Protokoll der Sitzung vom 24.03.2010

Ich will den Trockenkot nennen, der nicht verbracht werden kann, weil es keine Flächen mehr dafür gibt, und die ohnehin schon starke Nitratbelastung des Grundwassers noch weiter verschärft.

Ich will das Unverständnis der Menschen vor Ort dafür anführen, dass solche industriellen Bauwerke nach § 35 Baugesetzbuch privilegiert werden.

(Beifall von GRÜNEN und Stefanie Wiegand [SPD])

Ich will auch fragen, warum solche Gebäude nicht in Verbindung mit der dazugehörigen Fläche für das Futter gebracht werden, warum diese Bindung durch den Minister gelöst worden ist.

Eine weitere Frage lautet, warum der Immissionsschutz seit 2005 nicht verschärft, sondern eher gelockert worden ist, um die Genehmigung solcher Anlagen zu ermöglichen.

Bisher gibt es auch keine Antwort der Landesregierung auf die Frage der Gefahren möglicher Pandemien insbesondere bei gleichzeitigen Emissionen von Hühner- und Schweineställen in unmittelbarer Nähe zueinander und auf die Frage der Belastung der Menschen vor Ort.

Wir stehen also vor einer Vielfalt von Problemlagen, die dringend angegangen werden müssen. Deshalb würde es mich sehr freuen, wenn der Minister dazu Stellung nehmen könnte, und zwar hier und heute im Parlament. Er hat das in Podiumsdiskussionen getan. Aber ich würde gerne auch hier hören,

(Beifall von den GRÜNEN)

was er zu diesen Konflikten, die es in NordrheinWestfalen vermehrt gibt, sagt und welche Richtung er vorschlägt. Ich hoffe, eine für mehr Tierschutz, für mehr bäuerliche Landwirtschaft und für mehr Integration von Naturschutz, Mensch, Umwelt und ländlicher Nutzung! In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Remmel. – Jetzt spricht Herr Kemper von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag von Bündnis 90/Grüne zeigt deutlich das verquere Bild von Landwirtschaft, das Sie haben.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Ach du meine Güte!)

Sie laufen einem Bild der „Old MacDonald had a farm“-Landwirtschaft hinterher, Frau Beer. Sie kennen wahrscheinlich dieses Lied – das sollten Sie weiter singen – und verkennen die Realitäten auf den Märkten.

(Beifall von der CDU)

Sie versuchen permanent, uns einzureden, dass die Handlungsfreiheit für regionale Märkte, für regionale Erzeugung das Gelbe vom Ei in dieser Welt ist, insbesondere im Bereich Landwirtschaft, wissen aber gar nicht mehr, dass wir implementiert sind in WTO, EU, Landwirtschaftspolitik auf der Bundesebene usw.

(Beifall von Friedhelm Ortgies [CDU])

Allenfalls Ihre Landwirtschaft ist die Landwirtschaft von „Bauer sucht Frau“, Bauer Ewald oder bedient das Klischee „Heidi-Bergbauern-Idylle“.

(Beifall von der CDU)

In der Wirklichkeit sind Sie noch nicht angekommen. Sie laufen immer noch den Künast’schen Ideen von 20 % Ökolandwirtschaft als Idealbild hinterher.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Dabei verkennen Sie – hören Sie mal genau zu! –, dass da etwa die doppelte staatliche Förderung zugrunde liegt, damit Sie die Einkommen der jeweiligen Landwirte vergleichen können. Die Bauern wollen nicht zurück in Ihre Zukunft. Wo lassen Sie bloß denken, Herr Remmel?

Jetzt zu den Vorwürfen! Die Landesregierung verstößt systematisch gegen den Tierschutz. – Wenn ich das lese, muss ich sagen: Wer den Mund spitzt, muss auch pfeifen. Sie sagen, da sei ein Verstoß. Bitte, wo ist die Klage? Sie sollten mal an die tierärztliche Hochschule nach Hannover gehen, sich dort die Haltungsformen ansehen und dort diskutieren, was artgerechte Tierhaltung ist. Es geht um artgerechte Nutztierhaltung. Das ist die Realität.

Landwirte aus meinem Bereich können Ihnen deutlich sagen, dass sie ein besseres Gewissen dabei haben, ihre Nutztiere zu halten, als manche Personen, die ein Heimtier halten,

(Beifall von Friedhelm Ortgies [CDU])

denn die Quadratmeter Liegeplatz, das Klima, die Versorgung, aber auch die Lagerung der Exkremente sind permanent verbessert worden und werden immer weiter entwickelt.

Jetzt kommen wir zu dem Begriff Massentierhaltung. Massentierhaltung ist ein Begriff, den Sie hier permanent hineinwerfen. Aber eine Definition geben Sie hier überhaupt nicht. Dann müssten Sie nämlich Farbe bekennen, nicht grüne Farbe, sondern echte Farbe. Selbst das tun Sie nicht. Damit könnten Sie sagen: Bis dahin wollen wir Landwirte fördern und bis dahin nicht. Das, was wirklich landwirtschaftgerecht ist, haben wir gemacht. Wir haben an die Fläche gebunden.

Bei Ihrer Beschlussforderung sind Sie unpräzise. Sie scheuen diese Zahlen. Was haben wir denn gemacht? Wir haben den berühmten „KuschelErlass“ aufgehoben. Warum? Sie können nicht in Minuten messen, wie gut ein Landwirt mit seinen Tieren umgeht. Das lässt sich überhaupt nicht messen. Sie können auch keine Matratze in einen Stall legen, weil Sie meinen, dann würde das Tier artgerechter gehalten. Verabschieden Sie sich von diesem Idylle-Denken, denn das bringt Sie nicht weiter!

Übrigens sollten Sie mal Ihren Wahl-Slogan „Wir lassen die Sau raus!“ überdenken. Aus Tierschutzgründen dürfen Sie das gar nicht. Wo wollen Sie sie denn hinlassen?

Ich hätte eine Bitte. Sie sollten das Angebot des Berufsstandes der Landwirte – nicht nur das von der Universität und der Hochschule in Hannover – nutzen und einfach mal in die Betriebe gehen und sich

echte, artgerechte Tierhaltung ansehen. Solange Sie glauben, dass beispielsweise die Ferkelproduktion so abläuft, wie Wilhelm Busch das sah, so lange sind Sie in der Wirklichkeit nicht angekommen und so lange müssen wir Ihren Antrag ablehnen. Und wie heißt dieses Gedicht von Wilhelm Busch?

Wenn der Eber eine Sau hat,

sie liebt und sie zur Frau hat,

und der Storch beißt sie ins Beinchen,

gibt es viele Ferkelschweinchen.

Herzlich willkommen in der Wirklichkeit!

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kollege. Das waren ja noch einmal freundliche Worte am Abend. – Frau Wiegand von der SPD spricht als Nächste.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Vertreterin aus dem ländlichen Raum, Herr Kemper, kenne ich sehr wohl die Realität des ländlichen Raumes. Mit dieser Kenntnis kann ich den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen gut verstehen.

In Vreden, in meinem Wahlkreis, wird gerade ein Hähnchenmastbetrieb auf insgesamt 163.600 Tiere erweitert. Das ist kein Bauernhof mehr. Das ist eine Agrarfabrik.

(Beifall von den GRÜNEN)

Gerade in meiner Kommune, in Südlohn, diskutieren wir zurzeit parteiübergreifend über Massentierhaltung. Und warum? Weil ein großer Schweinemäster am Ortsrand seine Mastplätze um drei Stallgebäude und seinen Tierbestand auf knapp 6.500 Schweine erweitert hat – und weil es nun in unserer Gemeinde stinkt! Es stinkt auf der einen Seite bis zur Schule und auf der anderen Seite bis ins Dorf hinein zu unserem Lebensmittelmarkt.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Es stinkt bis zum Himmel!)

Gleichzeitig gehen auch in unserer ländlichen Region jedes Jahr mehrere kleine Höfe in die Knie, weil sie im Strukturwandel nicht mehr mithalten können. Aktuell diskutiert sich unsere Gemeinde die Köpfe heiß, weil die Landwirtschaft gemeinsam mit einem großen Energiekonzern vor den Toren unserer Gemeinde eine Biogasanlage auf Güllebasis errichten will.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE] – Gegenruf von Ralf Witzel [FDP]: Die Grünen protestieren heute gegen die Biogasanla- gen, die Bärbel Höhn einmal gefordert hat!)

Uns allen ist klar, dass wir damit der Agrarindustrie Tür und Tor öffnen. Schließlich ist zu befürchten, dass die Flächenbindung durch den neuen Entsor

gungsweg der Gülle langfristig nicht mehr greift. Für nicht Eingeweihte, die dieser Diskussion nicht folgen können: Im Allgemeinen darf ein Landwirt nur so viele Masttiere halten, wie er an anfallender Gülle auf seinen Feldern entsorgen kann. Wenn ein Landwirt seine Gülle zukünftig in unserer Biogasanlage entsorgen kann, wird der Aufbau von weiteren Mastställen beschleunigt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Zurzeit verspricht die Landwirtschaft uns Anwohnern – noch in einer freiwilligen Selbstverpflichtung –, dass die Gülleentsorgung in der Anlage den Tierbestand vor Ort nicht erhöhen wird. Aber solange es eine freiwillige Verpflichtung bleibt, kann sich jeder selber ausrechnen, wie lange sie Bestand haben wird.

Eine Forderung zur strikten Flächenbindung wie in Punkt 1 des Forderungskataloges im Antrag käme uns vor Ort sehr entgegen und würde die Ängste der Bevölkerung und der noch existierenden kleineren Landwirte vor Ort nehmen.

Die Leidtragenden dieser von der schwarz-gelben Landesregierung verursachten Entwicklung sind aber nicht nur die Tiere, sondern auch die Landwirte, denn sie können gegen die Agrarfabriken nicht mehr mithalten. Das sind genau die Landwirte, die mit ihren Höfen die Kulturlandschaft unserer Region prägen, die vielleicht noch Kühe auf einer Weide grasen lassen und die mit ihrer Arbeit zum Erhalt unserer Natur und unserer Landschaft beitragen.