Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Was bringt uns eine bundeseinheitliche Regelung, wenn sie nicht unsere hohen Standards sicherstellt?

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Wir haben keine hohen Standards, wir stehen auf Platz 13 in der Liste!)

Wir stehen auf Platz 13 in der Liste, was die Plätze bezogen auf die Einwohnerinnen angeht. Dazu möchte ich Ihnen aber noch etwas anderes sagen. Ich habe in den vergangenen Tagen einen Beitrag in der „EMMA“ gelesen.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Sie können zwar sagen, das sei nichts, aber Fakt ist, dass es Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt. Im Osten ist die Versorgung noch sehr viel schlechter als bei uns.

(Gerda Kieninger [SPD]: Das wollen Sie ver- gleichen?)

Fakt ist, dass man Vermutungen anstellt, das könnte etwas damit zu tun haben, wer ein Frauenhaus aufsucht.

In unserer Situation müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass der Anteil der Frauen mit Migrationshintergrund 70 % beträgt. Das ist schlimm. Dabei sind wir sicherlich ganz nah beieinander.

(Zustimmung von Barbara Steffens [GRÜ- NE])

Aber wir müssen dann doch auch anderswo ansetzen. Armin Laschet hat in seinem Ministerium mittlerweile viele Leistungen gerade im integrativen Bereich auf den Weg gebracht. So werden zum Beispiel Frauen in die Gesellschaft hineingenommen.

(Zuruf von Ute Schäfer [SPD])

Wir wissen aus den Untersuchungen, dass sich die Frauen, die mehr Bildung haben, die sprachfähig, berufstätig und eigenständig sind, eher in solchen schwierigen Situationen als in allen anderen Situationen wehren können.

Weil das so ist, werden wir weiter daran arbeiten. Deshalb werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. – Ich danke fürs Zuhören.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Westerhorstmann. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Gießelmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen! Frau Westerhorstmann, Sie sagen: Wir stehen mit unserer Versorgung an Frauenhäusern im deutschen Vergleich gut da, haben im bundesweiten Vergleich eine gute Fraueninfrastruktur, auch bei der Hilfe und Unterstützung vor Gewalt.

Das stimmt, Frau Westerhorstmann. Sie haben aber ehrlicherweise nicht hinzugefügt: Dank der SPDgeführten Landesregierung und dank starker SPDFrauen in diesem Land ist diese Infrastruktur in rotgrünen Koalitionen hier im Land NordrheinWestfalen auf- und ausgebaut worden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das sagen Sie nicht. Sie haben die Axt an diese gute Infrastruktur angelegt, die vierte Stelle gestrichen und auch einiges andere bei der Fraueninfrastruktur gekürzt.

(Minister Armin Laschet: Wo denn? – Gegen- ruf von der SPD: Zum Beispiel bei der Frau- engesundheit! Soll ich Ihnen das alles noch mal aufzählen, Herr Laschet?)

Sie haben die finanziellen Unterstützungen nicht dem Inflationsausgleich angepasst. Das heißt, bei festen Pauschalzuschüssen an unsere Frauenberatungsstellen und an diese Infrastruktur bedeutet das auf Dauer real weniger Leistungen; denn sie können davon nicht mehr so viele Stunden Hilfsangebote bezahlen.

Frau Westerhorstmann, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten war bisher immer klar, dass die Kommunen im Rahmen ihrer Daseinsvorsorge auch die Zuständigkeit für die sichere Unterbringung von Frauen in Notsituationen haben. Das Land erbringt freiwillig Leistungen für diese wichtige Aufgabe. Mir scheint, das ist noch heute Ihre Position.

Aber nach den vielen Diskussionen mit Vertreterinnen der Frauenhäuser und nach unserem Expertinnengespräch im Frauenausschuss ist der SPDFraktion klar geworden, dass es so nicht weiter geht. Die Frauenhäuser stehen mit dem Rücken zur Wand.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Finanzsituation der Kommunen haben wir heute schon ausgiebig diskutiert. Diese macht die Verhandlungen um die Restmittel in den Kommunen immer schwieriger. Die Unterstützung der Kommu

nen im Land wird immer unterschiedlicher. Die kommunalen Zuschüsse sind insgesamt zurückgegangen, und es drohen weitere Einschnitte.

Die Kommunen tragen im Schnitt rund 28 % der freiwilligen Leistungen; hinzu kommen mit rund 20 % die Leistungen nach SGB II und SGB XII. Im Schnitt kommen 48 % der Mittel für die Frauenhäuser von den Kommunen. Das fällt ihnen schwer.

Es ist den Frauenhäusern auch nicht mehr zuzumuten, vor Ort immer mit unterschiedlichen Personen verhandeln zu müssen. Das ist mit unglaublich viel Arbeit verbunden, mit Arbeit, die nicht den hilfesuchenden Frauen zugute kommt, sondern eben nur der Beschaffung wirklich notwendigster Mittel. Das ist falsch, das ist Bürokratieaufwand. Es ist vergeudetes Geld, wenn wir die Stellen dafür bezahlen; stattdessen müssen wir den Frauen wirklich helfen.

Große Probleme bereiten auch die Tagessatzfinanzierungen. Auch das ist zunehmend schwieriger geworden. Nicht alle Kosten lassen sich durch Tagessätze abrechnen, und Frauenhäuser bleiben zum Teil auf den Kosten sitzen. Es wurden uns beispielsweise Probleme von Frauen geschildert, die aus Sicherheitsgründen nicht in ein Frauenhaus ihres Wohnortes gehen konnten, der dann allerdings doch für die Finanzierung des Platzes zuständig war. Das muss dann beantragt, im schlimmsten Fall eingeklagt werden. Das ist unnütze Bürokratie.

Ein Tag im Frauenhaus kostet in NordrheinWestfalen bis zu 65 €. Frauen mit niedrigem Einkommen geraten dabei schnell in die Verschuldung oder den Sozialleistungsbezug. Um Hilfe zu erhalten, müssen Frauen dies heute als Eingliederungshilfe für Arbeitssuchende im Rahmen des SGB II beantragen, was ihrer konkreten Notlage aber in keiner Weise gerecht wird. Andere Frauen haben Ansprüche nach dem SGB XII und eventuell nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Studentinnen, Auszubildende und bestimmte Migrantinnen wiederum haben keine Ansprüche.

Es gibt also sehr viele Fälle, die heute nicht mehr in die bisherige Regelung passen. In ihrer Notsituation werden Frauen Gott sei Dank noch von den Frauenhäusern aufgenommen. Aber später bleiben diese häufig auf den Kosten sitzen und finden keinen Kostenträger.

All diese Schwierigkeiten wurden im Frauenausschuss breit ausgeführt. Die Frauenhäuser haben mit ihrer Kampagne „Schwere Wege leicht machen!“ auf diese Probleme hingewiesen, und so geht es nicht weiter. Bei diesen Risiken und Notlagen müssen wir helfen und einen anderen Weg finden.

Ich halte es für richtig, wenn wir uns hier zusammensetzen und einen neuen Weg suchen. Dabei könnte das schleswig-holsteinische Landesgesetz ein Modell sein, wenn auch nicht der Höhe nach,

Frau Westerhorstmann; das ist ausführlich diskutiert worden.

Nach dem Gesetz in Schleswig-Holstein wird festgestellt, was zum heutigen Zeitpunkt die Kommunen zahlen. Und das tun wir sozusagen als Befrachtung ins GFG, und den anderen Teil übernimmt das Land. Genau diesen Schnitt könnte man ziehen. Die Vertreterin der kommunalen Spitzenverbände war so aufgeschlossen, wie ich Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen seit Langem nicht erlebt habe. Ich glaube, es ist an der Zeit, hier einen neuen Weg zu suchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr hier im Landtag. Ich mache seit 20 Jahren im Landtag Frauenpolitik, seit Jahrzehnten in diesem Land. Ich fordere Sie eindringlich auf, sich der Frauenhausfinanzierung in der nächsten Legislaturperiode anzunehmen, um die wirklich schweren Wege leichter zu machen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich bin überzeugt, mit einer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kommen wir hier ein ganzes Stück weiter. Dafür kämpfe ich.

(Zurufe von der CDU: Schlechter Schluss- punkt für Ihre Rede!)

Heute bitte ich um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag 14/10802 und um Ablehnung der Beschlussempfehlung des Frauenausschusses. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gießelmann. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Engel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Gießelmann, persönlich, aber auch im Namen von Frau Piepervon Heiden, die ich hier vertrete, sage ich herzlichen Dank für die faire Zusammenarbeit im entsprechenden Fachausschuss.

Ich finde es schon erstaunlich, dass eine Landtagsfraktion, die jahrlang eine rot-grüne Landesregierung getragen und Schulden über Schulden angehäuft hat, in ihrem Antrag von Verantwortungsübernahme spricht. Das ist Hybris. Ich erinnere noch einmal daran: Im Mai 2005 musste Finanzminister Linssen jeden Tag 13,2 Millionen € zu den Banken tragen.

Wir wollen keinen Aufbau von Befrachtung im Gemeindefinanzierungsgesetz, sondern wir pflegen den gepflegten Abbau. Das gibt mehr Freiheit vor Ort.

In Landesregierung und Koalitionsfraktionen besteht absolute Einigkeit, dass der Erhalt von Beratungs- und Hilfestrukturen gerade beim Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen von besonderer Wichtigkeit ist. Deshalb haben wir in diesem Bereich keine weiteren Kürzungen vorgenommen. Wir haben bereits ein beispielhaftes Netz an Beratungs- und Hilfestrukturen für Frauen. Unsere Frauenhäuser leisten einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt. Dies soll und wird auch erhalten bleiben.

Selbstverständlich wäre es auch uns lieber, wenn wir in diesem Bereich deutlich größere finanzielle Sprünge machen könnten. Wenn Sie aber einen derart desolaten Haushalt einer Vorgängerregierung übernehmen, und dann auch noch von einer der schwersten Wirtschaftskrisen aller Zeiten geschüttelt werden, ist es wichtiger, eine dauerhafte Bereitstellung verlässlicher Grundstrukturen zu gewährleisten. Ich möchte noch einmal betonen, dass unsere Grundstrukturen im Bundesvergleich spitze sind.

Wenn Sie in Ihrer Regierungszeit auch nur ein bisschen Verantwortung übernommen hätten, statt über Generationen hinweg Schulden zu machen, wären wir heute noch viel weiter. Wir haben es heute Vormittag schon einmal gehört: Am 31. Dezember 2008 hatten diese Landesregierung und die von ihr getragenen Koalitionsfraktionen – man könnte beinahe sagen: seit Generationen – das erste Mal einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet: 164 Millionen €. – Das hat nur niemand wahrgenommen, weil der Finanz-Tsunami alles überlagert hat.

(Gerda Kieninger [SPD]: Ihr habt auch vorher reichlich Steuereinnahmen gehabt! Aber das haben Sie nicht zur Kenntnis genommen!)

Bei der Fortführung Ihrer Politik hätten wir den Laden Nordrhein-Westfalen und dieses gute Hilfenetz bereits insgesamt dichtmachen können. Natürlich wollen auch wir unser gutes Hilfenetz noch weiter ausbauen. Auch uns wäre es lieber, wenn wir gerade in diesem Bereich nicht auf jeden Eurocent achten müssten. Es muss aber jeder seinen Konsolidierungsbeitrag erbringen. Im Gegensatz zu Ihnen halten wir auch keine Sonntagsreden. Was Sie den Menschen versprechen, können Sie doch gar nicht finanzieren. Aber das scheint Ihnen wie immer völlig egal zu sein. Im Zweifel wird es dann eben auf Pump finanziert. Wie und wann wer diese Schulden zurückzahlt, steht bei Ihnen nicht auf der Agenda.

Unsere jetzige Finanzierung ist auf verlässliche Füße gestellt. Dass es immer Verbesserungsbedarf gibt, bezweifeln wir doch gar nicht. Insbesondere das Vorliegen von Spitzen bei der Belegung von Frauenhäusern in Ballungsgebieten ist unbestritten. Wie Sie im Frauenausschuss zur Kenntnis nehmen konnten, hat die Landesregierung bereits eine Platzbedarfsanalyse durchgeführt und arbeitet an