Protokoll der Sitzung vom 24.03.2010

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an den Beginn der nun zu Ende gehenden Wahlperiode, Herr Minister Pinkwart, als Sie und die Vertreterinnen und Vertreter der Koalitionsfraktionen ständig die RWE-Studie hinsichtlich der FuE-Quote in Nordrhein-Westfalen ins Feld geführt haben. Die darin festgestellte FuE-Quote, die zu niedrig ist und zu niedrig war, wurde der Vorgängerregierung zugeschrieben. Seit 2005 hat sich diese FuE-Quote aber kaum verändert.

Sie ist nach wie vor nicht so positiv, wie wir dies für wünschenswert halten, gar keine Frage. In den letzten fünf Jahren ist auch nichts passiert. Ich erinnere mich noch daran, dass die Damen und Herren von der FDP, insbesondere der Generalsekretär Lindner, damals so getan haben, als würde allein die Anwesenheit der FDP im Parlament und in der Regierung dafür sorgen, dass Nordrhein-Westfalen allenthalben boomt. Das ist nicht der Fall. Der Innovationsbericht zeigt dies ganz deutlich und die weiteren genannten Quellen ebenfalls.

Der Innovationsbericht 2008 bescheinigte Nordrhein-Westfalen erneut, dass in Nordrhein-Westfalen mit 4.700 Patenten immer noch deutlich weniger Patente angemeldet werden als in Bayern mit 7.000 und Baden-Württemberg mit 6.200 Patenten. Besonders die Patentanmeldung im Hochtechnologiebereich ist mit 14,5 % unterdurchschnittlich; im Bundesdurchschnitt sind es 25 %. Es geht aber nicht nur um die Anzahl der Patente, sondern ganz zentral ist auch ihre Verwertung in NordrheinWestfalen. Das ist die Messgröße, an der wir ein Innovationsland messen müssen.

Voraussetzung, damit Innovation sich entfalten kann, sind die richtigen Rahmenbedingungen. Dies gilt bei FuE genauso wie in der Bildung. Hinzunehmen muss man die unternehmerische Umsetzung. Nur zusammen bestimmen diese Faktoren den Fortschritt der Gesellschaft. Sie bilden die Grundlage für den künftigen Innovationserfolg eines jeden Bundeslandes.

Man muss eben zwischen dem Innovationserfolg und den Rahmenbedingungen für Innovation unterscheiden. Ein Bundesland mit schlechten Rahmenbedingungen muss nicht zwangsläufig einen entsprechenden Erfolg haben. Doch hält der Erfolg meistens nicht auf Dauer an; deshalb muss es auch um die Nachhaltigkeit des Erfolges gehen. Nicht jedes Bundesland, das gute Rahmenbedingungen aufweisen kann, hat auch guten Erfolg. In diesem Fall kann aber mit einiger Sicherheit angenommen werden, dass dieser sich mittelfristig einstellen wird.

Das heißt, dass die Unterschiede zwischen Innovationsrahmenbedingungen und Innovationserfolgen bei den einzelnen Bundesländern enorm groß sein können. Ich zitiere – mit Erlaubnis des Präsidenten – aus der Studie der Bertelsmann Stiftung „Die Bundesländer im Innovationswettbewerb“ vom 31. März 2009:

Während das eine Bundesland über ein ausgeprägtes Forschungssystem verfügt, aber Schwächen bei den Rahmenbedingungen für Entwicklung aufweist, bietet ein anderes optimale Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung, erschwert jedoch die unternehmerische Umsetzung der Innovation …

Bei der Herstellung optimaler Rahmenbedingungen haben Sie versagt. Verfehlte Schulpolitik und Abschaffung einer regionalisierten Strukturpolitik sind nur zwei Beispiele, die hier genannt werden müssen und die Voraussetzungen dafür wären, dass unternehmerischer Erfolg auch möglich wird.

Verbesserungsmöglichkeiten bestehen allerdings in allen Bundesländern. Insofern sind wir hoffnungsfroh, dass es auch für Nordrhein-Westfalen eine bessere Entwicklung geben kann als bisher. Spitzenreiter beim Innovationserfolg ist nicht NordrheinWestfalen, sondern Baden-Württemberg, dicht gefolgt von Bayern. Nordrhein-Westfalen folgt mit einigem Abstand; auch dies können Sie der Studie der Bertelsmann Stiftung entnehmen. Auch bei den Innovationsbedingungen hat Baden-Württemberg die Nase vorn; Nordrhein-Westfalen liegt da nur im Mittelfeld.

Die Hauptlast bei der Entwicklung von Innovationen wurde bisher immer von den Unternehmen getragen – bei einem bisher geringen Einsatz von öffentlichen Fördermitteln. In der Finanz- und Wirtschaftskrise hat aber noch die Bundesregierung aus CDU und SPD erfolgreiche Akzente gesetzt: Fördermittel aus dem Konjunkturpaket II, FuE-Projekt ZIM – Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand – seit 2008. Der Bund hat die Mittel hierfür für die Jahre 2009 und 2010 auf jeweils 775 Millionen € verdoppelt; so stand es im Februar in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“.

Nordrhein-Westfalen hinkt beim Einsatz dieser Mittel gerade für den Mittelstand, der für die unternehmerischen Umsetzungserfolge so wichtig ist, hinter Baden-Württemberg hinterher. In Baden-Württemberg flossen 108 Millionen € an Betriebe und Forschungseinrichtungen, in Sachsen waren es noch 84 Millionen €, und Nordrhein-Westfalen war nur mit rund 66 Millionen € dabei. Da können Sie sehen – auch Frau Ministerin Thoben –, welche Mittelstandspolitik Sie hier in Nordrhein-Westfalen betreiben.

Nordrhein-Westfalen muss sich also sputen, um eine hohe Beteiligung zu erreichen. Das Jahr 2010 ist noch nicht abgeschlossen. Ich gehe einmal davon aus, dass nach den Wahlen am 9. Mai in der

zweiten Hälfte des Jahres ein neuer Wirtschaftsminister oder eine neue Wirtschaftsministerin sowie ein neuer Innovationsminister oder eine neue Innovationsministerin hier neue Akzente setzen können.

Fazit: Nordrhein-Westfalen hat in den letzten vier Jahren in einzelnen Bereichen auch aufgeholt – gar keine Frage –, zum Beispiel bei den Absolventen; das haben wir nie bestritten, und das ist auch ein guter Ansatz. Dazu haben auch wir durch unsere Politik beigetragen. Es gibt weitere, allerdings nur wenige Anstrengungen originär von NRW, auch was die zusätzlichen FuE-Mittel angeht. Hier stützen Sie sich im Wesentlichen auf EU- und Bundesprogramme sowie auf Studiengebühren. Das eigene Landesengagement ist vergleichsweise gering.

Sie haben eben das Plus an Beschäftigten im FuEBereich genannt. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, dass gerade im FuE-Bereich die Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse von wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern erheblich angestiegen ist.

(Bodo Löttgen [CDU]: Das ist Marktwirt- schaft!)

Wenn es Marktwirtschaft ist, dass die Leute immer weniger verdienen, Herr Löttgen, finde ich das sehr interessant.

(Bodo Löttgen [CDU]: Sie wollen mich be- wusst missverstehen!)

Wir wollen guten Lohn für gute Arbeit, und den verdienen auch die wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter in unseren Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

(Beifall von der SPD)

Dann können wir auch der Konkurrenz zu anderen Ländern standhalten und uns wirklich darum bemühen, die deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die abgewandert sind, wieder in die Bundesrepublik, nach Nordrhein-Westfalen zurückzuholen.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: So ist es!)

Meine Damen und Herren, von dem Anspruch also, Innovationsland Nummer eins zu sein, was wir uns alle wünschen und wofür wir auch alle antreten und kämpfen, sind wir noch sehr weit entfernt. Die letzten fünf Jahre haben uns hier überhaupt nicht entscheidend weitergebracht, Herr Löttgen.

(Beifall von der SPD)

Wenn ich Ihrer Lobhudelei, die Sie eben vorgetragen haben, noch einmal mit Shakespeare vorhalten darf – der hätte gesagt: Viel Lärm um nichts oder um wenig. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schultheis. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist Frau Dr. Seidl auf dem Weg zum Rednerpult. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, ich möchte noch einmal das unterstützen, was Kollege Schultheis eben zu den Fakten ausgeführt hat. Sie haben natürlich das Recht, einen solchen Bilanzantrag vorzustellen. Es gehört auch zum parlamentarischen Geschäft, das eigene politische Tun in diesem Zusammenhang ins rechte Licht zu rücken – das weiß hier jeder im Saal –, und dies insbesondere wenige Wochen vor einer entscheidenden Wahl.

Nur: Wenn man sich selber loben will und einen reinen Abfeier-Antrag einbringt, sollte unter dem aufgehäuften Weihrauch irgendwo zumindest ein kleines Fünkchen Substanz auszumachen sein.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Man sollte auch nicht so ungeschickt operieren, dass die präsentierten Zahlen und Argumente, die Sie uns im Antrag geliefert haben, gleich beim ersten Lesen wie Seifenblasen zerplatzen. Genau das ist hier und heute bei dem von Schwarz-Gelb vorgelegten Antrag der Fall. Nur Weihrauch und kein Fünkchen Substanz!

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: So sind sie!)

Und es sind Argumentationsketten, die selbst bei Ihnen wohl gesonnenen Leuten am Stammtisch lediglich Kopfschütteln hervorrufen dürften. Ich will dies an eigenen ganz konkreten Beispielen noch einmal deutlich machen.

Erstes Beispiel ist die Absolventenquote, die Sie abfeiern. Kein Wunder, dass die gut ist; denn allein durch die von Rot-Grün auf den Weg gebrachte Studienumstellung auf Bachelor und Master, die das Studium deutlich verkürzt hat, musste es in den darauffolgenden Jahren 2006 und 2007 zu höheren Absolventenzahlen kommen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Viel interessanter vor dem Hintergrund des sogenannten Humankapitals, das der Bericht nennt, ist jedoch die Studienanfängerquote, die Sie in Ihrem Antrag tunlichst verheimlichen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Weil sie eine Katast- rophe ist!)

Der Innovationsbericht besagt: Wir sind zwar das Land mit der höchsten Studienberechtigtenquote, aber wir sind schlecht bei den Übergangszahlen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Genau so ist es!)

Das heißt im Klartext: Viele junge Leute, die ein Studium hätten aufnehmen und eine akademische Laufbahn hätten einschlagen können, entscheiden sich gegen ein Studium. Das wissen Sie genau. Diese Bilanz stellen Sie hier nicht vor. Und das ist das Entscheidende.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Barbara Steffens [GRÜNE]: Das trauen Sie sich nicht!)

Zweites Beispiel: Zu den FuE-Gesamtaufwendungen wird in Ihrem Antrag betont, dass diese Aufwendungen zwischen 2005 und 2007 um 730 Millionen € gestiegen sind – eine positive Entwicklung zweifellos. Es ist aber eine positive Entwicklung, die einzig und allein überdurchschnittlichen Wachstumsraten geschuldet ist. Ich darf die Zahlen einmal nennen: 2006 hatten wir in Nordrhein-Westfalen ein reales Wachstum von 1,9 %, 2007 ein reales Wachstum von 2,2 % – mit zusätzlichen Steuereinnahmen.

Mit anderen Worten: In Relation zum gestiegenen Bruttoinlandsprodukt ist die Höhe der gesamten FuE-Aufwendungen gleich geblieben. Sie hat sich überhaupt nicht verändert.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Hört, hört!)

Sie lag 2007 bei 1,8 % genauso wie 2005 und genauso wie 2003.

(Bodo Löttgen [CDU]: Unsinn! – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Also, die Luftblase ist geplatzt!)

Und diesen Stillstand, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, verkaufen Sie in Ihrem Antrag als – ich zitiere es noch einmal – deutliche Verbesserungen.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Nichts ist ver- bessert! Gar nichts!)

Ich finde, das ist ein äußerst kreativer Umgang mit den Fakten, um es einmal höflich zu formulieren.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Genau!)

Drittes Beispiel: Die FuE-Anwendungen der Wirtschaft. Im Antrag wird eine elfprozentige Steigerung konstatiert und so zumindest zwischen den Zeilen der Eindruck erweckt, Nordrhein-Westfalen sei kurz davor, Baden-Württemberg und Bayern an der Spitze des FuE-Rankings abzulösen. Aber leider sieht die Realität, wie am 18. März 2010 auch im „Handelsblatt“ nachzulesen war, gänzlich anders aus. Das möchte ich mit Erlaubnis des Präsidenten einmal zitieren: