Protokoll der Sitzung vom 24.03.2010

Die Leidtragenden dieser von der schwarz-gelben Landesregierung verursachten Entwicklung sind aber nicht nur die Tiere, sondern auch die Landwirte, denn sie können gegen die Agrarfabriken nicht mehr mithalten. Das sind genau die Landwirte, die mit ihren Höfen die Kulturlandschaft unserer Region prägen, die vielleicht noch Kühe auf einer Weide grasen lassen und die mit ihrer Arbeit zum Erhalt unserer Natur und unserer Landschaft beitragen.

Daher werden wir auch Ihrem zweiten Punkt im Forderungskatalog, der Stärkung bäuerlicher Strukturen, zustimmen.

Aber leider, lieber Johannes Remmel, schlampt Ihr Antrag in einer klaren Definition von Massentierhaltung. Eine große Anzahl von Tieren auf einem Hof ist nicht automatisch gleichzusetzen mit Massentierhaltung. Es sind die Haltungsbedingungen, die das Maß an Tierschutz bestimmen. So ist auch die Haltung einer großen Anzahl von Tieren auf einem Hof nicht automatisch tierquälerisch.

Natürlich sehen wir Geflügelmast in großem Maßstab sehr kritisch und setzen uns aktiv für bessere Bedingungen ein. Dies betrifft nicht nur die Haltung im Maststall, sondern auch die jahrzehntelange Züchtung von Tieren, die zum Ende der Mast kaum noch laufen können und an Organverfettung leiden. Aber was ist mit der Kaninchenmast, die in meinen Augen tierschutzrechtlich extrem bedenklich ist, aber nur selten als Massentierhaltung verstanden wird?

Wir möchten auch nicht alle großen Betriebe über einen Kamm scheren. In der Presse kann man immer wieder von Kleinhöfen lesen, auf denen Tiere elendig verhungern und nicht artgerecht ernährt und gehalten werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, Sie fordern, dass es künftig ein Tierschutzsiegel geben muss. Wir haben auf Bundesebene schon im Jahr 2009 einen Tierschutz-TÜV eingeführt.

Sehr geehrte Damen und Herren, die SPD-Fraktion wird dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zustimmen: zum einen, weil die CDU/FDP-geführte Regierung in den letzten fünf Jahren auf diesem Gebiet versagt hat, und zum anderen, weil die CDU auf Bundes- und auf Landesebene durch Gesetzesänderung im Bundes-Immissionsschutzgesetz die Errichtung von Großmastanlagen begünstigt hat. Aber diese Regierung ist ja zum Glück nur noch wenige Tage im Amt, denn am 9. Mai ist für Sie alles vorbei. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und Johannes Remmel [GRÜNE] – Ralf Witzel [FDP]: Wovon träumen Sie nachts? – Gegenruf von Rainer Schmelt- zer [SPD]: Vom Regierungswechsel! – Diet- mar Brockes [FDP]: Gute Nacht! Träumen Sie süß!)

Danke schön, Frau Wiegand. – Für die FDP spricht nun Herr Ellerbrock.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Wahlkampf hat begonnen. Ich bedanke mich für die Koalitionsfraktionen bei meinem Kollegen Johannes Remmel, dass er CDU und FDP eine gute Wahlwerbung in den ländlichen Regionen an die Hand gegeben hat. Selten konnte man so klar machen, welche Unterschiede es zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb gibt. Danke schön dafür!

(Ralf Witzel [FDP]: Rot-Rot-Grün!)

Meine Damen und Herren, die Bedingungen in der Landwirtschaft haben sich in den letzten Jahren völlig verändert. In Brüssel haben wir den Schwenk zur Marktwirtschaft vollzogen. Die Globalisierung hat Einzug gehalten und zu einem ungeahnten Wohlstand auf breiter Front geführt. Der Landwirt orientiert sich um. Er ist nicht mehr Bittsteller, er ist selbstständiger Unternehmer. Landwirte als selbstständige Unternehmer – das ist das Leitbild, das diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben.

Meine Damen und Herren, wenn man den Antrag der Grünen liest, dann könnte man sich vorstellen, in eine Jahrhundertwende zu kommen, aber nicht von 1999 nach 2000, sondern von 1899 nach 1900. Haben wir eigentlich vergessen, welchen Quantensprung wir hier in der Landwirtschaft vollzogen haben? 1900 hat ein Landwirt in der Regel etwa vier Personen ernährt, in den 50er-Jahren waren es zehn Personen, und heute ernährt ein Landwirt 126 Personen. Das geht nicht mit „Kuschel-Erlass“, das

geht nicht mit der Vorstellung nur frei laufender Hühner ohne mögliche Bezäunung. Es geht auch nicht, dass man sagt: Es muss absolut qualfrei sein.

Meine Damen und Herren, das ist genau das Gleiche, was wir heute in der Debatte über die COLeitung gehört haben: Wir wollen es qualfrei haben. Wer definiert „qualfrei“? Meiner Ansicht nach das Tierschutzgesetz! Aber da klinken sich die Kollegen von den Grünen und – wie ich gehört habe – von Frau Wiegend ja aus. Das ist ein völlig subjektiver Begriff. Wenn mich das Schwein mit fröhlichen Augen auf der „Gummiwiese“ anguckt und nach draußen schaut, dann ist das qualfrei.

Meine Damen und Herren, wenn wir einen Fachmann haben, der weiß, wovon er redet, dann ist das Heinrich Kemper, der viele Hinweise gegeben hat,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das war auch qualfrei!)

denen ich mich auch gerne gebeugt habe: Geh’ auf die Höfe, guck’ nach bei den Hochschulen, was dort abläuft.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, das Bild vom Landwirt, das die Grünen mit ihrem Antrag zeichnen, ist aus meiner Sicht zutiefst diskriminierend für einen Berufsstand, der einen erheblichen Wandel vollzogen hat.

Was die Grünen wollen, das steht ja auch im Wahlprogramm:

Wir setzen auf eine Agrarförderpolitik, die bäuerliche Strukturen stärkt, statt auf Weltmarktfähigkeit der heimischen Landwirtschaft und auf „Wachsen oder Weichen“ zu setzen. Das heißt für uns eine prioritäre Förderung des ökologischen Landbaus und der Regionalvermarktung sowie der artgerechten Tierhaltung. Dazu bedarf es einer Neuausrichtung der nationalen und der EU-Agrarförderung auf ökologische Kriterien.

Meine Damen und Herren, das, was hier gefordert wird, ist doch in zwei Richtungen zutiefst unsozial: Zum einen sind wir froh, dass wir gesunde und auch preiswerte Lebensmittel haben. Das kann sich dadurch ändern – Angebot und Nachfrage. Zum anderen wird der Landwirt wieder in eine Bittstellerrolle gedrängt: Der Landwirt wird abhängig von Vorgaben aus Brüssel und Berlin zu Produktionsmethoden, die fern vom Weltmarkt sind.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Er kann kein Einkommen mehr erwirtschaften. Er wird öffentlicher Angestellter – nach BAT 8, 9 oder 10 bezahlt. Das ist das Weltbild. Wir müssen das auch irgendwie bezahlen.

Zu den erhobenen Vorwürfen – Massentierhaltung gefährdet die Gesundheit, ist Tierquälerei usw. – möchte ich sagen: Wenn dem so wäre, wäre doch

schon längst dagegen geklagt worden. Wenn dem so wäre, wäre das gar nicht mehr akzeptabel. Wenn dem so wäre, würde man nicht nur den Mund spitzen, sondern auch pfeifen. Nur: Das trifft unter den heutigen rechtlichen Regelungen überhaupt nicht zu.

Der Antrag soll eine grüne Klientel bedienen und Stimmung gegen die Landwirtschaft machen.

Ich sage hier für meine Partei: Wir erkennen im Landwirt einen Unternehmer, der sein Einkommen eigenverantwortlich erwirtschaften soll, der wettbewerbsfähig arbeiten soll und der sich wie jeder andere Wirtschaftszweig auch im Rahmen der bestehenden Gesetze zu bewegen hat.

Wenn wir das ändern wollen, müssen wir die Gesetze ändern. Dafür sehe ich keine Mehrheit: weder in diesem Hause noch auf Bundebene noch auf Ebene der EU. Wir sind auf einem vernünftigen Weg und gehen nicht mit Mut zurück in die Vergangenheit wie die Grünen und die SPD. Wir haben Mut zur Zukunft und werden sie weiter gestalten. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Ellerbrock. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Lienenkämper.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich denke, die unterschiedlichen Auffassungen in diesem Hause sind durch die Diskussionsbeiträge der Fraktionen deutlich geworden und stehen uns allen vor Augen.

Auch aus Sicht der Landesregierung zeigt der Antrag der Grünen mit seinen Vorschlägen überhaupt keine geeigneten Lösungsansätze auf.

Die Landesregierung konzentriert sich lieber auf die Fakten. Die Tierhaltung ist ein Schwerpunkt unserer Landwirtschaft. Mit der Tierhaltung werden über 70 % der landwirtschaftlichen Einkommen erwirtschaftet.

Gleichzeitig stehen die Tierhalter vor großen Herausforderungen. Sie müssen einerseits auf die Globalisierung der Märkte reagieren. Im Übrigen müssen sie die Erwartung der Gesellschaft an hochwertige und gleichzeitig preisgünstige Lebensmittel erfüllen. Diese Erwartungen steigen. Sie müssen genauso auch die Anforderungen an den Umweltschutz und den Naturschutz sowie den Tierschutz und den Verbraucherschutz erfüllen.

Dabei ist aus unserer Sicht die Umweltfreundlichkeit der Tierhaltung keine Frage der Betriebsgröße. Denn gerade moderne Tierhaltung trägt auch zum Umweltschutz bei. Spezielle Futtermischungen und

spezielle Zusatzstoffe verringern den Nährstoffaustrag.

Die Tierzucht reduziert auch die Umweltbelastung. Wie Sie wissen, ist der Futterverbrauch in der Schweinemast zurückgegangen: Um 1 kg Schweinefleisch zu erzeugen, ist der Futterverbrauch von den 70er-Jahren bis heute von 3,5 kg auf 2,9 kg zurückgegangen.

(Zuruf von Lothar Hegemann [CDU])

Die Methanemission pro Liter Milch sank von 40 auf 30 g, während sich gleichzeitig die Tagesleistung der Kuh von 10 auf 30 Liter Milch erhöhte.

Emissionen werden im Übrigen durch fachgerechtes Lagern und auch fachgerechtes Ausbringen von Gülle gemindert. Die bodennahe Ausbringung von Gülle mit Schleppschläuchen reduziert beispielsweise die Ammoniakemissionen um bis zu 90 %. Wenn die Güllebehälter abgedeckt werden, verringert sich die Emission um bis zu 95 %.

Im Übrigen stellt die Energieerzeugung durch Biogas auch noch einen Beitrag zum Klimaschutz dar.

Nicht nur aus Marktgründen, sondern auch im Sinne des Umweltschutzes benötigen wir eine moderne Tierhaltung. Darauf zielt auch die Politik von Herrn Kollegen Eckhard Uhlenberg ab.

Durch die 1:1-Umsetzung europäischen Umweltrechts hat die Landesregierung für gleiche Wettbewerbsbedingungen gesorgt. Der Anwohnerschutz vor Geruchsemissionen wurde verbessert. Mit der Erarbeitung eines Stickstoffleitfadens für das Verfahren zur Genehmigung von Ställen werden empfindliche Ökosysteme geschützt. Die Landesregierung hat eine Bundesratsinitiative gestartet, um die Kontrollmöglichkeiten des Verbleibs von Nährstoffen, unter anderem aus gewerblichen Tierhaltungsanlagen, zu verbessern. Schließlich – das ist nicht am unwichtigsten – ist die Agrarförderung in Nordrhein-Westfalen an die Einhaltung von Umweltstandards und von tiergerechten Haltungsverfahren gebunden. Das heißt im Klartext: Alle Direktzahlungen werden insbesondere auch im Hinblick auf den Tierschutz kontrolliert. Bei Verstößen werden diese Direktzahlungen gekürzt oder sogar ganz gestrichen.

Meine Damen und Herren, diese Beispiele zeigen, dass die Landesregierung die heimischen Tierhalter unterstützt, um den Herausforderungen globalisierter Märkte und den Ansprüchen an den Umwelt-, den Tier- und den Verbraucherschutz gerecht zu werden.

Eckhard Uhlenberg macht eine moderne und eine zukunftsgerichtete Politik für die Landwirtschaft und für die Menschen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von CDU und FDP)

Deswegen sage ich Ihnen: Träumen Sie ruhig weiter von der Regierungsübernahme! Landwirte wer

den Sie jedenfalls nicht wählen – mit diesen Anträgen schon gar nicht.

(Beifall von CDU und FDP)