Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

Für die Kommunen sind die Energie- und Gasversorgung sowie der öffentliche Personennahverkehr besonders relevant. Das damals vorausgesagte Sterben kommunaler Energieversorgungsunternehmen ist nicht eingetreten. Auch da, Herr Kollege Becker, liegt es an kluger kommunaler Politik. Manche Kommune hat sich schon, bevor der Binnenmarkt kam, nicht mehr auf ihre örtlichen Stadtwerke verlassen, sondern Anteile an Großunternehmen verkauft. Auch das hat nichts mit Europapolitik, sondern mit Entscheidungen vor Ort zu tun.

Der Eindruck, den der Antrag der SPD suggeriert, es drohe eine Privatisierungswelle in der Daseinsvorsorge, ist für Nordrhein-Westfalen nicht zutreffend. Noch immer wird der allergrößte Teil der Daseinsvorsorgeleistungen von Unternehmen in kommunaler Trägerschaft erbracht. Der Trend der 90erJahre, private Unternehmen zu beauftragen, hat sich deutlich abgeschwächt.

Aber es gibt mehr private Kooperationen und mehr PPP-Projekte. Auch diese Richtung unterstützt die Landesregierung. Genau deshalb wendet sich die Landesregierung gegen eine europäische Konzessionsrichtlinie, die die Rahmenbedingungen für PPP-Projekte deutlich verschlechtern würde.

Ich komme zum Schluss. Der Antrag ist aus Sicht der Landesregierung wenig hilfreich. Er ist eine Mischung bzw. ein Wunschzettel aus allem, was man immer mal aufschreiben konnte. Dazu ist er

fachlich nicht fundiert. Wir empfehlen dem Landtag, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Laschet. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Körfges.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man muss wirklich genau hinhören, um Unterschiede zu erkennen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Ich glaube, es hätte sich gelohnt, wenn die Koalitionsvertreter in ähnlichem Sinn wie Herr Laschet mit uns diskutiert hätten. Denn Herr Laschet hat deutlich gemacht: Privat und Staat. Er hat das einige Male unterstrichen.

Was ich bei den Herren der regierungstragenden Fraktionen gehört habe, war – jeweils wörtlich –: Privat vor Staat.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns ist beispielsweise die Privatisierung im Wasserbereich als Segnung verkauft worden. Ich habe mir mit sehr viel Interesse seinerzeit ein Feature im WDR angeschaut. Dabei ging es um private Wasserversorgung im Großraum London. Ich kann allen, die jetzt die Qualität von Mineralwasser loben, sagen: Da habt ihr recht, Leute. – Man muss nämlich sehr wahrscheinlich wegen der Folgen der Privatisierung Mineralwasser zu sich nehmen, um ein gesundes Lebensmittel zu haben.

(Widerspruch von Christian Weisbrich [CDU])

Genau das macht zum Beispiel den Unterschied bei der Frage des Wassers aus. Wir finden, dass Wasser ein ganz besonderes Lebensmittel ist.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Von daher muss die Möglichkeit der Allgemeinheit, darüber zu bestimmen, intensiv gegeben sein.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie stellen das in Abrede.

Was hat das alles mit der EU zu tun? Fragen Sie doch bitte den VKU, den Verband kommunaler Unternehmen, oder diejenigen, die in Stadtwerken in Nordrhein-Westfalen Energieversorgung betreiben. Sie haben allen Ernstes ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die Wettbewerbsverzerrung zulasten unserer kommunalen Unternehmen aufzudecken. Dabei hatten sie die EU-Bestimmungen über Wettbewerbsrecht vor Augen. Was diese Landesregierung mit der Änderung des § 107 GO geschafft hat, ist nämlich eine Wettbewerbsverzerrung zulasten der kommunalen Unternehmen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Minister Armin Laschet: Die Verzerrung hat nichts mit der GO zu tun!)

Das haben Sie selbst erforscht. Frau Thoben hat ein Gutachten in Auftrag gegeben. Man hat dringenden Handlungsbedarf auch unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit angemahnt. Sie knicken dann vor 6 % der versammelten politischen Mannschaft in diesem Landtag ein, lassen sich von der FDP vorführen und erklären die Nummer für erledigt.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie fühlen sich verfolgt, Herr Körfges!)

Ich sage Ihnen, was im Sachverständigengespräch einer der Gutachter wörtlich für die kommunalen Spitzenverbände und für den VKU gesagt hat – dabei handelt es sich jeweils um Organisationsstrukturen, die nicht im Verdacht stehen, sozialdemokratische Basisorganisationen zu sein –:

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Bei dem geltenden § 107 der Gemeindeordnung NRW handelt es sich um die bundesweit strengste Regelung für die kommunalwirtschaftliche Betätigung. Gravierende negative Auswirkungen hat dies vor allem für die in einer Energieversorgung tätigen kommunalen Unternehmen. Die einengenden Vorgaben des § 107 GO bedeuten für diese Unternehmen eine massive Einschränkung ihrer unternehmerischen Handlungsfähigkeit und gravierende Nachteile im Wettbewerb.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Da sind wir wieder bei der EU, meine Damen und Herren. Denn genau das gilt zum Schutz nicht nur von privaten Unternehmen, sondern auch von öffentlichen Unternehmen. Diesen Schutz unterhöhlen Sie, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Svenja Schulze [SPD]: Ganz genau!)

Was hat das alles mit der weiteren Daseinsvorsorge zu tun? Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus meiner Heimatstadt Mönchengladbach. Ich bin froh darüber, dass wir dort einen erfolgreichen Energieversorger haben, die NVV AG. Ohne diesen erfolgreichen Energieversorger gäbe es bei uns den ÖPNV nicht in der derzeitigen Qualität. Ohne diesen erfolgreichen Energieversorger wüssten die Bürgerinnen und Bürger meiner Stadt nicht, in welchem Freibad sie schwimmen gehen könnten. Denn das alles wird aus den unternehmerischen Gewinnen quersubventioniert.

(Ralf Witzel [FDP]: Toll! Alles wird quersub- ventioniert! Reden Sie doch mal über Markt- wirtschaft und nicht über Quersubventionie- rung!)

Jawohl, meine Damen und Herren, im Unterschied zur FDP bekennen wir uns zu dieser Form der kommunalen Selbstverwaltung.

(Beifall von der SPD)

Was Sie da unter Liberalisierung verstehen, schützt im Ergebnis multinationale Oligopole,

(Svenja Schulze [SPD]: Ja, genau!)

die unseren heimischen Energiemarkt quasi erobern können. Und wenn es die nicht machen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen Sie, wer es dann macht? – Dann kommen diejenigen aus den anderen Bundesländern, die gesetzlich besser aufgestellt sind, und bedienen sich bei uns in Nordrhein-Westfalen, weil Sie unseren Unternehmen verbieten, in anderen Regionen tätig zu werden. So einfach ist das. Das ist Wettbewerbsverzerrung.

(Beifall von der SPD)

Wer da von Liberalisierung spricht, der muss sich auch noch ein paar andere Fragen anhören, zum Beispiel die Frage, wie unsere Wohnungsbauunternehmen aufgestellt sind. Diese brauchen wir für den sozialen Wohnungsbau. Der Betrieb eines Blockheizkraftwerkes durch ein kommunales Wohnungsbauunternehmen kollidiert aber offensichtlich mit „Ihrem“ § 107 der Gemeindeordnung. Wollen Sie den Kommunen diese Möglichkeiten, preiswert und energetisch vernünftig Wohnraumversorgung zu betreiben, allen Ernstes nehmen?

(Ralf Witzel [FDP]: Wohnungsbau findet zum Glück nicht nur öffentlich statt!)

Meine Damen und Herren, ich nenne Ihnen noch ein letztes Beispiel, nämlich die IT. Da gibt es Zweckverbände, von dieser Landesregierung – das gebe ich zu – gefordert und gefördert,

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

aber nur in Form der kommunalen Zweckverbände. Herr Laschet, die regio iT aachen müsste Ihnen bekannt sein. Wieso benachteiligen Sie ein solches Unternehmen, nur weil es sich einer privatrechtlichen Rechtsform bedient, und lassen es nicht am Wettbewerb teilhaben wie zum Beispiel diejenigen, die einen kommunalen Zweckverband gründen?

Herr Kollege.

All das sind Fragen, bei denen wir keine Hoffnung haben, dass wir es mit dieser Landesregierung noch auf die Reihe kriegen. Nach dem 9. Mai werden wir vieles in Ordnung bringen müssen, auch zugunsten unserer Kommunen und unserer kommunalen Unternehmen. Wir stehen dafür zur Verfügung und Sie dann nicht mehr. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Herr Kollege Weisbrich hat noch einmal um das Wort gebeten. Bitte schön.

Schönen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte noch ein paar Bemerkungen machen.

Zunächst zu dem, was Herr Becker gesagt hat. Herr Becker, wenn Sie Oligopole und gestiegene Preise auf dem Energiemarkt beklagen, dann ist das in erheblichem Umfang richtig, was die Oligopole anbelangt. Ich bitte aber, daran zu denken, dass einer der vier Besatzer in Deutschland, das RWE, aus der kommunalen Familie und Stadtwerkezusammenschlüssen hervorgegangen ist. Wir bewegen uns im Bereich kommunaler Zusammenschlüsse wieder genau in diese Richtung. Wenn wir dann Wettbewerber haben, die groß genug sind, um international agierenden Unternehmen Paroli zu bieten, dann haben wir eigentlich nichts gewonnen.

Was die Preisentwicklung anbelangt, Kollege Becker, sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass 40 % des Strompreises Steuern und Abgaben sind und dass in der „glorreichen“ rot-grünen Regierungszeit

(Ralf Witzel [FDP]: Nicht glorreich, sondern schrecklich!)

die Steuern und Abgaben auf Strom um 528 % erhöht wurden. Wenn dann nachher die Preise steigen, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern. Sie haben es doch selber angerührt.