Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Frau Beer, Sie haben mir vorgehalten: Pieper-von Heiden will nicht, dass die Gymnasiasten mit den Hartz-IV-Schmuddelkindern spielen. – Frau Beer, ich habe gesagt: Beweisen Sie mir, wo ich das gesagt haben soll. Ich habe es nicht gesagt.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Am 23. April 2008!)

Ich sage Ihnen, wie das gewesen ist. In einer Schulausschusssitzung zur Elementstudie habe ich eine Aussage von Prof. Lehmann zitiert. Ich zitiere nun mit Erlaubnis der Präsidentin:

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Ihre Zitate!)

Platt gesagt bedeutet das nichts anderes – also Elementstudie und früher Wechsel zum Gymnasium –: Wenn das Arztkind nach vier Jahren Grundschule zum Gymnasium geht,

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

dann hat es bei gleichen Lernvoraussetzungen des anderen Arztkindes, das sechs Jahre gemeinsam mit dem Hartz-IV-Kind auf der Grundschule lernt, einen Leistungsvorsprung von eineinhalb bis zwei Jahren.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Dann haben Sie ge- sagt: Das ist eine eindeutige Sprache! Zitie- ren Sie Ihre Ausführungen zu Ende!)

Frau Kollegin!

Und Sie machen daraus: Frau Pieper-von Heiden will nicht, dass die Gymnasiasten mit Hartz-IV-Schmuddelkindern spielen.

Ich lege Wert darauf, niemals dieses Wort benutzt zu haben. Sie schämen sich nicht, wirklich das Blaue vom Himmel zu lügen.

Frau Kollegen, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Das muss hier einmal in diesem Hohen Hause gesagt werden, Frau Beer.

(Beifall von FDP und CDU)

Ich hätte noch weitere Beweise aus Facebook, die ich dem Hohen Hause jetzt ersparen will. Die Zeit reicht auch leider nicht mehr.

Schreiben Sie sich das bitte mal hinter die Ohren!

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper-von Heiden. – In der Tat, der Hinweis auf die Redezeit war vollumfänglich berechtigt.

Ich will auch direkt sagen: Für den Fall, dass Sie gesagt haben sollten, die Kollegin Beer würde lügen, wäre das eine unparlamentarische Äußerung. Ausweislich des Protokolls wird das noch einmal zu prüfen sein. Das wäre dann zu rügen.

Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Sommer das Wort. Bitte sehr, Frau Ministerin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Beer, sehr geehrte Frau Schäfer, es wird Sie jetzt natürlich nicht wundern, dass ich eine Lanze für die Grundschulempfehlung brechen möchte.

Die Grundschulempfehlung fällt ja nicht vom Himmel,

(Ute Schäfer [SPD]: Donnerwetter!)

und die Eltern fallen insofern auch nicht aus allen Wolken; denn eine Grundschulempfehlung ist nach meinem Verständnis das Ergebnis einer jahrelangen Beratung, die eigentlich im ersten Schuljahr, möglicherweise auch schon vor dem ersten Schuljahr, beginnt, und sich über Jahre hinzieht. Insofern ist das ein Ergebnis eines Beratungsprozesses.

(Britta Altenkamp [SPD]: Die meisten Leute beschließen schon im Kindergarten, dass das Kind Abitur macht! – Zuruf von den GRÜ- NEN: Pränatal!)

An der Stelle ist es mir wichtig, auch einmal das verantwortliche Tun der Lehrerinnen und Lehrer herauszustellen. Sie spüren diese Verantwortung und nehmen das sehr ernst. Ich glaube wirklich nicht, Frau Beer – ich akzeptiere jetzt einfach mal diesen Notendurchschnitt von 2,7 und die Möglichkeit, an andere, verschiedene Schulformen zu gehen –, dass die Note allein den Ausschlag darüber

geben kann, wohin ein Kind nach dem vierten Schuljahr seiner Grundschulzeit geht;

(Ute Schäfer [SPD]: Genau das haben wir doch gerade gesagt! – Britta Altenkamp [SPD]: Die Adresse und der Stadtteil sind auch entscheidend! Und die Nationalität! – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

denn dies steht in einen größeren Zusammenhang, als eine Empfehlung allein aufgrund von Noten zu erstellen.

Aufräumen möchte ich auch mit der Mär, Frau Schäfer, dass es nun immer Neunjährige sind. Zu Ihren Zeiten, als es noch keine Vorverlegung der Schulzeit gab, haben wir die Kinder im Alter von durchschnittlich 6,7 Jahren eingeschult.

(Zuruf von Ute Schäfer [SPD])

Jetzt sind sie sechs. Dann sind sie nach vier Jahren zehn, nicht aber neun. Ich möchte Ihnen nicht bei Ihren Rechenkünsten helfen, aber es sind wirklich zehn Jahre.

(Zurufe von der SPD)

Das alles würde ich gern in der These bündeln, dass Lehrerinnen und Lehrer nach dem gemeinsamen Beratungsprozess mit den Eltern wirklich annehmen dürfen, dass die Grundschulempfehlung akzeptiert wird.

Ich möchte das auch belegen. Wir haben eben schon von dem Prognoseunterricht gehört. Ich denke, dieser ist auch ein Seismograf dafür, in wie vielen Fällen diese Grundschulempfehlung über den ganzen Jahrgang hinweg von den Eltern angenommen wird. Bedenkt man, wie vielen Eltern eine Grundschulempfehlung gegeben wird und wie viele Kinder dann auf Wunsch der Eltern in den Prognoseunterricht gehen, so ist das eine verschwindend geringe Prozentzahl; denn nur 1,3 % aller Eltern sagen: Unser Kind muss noch einmal in den Prognoseunterricht, weil ich mit meinem Elternwunsch nicht durchkomme. Von diesen 1,3 % wird noch einmal zu einem Drittel der Elternwunsch bestätigt. Offenheit ist da also wirklich gegeben.

(Beifall von der CDU)

Zu der Thematik Durchlässigkeit, die in diesem Zusammenhang immer wieder angeführt wird – vielleicht hören Sie es nicht gern –, möchte ich anhand einiger Zahlen verdeutlichen, dass das Schulsystem in Nordrhein-Westfalen durchlässig ist. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die von der Haupt- und Realschule in eine gymnasiale Oberstufe wechseln, stieg erheblich. Dazu gibt es interessante Zahlen. 2001 waren es 12,9 %, 2009 21,4 %.

(Beifall von der CDU)

Wenn man das einmal umlegt, wechselten im Jahr 2001 lediglich 11.316 Schülerinnen und Schüler

dieser Schulformen an die gymnasiale Oberstufe. Heute sind es 20.140.

(Beifall von der CDU)

Interessant ist auch die Aufteilung auf die Schulformen. Wir haben eben von Herrn Hollstein schon gehört, dass Berufskollegs in der Wahl ganz vorne sind. Knapp ein Drittel der von mir genannten Schülerinnen und Schüler wechselt nach der Haupt- oder Realschule an die Oberstufen des Berufskollegs.

Frau Ministerin, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Herr Abgeordneter Sichau würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie diese zu?

Ich würde gerne weitermachen.

(Frank Sichau [SPD]: Schade!)

Ja, Herr Sichau. So ist es nun einmal.

Gut 20 % gingen in die Oberstufen der Gesamtschulen. Gut 47 % wechselten in die Oberstufen der Gymnasien. Das ist ein Ergebnis, welches sich sehen lassen kann.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Sie fordern in Ihrem Antrag Lernentwicklungsberichte. Diese gibt es bereits in der Grundschule: in der Eingangsphase, in Klasse 3. Ebenso gibt es Förderempfehlungen, wenn Versetzungen gefährdet sind. – Wir müssen uns in dieser Hinsicht wirklich keine Sorgen mehr machen.

Ich komme zum Schluss. Wenn ich insgesamt die Leistungen der Lehrerinnen zu den Grundschulempfehlungen in den Blick nehme, wenn ich die hohe Akzeptanz der Eltern sehe und dies in unserem Grundsatz bündele, dass wir alles für das Wohl des Kindes tun, dann sehe ich – damit greife ich einen Leitbegriff Ihres Antrags heraus – für jetzt und für die Zukunft wirklich hell. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)