweise den Be

dürfnissen von Herrn Minister Pinkwart im Zusammenhang mit seinem Innovationshaushalt, wie er es nennt, oder anderen Dingen im Bereich von Herrn Uhlenberg. Demnächst entscheiden also – auch wenn das Kabinett im Hintergrund ist – im Vordergrund die Aufsichtsgremien der Bank zusammen mit dem Vorstand der Bank nach völlig anderen Kriterien, nämlich den verschiedensten Förderzielen und Kreditwesengesetz-Vorgaben, die für den Vorstand der Bank gelten. – Das ist die eine Seite, aus der heraus kritikwürdig ist, was Sie hier machen.

Der zweite Punkt ist die Frage des Schattenhaushalts und der mangelnden Transparenz. Wir haben heute an verschiedenen Punkten viel über Transparenz geredet. Transparenz ist nicht mehr gegeben, wenn das Wohnungsbauvermögen voll integriert und damit den Prüfmöglichkeiten des Landesrechnungshofs entzogen ist.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das heißt, wir als Parlament und jeder von uns als Parlamentarier haben nicht mehr die Chance, über den Landesrechnungshof in Gänze darüber informiert zu sein, was mit dem enormen Vermögen geschieht.

Um es noch einmal deutlich zu machen: Es geht in Wahrheit nicht „nur“ um 18 Milliarden €, sondern auch um die Hebelwirkung, die damit beim Ausreichen von Krediten verbunden ist, wenn dieses Vermögen als Eigenkapital hinterlegt wird. Das heißt, es geht mithin um eine Summe, die weit höher ist als der gesamte Landeshaushalt eines Jahres.

Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass ein solcher Schattenhaushalt nicht entstehen darf, dass er zumindest, wenn er denn – gegen unseren Willen – entstünde, von Landtagsabgeordneten über die Aufsichtsgremien der Bank mitgestaltet werden müsste. Deswegen will ich wie die Kollegin Walsken noch einmal darum werben. Das muss der Mindestkonsens sein, den wir heute erzielen.

Unabhängig davon will ich Ihnen sagen: Karthago muss fallen. Dieses Gesetz wird rückabgewickelt werden, wenn wir in die Mehrheit kommen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Becker. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Weisbrich.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Frau Walsken und Herr Becker haben eben einen Teilaspekt aus dem Antrag besonders stark beleuchtet. Der Antrag enthält drei Kernvorwürfe: erstens die angeblich fehlende Kontrolle der NRW.BANK durch den Landtag, zweitens die angebliche Schaffung eines Schattenhaushalts durch die Vollintegration des Wfa-Vermögens und drittens

die angebliche Einschränkung der Prüfrechte des Landesrechnungshofs durch § 13 NRW.BANKGesetz. Der Antrag gipfelt in der Aufforderung, das NRW.BANK-Gesetz zu novellieren, unter anderem mit dem Ziel,

(Horst Becker [GRÜNE]: Er kumuliert!)

die Prüfungsbefugnis des Landesrechnungshofs deutlich zu erweitern und dem Landesrechnungshof den Zugriff auf den vollständigen Bericht des Wirtschaftsprüfers einzuräumen. Das sind Ihre Kernforderungen.

Mit Verlaub, meine Damen und Herren: Diese Vorwürfe sind honoriger Unfug vor dem Hintergrund der Geschichte, wie sich das Ganze in NordrheinWestfalen entwickelt hat.

(Gisela Walsken [SPD]: Gut, ne?)

Wenn die Landesregierung Dritten öffentliche Mittel zur Verfügung stellt, dann ist sie ohnehin verpflichtet, die ordnungsgemäße, zweckmäßige und wirtschaftliche Verwendung der Mittel zu prüfen. Zu diesem Zweck muss sie nach § 26 Haushaltsgrundsätzegesetz und nach § 48 der Landeshaushaltsordnung ein Prüfungsrecht der zuständigen Dienststelle oder ihrer Beauftragten festlegen. Geprüft werden öffentliche Mittel also in jedem Fall.

(Horst Becker [GRÜNE]: Er hat einge- schränkte Prüfmöglichkeiten!)

Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, Kollege Becker, dass die Opposition heute ein Gesetz zugunsten des Landesrechnungshofs korrigieren möchte, das während Ihrer Regierungszeit erarbeitet, beraten und beschlossen wurde.

In voller Kenntnis der Rechtsauffassung des Landesrechnungshofes hat der Landtag damals – ich betone: einstimmig –§ 13 NRW.BANK-Gesetz verabschiedet und damit ganz bewusst das Prüfrecht des Landesrechnungshofes auf die Fördergeschäfte der NRW.BANK begrenzt.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Während der Landesrechnungshof die NRW.BANK von Anfang an unter seine Aufsicht zwingen wollte, bezog die rot-grüne Landesregierung bereits im Mai 2002 eine knallharte Gegenposition. Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich den damaligen Finanzminister Jochen Dieckmann zitieren:

Die Landesregierung hält an der im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Fassung des § 112 Abs. 2 der Landeshaushaltsordnung fest, weil die vom Landesrechnungshof vorgetragenen Argumente einer näheren Überprüfung nicht standhalten.

Auch Herr Steinbrück hat in seiner Zeit als Finanzminister gegen die Forderung des Landesrechnungshofes Front gemacht. Ich darf zitieren:

Der Landesrechnungshof vertritt die Auffassung, dass der Landtag Unternehmen in der

Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts aus Gründen vorrangigen Bundesrechts nicht von der Prüfung des Landesrechnungshofes ausnehmen darf. Die Landesregierung

die rot-grüne Landesregierung –

ist demgegenüber seit eh und je der Auffassung, dass die am Wettbewerb teilnehmenden öffentlich-rechtlichen Unternehmen gemäß den Sondervorschriften der § 55 Abs. 2 und § 48 Abs. 2 des Haushaltsgrundsätzegesetzes landesrechtlich durchaus von der Prüfung des Landesrechnungshofes freigestellt werden können.

Meine Damen und Herren, diese Position der Landesregegierung hat der Landtag seit 1971 in verschiedenen Fällen immer wieder bestätigt. Es gibt überhaupt keinen Grund, jetzt plötzlich von einer tradierten Rechtsauffassung abzuweichen.

Herr Weisbrich, darf ich Sie kurz unterbrechen. Herr Becker würde Ihnen gerne eine Frage stellen. Lassen Sie das zu?

Also dann. Bitte, Herr Becker.

Schönen Dank, Herr Präsident, schönen Dank Herr Weisbrich. Ich würde Sie gerne fragen, Herr Weisbrich, ob Ihnen vor dem Hintergrund dessen, was Sie gerade vorgetragen haben, bekannt ist, dass die damalige Ausnahmeregelung von der vollen Prüftiefe im Zusammenhang mit der WestLB AöR, also der Anstalt öffentlichen Rechts, zustande gekommen ist, die seinerzeit mit privaten Banken konkurriert hat, dass sie aber in dem Moment, in dem die NRW.BANK als reine Förderbank agiert, eigentlich entbehrlich ist und es insofern einen anderen Zustand gibt, der dann insbesondere vor dem Hintergrund zu bewerten ist, dass Sie das Eigenkapital – ich hatte es vorhin beschrieben – jetzt noch einmal um insgesamt 14 Milliarden € aufblähen mit der Folge, die entsprechenden Kreditvolumina auszugeben. – Ist das nicht etwas anderes und müsste man dann nicht auch neue Maßnahmen ergreifen?

Kollege Becker, die von Ihnen geprägte Landesregierung hat in allen Jahren die Rechtsauffassung immer wieder bestätigt. Der Landtag hat sie auch bestätigt. Wir können nicht erkennen, dass hier eine völlig neue Situation eingetreten ist.

(Gisela Walsken [SPD]: 18 Milliarden sind keine neue Situation? – Horst Becker [GRÜ- NE]: Das ist mehr als ein kompletter Jahres- gewinn!)

Frau Walsken, beruhigen Sie sich! Darauf komme ich gleich noch zurück. – Solange wir denken können, hat der Landtag Nordrhein-Westfalen diese Auffassung bestätigt.

(Gisela Walsken [SPD]: Die Bewertung ist ei- ne andere!)

Kommen wir zu dem Vorwurf der Bildung eines Schattenhaushaltes! Auch der geht völlig ins Leere. Sie können oder wollen nicht verstehen, dass mit der Vollintegration des Wfa-Vermögens lediglich ein haftungs- und bilanzrechtlicher Schritt vollzogen wird. Mit der Aufhebung der Zweckbindung des Vermögens wird dieses nämlich in vollem Umfang bilanzrechtlich ex ante als Haftkapital anerkannt – mit all den Möglichkeiten und Chancen für das Fördergeschäft, die daraus resultieren.