Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

Auch dort, wo die Zahlungsfähigkeit der Mieter Investitionen der Wohnungswirtschaft Grenzen setzt, soll die energetische Gebäudesanierung vorangebracht werden. Deshalb haben wir 2007 ein besonderes Landesprogramm für den Sozialwohnungsbestand aufgelegt. Hier verbindet sich der Klimaschutz, meine Damen und Herren, mit den sozialpolitischen Zielen einer Begrenzung der Miete im sozialen Wohnungsbau und einer Senkung der Mietnebenkosten für Haushalte mit geringem Einkommen.

Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das macht deutlich: Der Landesregierung sind Klimaschutz und energetische Gebäudesanierung sehr wichtige Anliegen. Sie sind uns zu wichtig, um sie zum Spielball tagespolitischer Auseinandersetzungen zu machen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Uhlenberg. – Meine Damen und Herren, wir kommen zum Schluss der Beratung.

Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen deshalb zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/10744. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Fraktion der Grünen und Teile der SPD. Wer ist dagegen? – Das sind die CDU und die FDP. Wer enthält sich? – Dann ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zu:

10 „Da sein – für die Menschen“ – Kommunale Versorgungsstrukturen nachhaltig sichern

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10732

Ich gebe als erstem Redner Herrn Kuschke von der SPD das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen:

Die Daseinsvorsorge ist in Deutschland ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft. … Das Anliegen der Landesregierung ist es, den Binnenmarkt und die Daseinsvorsorge in

kommunaler Verantwortung besser in Übereinstimmung zu bringen, als es derzeit der Fall ist.

Jetzt kann insbesondere diese Seite des Hohen Hauses durchaus klatschen; das ist nämlich aus einem Vorwort des früheren Europaministers, von Herrn Andreas Krautscheid. Ich habe schon einmal Werbung für diese Veröffentlichung mit dem Titel „Die Daseinsvorsorge im Spannungsfeld von europäischem Wettbewerb und Gemeinwohl – Eine sektorspezifische Betrachtung“ gemacht – und darf das mit Erlaubnis der Präsidentin erneut tun –, in der nach unserer Auffassung zu den einzelnen Bereichen, ob es um den öffentlichen Personennahverkehr, die Energiewirtschaft, die sozialen Dienstleistungen, die Wasserwirtschaft oder die Abfallwirtschaft geht, sehr klar und deutlich dargestellt wird, wie die Positionierung zum Thema Daseinsvorsorge auszusehen hat.

Die Landesregierung hat in einem weiteren uns vor wenigen Tagen zugänglich gemachten Gutachten unter der Überschrift „Die Gestaltung kommunaler Daseinsvorsorge im europäischen Binnenmarkt“ erneut einen Beitrag zu unserer Position geliefert. Ob ihr das so klar war, das weiß ich nicht, aber wenn es gemeinsame, richtige Positionen gibt, soll man sie auch durchaus nennen. Ich darf mit Genehmigung der Präsidentin erneut zitieren:

Die kommunale Daseinsvorsorge bildet nicht nur einen Kernbestandteil der in Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz geschützten Institution kommunale Selbstverwaltung, im betont dezentralen Staatsaufbau der Bundesrepublik partizipiert sie vielmehr auch an der vom Bundesverfassungsgericht wiederholt unterstrichenen Regelausnahme respektive Subsidiaritätsverhältnis zugunsten der Aufgabenwahrnehmung zunächst der Gemeinden und sodann der Gemeindeverbände.

Auch hier ist noch einmal deutlich unterstrichen worden, welch hohen Stellenwert die Daseinsvorsorge in unserem Verfassungsgefüge hat.

Nichtsdestotrotz – das wissen wir, wir haben es teilweise erlebt, auch Herr Kollege Laschet, und auf unterschiedlichen Ebenen gestritten, ob im Europäischen Parlament oder hier – hat es vor dem Hintergrund unserer traditionellen Selbstverwaltung und auch kommunaler Unternehmen Konflikte über unsere Position zur Daseinsvorsorge gegeben, nämlich dann, wenn sie sich mit zunehmender europäischer Liberalisierungspolitik gerieben hat. Auch das ist in dem Gutachten, das für die Landesregierung erstellt worden ist, noch einmal sehr deutlich formuliert worden. Ich darf erneut zitieren:

In dem Maße, in dem die europäische Liberalisierungspolitik auf vormals in den meisten Mitgliedstaaten vom Wettbewerb ausgenommene Bereiche der öffentlichen Versorgung zugriff, ist es auf der Ebene des EU-Rechts in Bezug auf die dort anstelle nationaler Konzepte wie Daseinsvorsorge oder

Service Public verwandte Kategorie der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zu grundlegenden Auseinandersetzungen über mögliche Ausnahmen dieser Dienste vom Binnenmarktprinzip des EG-Vertrages gekommen.

Aus dem, was sich in der Vergangenheit ergeben hat, und der aktuellen Situation kann man durchaus ein gemeinsames Fazit ziehen: Mit dem Reformvertrag von Lissabon haben wir für die Durchsetzung unserer Vorstellungen von Daseinsvorsorge, auch im Spannungsverhältnis mit dem Binnenmarkt, eine bessere Ausgangsposition im europäischen Rahmen erhalten. Jetzt kommt es darauf an, nicht abzuwarten, was sich aus der besseren Positionierung ergeben wird, sondern sehr offensiv in den einzelnen Sektoren dafür zu kämpfen und zu werben, dass wir unsere Position durchsetzen.

Da, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, hören die Gemeinsamkeiten aber auf; denn an der Stelle müssen wir feststellen, dass Teile der Landesregierung in den vergangenen Jahren – das sage ich bewusst – entweder zugewartet oder genau das Gegenteil von Positionierungen für Daseinsvorsorge gemacht haben, indem sie nämlich dazu beitragen haben, dass § 107 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen in kommunalfeindlicher Art und Weise geändert worden ist.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Ach, Herr Kollege, das hat nichts mit Daseinsvorsorge zu tun?

(Holger Ellerbrock [FDP]: Nein!)

Entschuldigung! Ja sicher hat das etwas mit Daseinsvorsorge zu tun. Wir werden gleich noch darüber diskutieren.

Der zweite Punkt betrifft das Sparkassengesetz. Jetzt warte ich auf den erneuten Hinweis auf das Wasserverbandsgesetz oder auf die Verabschiedung eines neuen Abfallwirtschaftsplans. Man könnte diese Reihenfolge fortsetzen.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Ja, das können wir gleich machen!)

Entschuldigung, Herr Kollege, das ist doch der Punkt: Innerhalb der Landesregierung hat es darüber eine Auseinandersetzung gegeben. Bei der Positionierung habe ich Herrn Krautscheid weitaus näher bei der Argumentation unserer Fraktion verorten können, als das beispielsweise bei der Wirtschaftsministerin, dem Innenminister oder auch Ihnen der Fall gewesen ist.

(Zuruf von Holger Ellerbrock [FDP])

Entschuldigen Sie mal! Wer hat denn Wirtschaftsministerin Thoben – auf Deutsch gesagt – zurückgepfiffen, als sie den Vorstoß gemacht hat, § 107 erneut zu ändern, um im Energiebereich die Situation für kommunale Betätigung zu verbessern?

(Beifall von der SPD – Zuruf von Horst Be- cker [GRÜNE])

Auch an dieser Stelle gibt es in der von mir bereits erwähnten Veröffentlichung des früheren Ministers Krautscheid eine eindeutige Positionierung. Darin ist er noch davon ausgegangen – das hing vom Datum der Veröffentlichung ab –, dass man den Reformvertrag von Lissabon berücksichtigen müsse – mittlerweile ist er in Kraft – und es dann darauf ankomme, die betroffenen Sektoren der regionalen und der kommunalen Ebene durch eine proaktive Politik mit dem geltenden europäischen Recht kompatibel zu machen, also mit den entsprechenden EUInstitutionen, den Gesetzgebern Ministerrat und Parlament, zu diskutieren und dort zu einer Verständigung zu kommen.

Ich denke, dass zu dieser notwenigen Positionierung mindestens drei Punkte gehören, die wir auch in unserem Beschlussvorschlag festgehalten haben:

Der erste Punkt: Die Kommunen sollen die letztendliche Verantwortung und Kontrolle für wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge langfristig behalten. Deshalb ist die Organisations- und Entscheidungsfreiheit der Kommunen bei den Leistungen der Daseinsvorsorge zu stärken. Das beinhaltet schon die Feststellung, dass wir in den vergangenen Jahren durchaus Veränderungen gehabt haben. Wir sind mittlerweile von der Versorgungskommune, die die Aufgaben der Daseinsvorsorge in Eigenregie wahrgenommen hat, zu einer Verantwortungskommune gekommen. Aber auch dieser Punkt, dass diese Aufgabe von den Kommunen so wahrgenommen werden sollte, ist – ich habe es schon erlebt –, in der Vergangenheit von dem Kollegen Witzel bestritten worden.

Der zweite Punkt: Wir brauchen die Schaffung optimaler wirtschaftlicher Einheiten der Daseinsvorsorge. Auch aus diesem Grunde brauchen wir eine enorm verbesserte Situation bei der interkommunalen Zusammenarbeit.

Der dritte Punkt ist einer, der innerhalb Ihrer Koalition umstritten ist, nämlich, dass gute Dienstleistungen eine faire Bezahlung voraussetzen und dass dabei Mindestlohn und Tariftreue ein wichtiger Schritt sind, um Lohndumping zu verhindern; denn das ist etwas, was wir untrennbar mit unserem Konzept von Daseinsvorsorge und entsprechenden kommunalwirtschaftlichen Lösungen verbinden. Natürlich müssen wir auch ein Augenmerk darauf haben, in welche Situation wir Beschäftigte dann bringen bzw. in welcher sie sind.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ellerbrock?

Ja, gerne.

Bitte schön, Herr Ellerbrock.

Herr Kuschke, könnten Sie mir bitte aufzeigen, wo diese Landesregierung interkommunale Zusammenarbeit erschwert oder gar unmöglich gemacht hat? Das haben Sie doch gerade gesagt.

Nein, Herr Kollege. Sie müssen mir schon zuhören. Ich habe nicht gesagt, dass diese Landesregierung das erschwert hat. Ich habe vielmehr gesagt – das kann ja ein gemeinsames Bemühen sein; daran können wir uns messen lassen –, dass wir gut beraten sind, zu prüfen, wo wir noch verstärkt Rahmenbedingungen brauchen, die eine interkommunale Zusammenarbeit ermöglichen. Soweit wir das in Anhörungen auch von den kommunalen Spitzenverbänden gehört haben, ist dort noch Luft.

Ich habe auch gar nicht die Sorge, dass das unter uns streitig passiert, sondern das ist etwas, was wir gemeinsam auf den Weg bringen können. Insgesamt glaube ich, dass wir gut beraten wären, von diesem Hause, wenn es eben geht, einvernehmliche Signale auszusenden, die auch in Berlin und in Brüssel eindeutig gehört werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Kuschke. – Für die CDU spricht nun Herr Weisbrich.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem von der SPD: Ehrlich gesagt ist mir völlig schleierhaft, was dieser Antrag soll.

(Beifall von der CDU)

Das ist durch und durch ein einziger Sud aus Gemeinplätzen, Frust und Falschbehauptungen. Aufgehängt an dem dünnen Fädchen „Vertrag von Lissabon“ stellen Sie allen Ernstes einen acht Seiten langen Antrag, der nicht mehr enthält, als eine Problembeschreibung aus Ihrer sozialistischen Sicht,

(Lachen von der SPD)

der in einer Feststellungsorgie endet und der keinen einzigen Lösungsvorschlag liefert.

Liebe Leute! Die Notwendigkeit der Daseinsvorsorge wird doch von niemandem bestritten. Der Vertrag von Lissabon bringt hier keine neue Qualität.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Was?)