Meine Damen und Herren, wer den Kommunen diese dringende Hilfe verweigert, zeigt, dass er von unserem Land nichts versteht. Letztendlich geht es an der Stelle nämlich um viel mehr als um Finanzen.
dass ich jetzt bei der Namensnennung ein Aufstöhnen höre, ist sicherlich bezeichnend für Ihre Art zu denken, meine Damen und Herren –: Die kommunale Ebene ist der Ernstfall der Demokratie. Die Freiheit der Menschen beruht auch und gerade auf gleichen Lebenschancen,. Wer zulässt, dass die Städte und Gemeinden nicht mehr handlungsfähig sind, der kündigt in unserem Land den sozialen Konsens auf und gefährdet in diesem Sinne Freiheit und demokratische Grundlagen in unserem Land.
Ich darf Sie herzlich dazu einladen, über Ihren Schatten zu springen und unserem Antrag zuzustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer sich die kommunale Finanzlage und die überschuldeten Kommunen anschaut, muss, wenn er deren Haushalte analysiert, zu dem Ergebnis kommen, dass sowohl die Gemeindeprüfungsanstalt als auch unabhängige Gutachter an vielen Stellen das Ergebnis konstatiert haben, dass es alleine mit den beschworenen Einsparungen – insbesondere bei den freiwilligen Ausgaben – jedenfalls nicht seine Bewandtnis haben kann, sondern die Schulden auch dann, wenn man das täte, weiter steigen werden. Der amtierende Präsident und Vorsitzende des Kommunalausschusses hat vorhin aus der Anhörung das Beispiel Wuppertal genannt. Man könnte es um andere Städte ergänzen:
Bergisches Städtedreieck, Ruhrgebiet – an vielen Stellen ist es ähnlich. Dort steigen die Kassenkredite, selbst wenn die freiwilligen Leistungen komplett gestrichen würden, allein wegen der Zinseszinsen immer weiter an. Das ist insofern eine spannende Geschichte – Herr Löttgen, wenn Sie lachen
oder zustimmen –, als wir uns zumindest neutralerweise einmal darauf verständigen könnten, dass das in den letzten Jahren dramatisch explodiert ist. Da ich weiß, was Sie gleich wieder sagen werden, sage ich: Es sind 10,2 Milliarden € Mitte des Jahres 2005 gewesen, und es sind jetzt knapp 18 Milliarden €, also innerhalb von nicht einmal fünf Jahren, denn diese fünf Jahre sind noch nicht um. Das heißt, wir haben während der Zeit der Hochkonjunktur bis Ende 2008 extrem Kassenkredite aufgebaut. Das hat sich jetzt noch einmal zusätzlich beschleunigt, aber das war auch vorher schon der Fall.
Das hat neben dem beschriebenen Umstand auch etwas damit zu tun, wie die Kommunen ausgestattet sind. Darüber haben wir eben geredet. Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass es etwas damit zu tun hat, dass die Zinseszinsen so steigen, und wenn wir zusammen zu dem Ergebnis kommen müssen, dass paradoxerweise die Wirtschaftskrise an der Stelle im Moment sogar ein Vorteil ist, weil die Zinsen wegen der Wirtschaftskrise so niedrig sind, wie sie sind – die Kassenkredite werden auf dem Markt zurzeit mit rund 0,5 % Zinsen verkauft; das ist dramatisch niedrig –, dann muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass wir uns in einem Zinstal befinden. Jetzt können wir darüber spekulieren, ob das Ende des Jahres zu Ende oder nächstes Jahr zu Ende ist. Aber irgendwann, in absehbarerer Zeit, ist es zu Ende.
Wenn es uns in dieser Zeit nicht gelingt, diese kurzfristig laufenden Kassenkredite, die quasi jeden Monat kündbar sind, umzuschulden, zumindest zusammen in langfristig laufende Kredite, die am Anfang etwas höher verzinst werden, die aber auf lange Sicht die wirtschaftlichere Lösung sind, dann werden wir – und das Land ist damit in der Pflicht – gesamtstaatlich in ein Riesenproblem kommen. Es geht gar nicht mehr nur um die Kommunen, es geht auch um uns. Denn Kommunen, die bilanziell überschuldet sind, sind ein gesamtstaatliches Problem. Vorhin ist das Beispiel genannt worden, was in dem Fall passiert, dass die Räte plötzlich sagen, dass sie das nicht mehr machen. Es muss ja gar nicht so weit kommen. Was ist denn, wenn eine Stadt sagt, sie ist bilanziell überschuldet, und irgendwann eine Kommune im Wege des Ratings – auch Kommunen werden zunehmend gerated; das Schattenrating läuft schon lange – dann von den Banken nicht mehr zu den gleichen Zinsen Kredite bekommt?
Ich sage Ihnen eines, Herr Engel, da Sie ja immer das Beispiel Düsseldorf nennen: Mir ist bekannt, dass die Stadt Düsseldorf schon lange von den Banken fordert, dass sie die Kommunalkredite nicht zu denselben Zinsen bekommt, sondern zu niedrigeren Zinsen, weil sie anders gerated werden müsste. Die Folge dieses Tuns ist aber, dass irgendwann auf der anderen Seite die Zinsen natürlich steigen. Das kann niemand wollen, Herr Löttgen. Sie können nicht ernsthaft wollen, dass zum Beispiel Ihre Heimatstadt Gummersbach – das sage
Wir müssen zusammen bei diesem Thema etwas tun. Wir haben jetzt noch die Chance, wo die Zinsen wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise unten sind. Sie waren übrigens schon vor der Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich gestiegen; sie lagen im Bereich der Kassenkredite wieder bei knapp 3 %. Da sind die Zinslasten und Kredite dann auch explodiert, Herr Kollege, wenn wir schon bei der Ursachenforschung sind. Genau in der Zeit sind sie zusätzlich explodiert, und sie steigen jetzt wegen der kommunalen Not hinsichtlich Steuereinnahmen und Soziallasten. Wenn wir jetzt nicht umschulden und jetzt nicht einen solchen Fonds auflegen, dann werden wir in die Situation kommen, dass, wer auch immer nach dem 9. Mai regieren wird, der Laden an der Stelle wirklich ganz schnell brennen kann, wenn die Europäische Zentralbank die Zinsen erhöht und wir es nicht geschafft haben, über einen solchen beschriebenen Fonds, wie wir ihn fordern, zusammen eine Umschuldung auf den Weg zu bringen.
Lassen Sie mich einen letzten Satz sagen: Kommen Sie – wir werden uns demnächst wahrscheinlich in anderen Rollen begegnen; ich rechne fest mit einem Rollentausch –,
mir bitte dann nicht und beschreien Sie das Unglück, wenn Sie jetzt immer noch nicht bereit sind, auf Vorschläge der Opposition auch nur einen Millimeter einzugehen, sondern diese immer nur ablehnen, ohne eigene Vorschläge zu machen.
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Becker, in Vielem, was Sie gesagt haben, könnte ich Ihnen zustimmen. Denn Vieles, was Sie gesagt haben, war zumindest nicht falsch. Aber wir unterhalten uns heute über einen Antrag, der exakt und sehr konkret ein Mittel zur Wahl stellt. Dieses Mittel, das zur Wahl gestellt wird, nennt sich Stärkungspakt Stadtfinanzen oder Entschuldungsfonds.
Bereits in der Debatte vorher haben wir übereinstimmend feststellen können, dass wir bei der Diagnose der Dinge – Sie haben das eben noch einmal deutlich gemacht – nicht sehr weit auseinander liegen. Wenn wir uns aber anschließend den Lösungen zuwenden, dann werden die unterschiedlichen Sichten der Dinge doch sehr deutlich.
Ich will ganz kurz auf drei oder vier Kernpunkte eingehen, wenn es um die Gründe geht. Ich bin dem Kollegen Körfges außerordentlich dankbar, dass er eben Johannes Rau zitiert hat: Derjenige, der zulässt, dass Kommunen und Städte handlungsunfähig werden, handelt falsch. – Entschuldigen Sie bitte, was haben wir denn im Jahr 2005 vorgefunden, als wir hier angefangen haben? – Sie haben das eben zitiert. Wer hat denn durch Untätigkeit dafür „gesorgt“, dass die Kommunen in einer Schuldenlast durch Kassenkredite in Höhe von 10,5 Milliarden € stehen? Wer war das denn? – Das war doch nicht diese Landesregierung, sondern das waren Sie, die das getan haben.
Herr Becker, Herr Körfges, es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie dieser Landesregierung sämtliche Fehlleistungen in den vergangenen Jahren, die unter anderem auch auf Ihrem Mist gewachsen sind, anlasten. Ich könnte damit im Jahr 1982 anfangen. Wer hat denn von 1982 bis 1986 an den Verbundgrundlagen herumgebastelt? Wer hat denn den Verbundsatz von 28,5 % auf 23 % heruntergefahren, der noch heute gilt? Soll ich Ihnen ausrechnen, wie viel den Kommunen seit 1982 entgangen ist? – Herr Körfges, das, was Sie machen, ist einfach nicht seriös.
Ich meine, dass die Kommunen – ich bin dem Präsidenten, der das eben dargelegt hat, ausgesprochen dankbar – einen Anspruch darauf haben, dass wir uns ernsthaft, seriös und auch mit der gebotenen zeitlichen Dringlichkeit dieser vielschichtigen Problematik der Kommunalfinanzen zuwenden.
Erheblichen Einfluss auf die Kommunalfinanzen hatte die Unternehmensteuerreform 1999 und die einige Jahre später eingeführte Hartz-IV-Gesetzgebung. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat, wenn sie auch nicht ursächlich dafür war, zumindest die Dynamik in den kommunalen Finanzkassen verstärkt. So weit zu den Gründen.
Ihr wohlfeiles Gerede von einem Stärkungspakt Stadtfinanzen ist noch nicht einmal ein Strohhalm, Herr Körfges, sondern ein Danaergeschenk. Die Kommunen und die kommunalen Spitzenverbände haben schon lange diese Gefahr erkannt.
Herr Becker spricht immer von einer strukturellen Unterfinanzierung. Damit hat er recht. Nur die Gründe für diese strukturelle Unterfinanzierung sprechen Sie in Ihrem Antrag mit keinem einzigen Satz an.
Herr Löttgen, ich gehe auf Ihre Bemerkung zur Unternehmensteuerreform und zur Arbeitsmarktreform ein. Würden Sie die Zustimmung der Union zu beiden Gesetzen im Bundesrat rückblickend für einen Fehler halten und das auch so erklären?
Herr Körfges, der Ministerpräsident hat noch vor Kurzem sehr deutlich gesagt, dass diese Landesregierung nicht bereit ist, weiteren Steuergeschenken – sagen wir es einmal so –
Das hat der Ministerpräsident beispielsweise in Kirchveischede sehr deutlich gesagt. Ich sage es Ihnen so, wie es ist.
Sie nehmen nicht zur Kenntnis, Herr Körfges, dass im Koalitionsvertrag in Berlin erstmals nach Wegen gesucht wird. Das ist heute bereits aufgeführt worden. Ich will Ihnen einmal die genaue Formulierung des Koalitionsvertrags vorlesen. Denn das haben Sie in Ihrer gesamten Regierungszeit überhaupt nicht zustande gebracht. Es hat im Übrigen noch keine Regierung der Bundesrepublik zustande gebracht, dass die kommunalen Spitzenverbände endlich für sich selbst in Berlin verhandeln dürfen. Der Wortlaut:
Zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden werden wir nach Wegen suchen, Entlastungen für die Kommunen, z. B. Flexibilisierung von Standards
Nichts anderes als das wird derzeit schon gemacht. Herr Körfges, Herr Becker, wo ist denn Ihr Lob dafür, dass das jetzt endlich einmal angepackt worden ist, dass dieser Ministerpräsident dafür gesorgt hat,
dass eine solche Formulierung im Koalitionsvertrag vorhanden ist und dass wir uns mit einer Kommission exakt auf die Punkte beziehen, die für die strukturellen Defizite ursächlich sind? Sie sind heute genannt worden: Eingliederungshilfe, Kosten der Unterkunft oder die Grundsicherung. Ich sage es noch einmal, weil Sie alle Beispiele aus Ihrem Kreis genannt haben: Die auskömmliche Finanzierung der drei genannten sozialen Gesetze würde für den Oberbergischen Kreis eine Umlagesenkung von 7,14 Prozentpunkten bedeuten. Das hieße, dass die Kommunen ab diesem Tag wieder handlungsfähig werden.