Die Antworten auf mehrere Mündliche Anfragen stehen noch aus. Nach dem derzeitigen Stand werden wir in diesem Monat zwar noch eine Plenarsitzung haben, aber keine Fragestunde mehr durchführen. Vorbehaltlich einer möglichen Änderung des Verfahrens – wenn der Ältestenrat wider Erwarten noch eine Fragestunde in der letzten Plenarsitzung einrichtet – werden deshalb die verbleibenden Mündlichen Anfragen schriftlich beantwortet, damit in dieser Legislaturperiode noch eine abschließende Beantwortung erfolgt.
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der Grünen Frau Beer das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt zwei Welten in NRW. Dramatische Zahlen zu den Anmeldeeinbrüchen an Hauptschulen in NRW erreichen uns täglich. Darauf haben im Antrag hingewiesen.
Aber auf der Homepage des Schulministeriums dreht der Ex-Pressesprecher des Hauses, Herr Priboschek, weiter an der Ideologieschraube und präsentiert die hochnotpeinliche Stellungnahme des Vereins katholischer deutscher Lehrerinnen für den Ausbau der Hauptschulen. Ich habe noch nie eine andere Stellungnahme oder eine kritische Diskussion der Landesregierung dort entdeckt. Sie sollten sich die Qualität dieses Textes einmal anschauen, Frau Ministerin.
Auf der anderen Seite benennt sich der Realschullehrerverband vorsichtshalber schon einmal in „Lehrer NRW“ um. Wenn das nicht zukunftsweisend ist!
Frau Ministerin, ich gehe nicht davon aus, dass Sie heute den Mut haben, hier einzugestehen, dass Ihre Hauptschuloffensive gescheitert ist und das gegliederte Schulsystem an seine Grenzen stößt. Sie sollten aber wenigstens dafür sorgen, dass Ihr Haus nicht auf der Homepage lächerlich gemacht wird.
Ihre Hauptschuloffensive war trotz des Engagements der Kolleginnen, die sich für ihre Schülerinnen ins Zeug legen, zum Scheitern verurteilt. Die Realitätsverweigerung liegt einzig und allein bei Ihnen, weil Sie kommunal schulformübergreifend entwickelte Modelle des gemeinsamen Lernens, die die Stärken aller Schulformen einbeziehen, verantwortungslos blockieren.
Auch an Ganztagshauptschulen kann man die Anmeldezahlen an einer Hand abzählen. So fest und lange kann man die Augen doch gar nicht schließen, Frau Sommer, oder man stolpert blind und verblendet durch die Schullandschaft in NRW. Sie halten viele Hauptschulen nur noch deshalb aufrecht, weil Sie den Eltern das Wahlrecht genommen haben und die Entscheidung der Eltern für eine Gesamtschule nicht respektieren. Die neuen Gesamtschulen sind Ihnen allesamt abgetrotzt worden.
Mehr als 800 Grundschulleitungen haben mittlerweile in NRW öffentlich Stellung bezogen. Der Zwang zu Schulformentscheidungen für so junge Kinder ist falsch. Die Grundschulleitungen fordern ein längeres gemeinsames Lernen. Die regionale Mittelschule der FDP ist allerdings auch ein trojanisches Pferd und hat mit dem, was an Schulentwicklung in NRW nötig ist, herzlich wenig zu tun.
Vom gemeinsamen Lernen hält die FDP grundsätzlich nichts. Für die Gesamtschulen würde dieses Modell bedeuten, ihren integrativen Ansatz zu verlieren und mit starren Bildungsgängen arbeiten zu müssen. Für Herrn Witzel gibt es sowieso zu viele Gesamtschulen im Land. Das hat er wieder gesagt. Frau Pieper-von Heiden ist auch eindeutig, was die Haltung der FDP angeht. Sie hat unter anderem am 23. April 2008 im Schulausschuss laut Ausschussprotokoll zum Besten gegeben:
Es könne doch nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn der Anteil der Schülerinnen und Schüler zu Beginn 6, 7 oder 10 % mit gymnasialer Empfehlung betrage, letztlich dann 30 % aller Schülerinnen und Schüler Abitur machten.
Damit werden wieder die Ergebnisse angezweifelt, die die Gesamtschulen im Zentralabitur 2009 vorgelegt haben, wonach bis zu 75 % der Abiturientinnen keine Gymnasialempfehlung hatten und trotzdem erfolgreiche Bildungslaufbahnen absolviert haben.
Dass in der Schuldebatte seit langem auch die „Westerwelle“ geschoben wird, zeigen die Diskussionen im Schulausschuss. Frau Pieper-von Heiden bezieht als bildungspolitische Sprecherin am 23. April 2008 auch zur ELEMENT-Studie Stellung. Im Ausschussprotokoll ist zu lesen:
Sie zitiere Prof. Lehmann, er sage: Platt gesagt bedeutet das nichts anderes: Wenn das Arztkind nach vier Jahren Grundschule zum Gymnasium geht, dann hat es bei gleichen Lernvoraussetzungen des anderen Arztkindes, das sechs Jahre gemeinsam mit dem Hartz-IV-Kind auf der Grundschule lernt, einen Leistungsvorsprung von eineinhalb bis zwei Jahren. Dies sei eine deutliche Sprache.
Das ist Ihre Auffassung von Schulpolitik. Es ist einzig Frau Pieper-von Heiden, die im letzten Schulausschuss wirklich noch den denkwürdigen Vortrag von Professor Neumann bejubelt, der die Legitimation der Hauptschule aus der Evolutionstheorie ableitet. Das heißt offensichtlich „Schule organisch entwickeln“ für die FDP.